Kommentar zu AssangeDie Heiligsprechung muss noch warten

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Bangkok: Screenshot vom X (ehemals Twitter)-Konto von Wikileaks von Julian Assange bei seiner Ankunft in Bangkok, nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis.

Bangkok: Screenshot vom X (ehemals Twitter)-Konto von Wikileaks von Julian Assange bei seiner Ankunft in Bangkok, nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis.

Es wird gerne übersehen, dass Julian Assange alles ist, aber kein Journalist. Journalisten stellen gerade nicht wahllos Daten und Informationen ins Internet.

Es ist ein Tag der Erleichterung: Julian Assange kommt frei. Nach fünf harten Jahren in englischer Haft, denen sieben zähe Jahre vorangingen, die er in der ecuadorianischen Botschaft in London verbracht hatte. Nach ingesamt zwölf Jahren nun kann der gesundheitlich angeschlagene Assange in seine Heimat Australien zurückkehren. Endlich, sagen diejenigen, die ihn seit fast eineinhalb Jahrzehnten unterstützen. Seit Assange über seine Enthüllungsplattform Wikileaks jene heute berühmten Videos und Dokumente veröffentlicht hatte und damit mögliche US-Kriegsverbrechen im Krieg gegen den Terror publik machte.

Seither wird er unter seinen Anhängern wie ein Heiliger verehrt. Vergessen ist seine Rolle bei der US-Wahl 2016, als er dank mutmaßlicher russischer Hacker die E-Mail-Korrespondenz Hillary Clintons veröffentlichte und ihrem Wahlkampf damit massiv schadete. Vergessen auch, dass er 2012 eine eigene Talkshow im russischen Propagandasender Russia Today moderierte. Das alles spielt keine Rolle in dem Freiheitskampf-Narrativ, das Assange und seine Anhänger seit jeher verbreiten, weswegen sie in seiner strafrechtlichen Verfolgung die Pressefreiheit in Gefahr sehen.

Journalisten stellen nicht wahllos Daten ins Internet, wie es Wikileaks getan hat

Dabei wird gerne übersehen, dass Julian Assange alles ist, aber kein Journalist. Journalisten stellen gerade nicht wahllos Daten und Informationen ins Internet, wie es Wikileaks unter Assange getan hat. Journalisten prüfen die Fakten, ordnen sie ein und wägen ab – auch die möglichen Konsequenzen, die im Zweifel nicht sie selbst, sondern ihre Informanten tragen müssen, wenn bestimmte Dinge publik werden.

Assange war das stets egal. Dass er nun trotzdem frei ist, nach fünf Jahren Haft ohne Urteil, durch einen Deal mit den USA, ist dennoch eine gute Nachricht. Denn wer wünschte ihm schon jene unfassbaren 175 Jahre Haft, die ihm im Falle einer Auslieferung in die USA gedroht hätten? Mit dem Aktivisten Julian Assange und der Supermacht USA trafen zwei Unbeugsame aufeinander. Der Klügere hat jetzt nachgegeben.

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