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Katholischer Verein„Pax Christi“ unterzeichnet Aufruf für Stopp an die Bundesregierung

Lesezeit 5 Minuten
Eine Ostermarsch-Teilnehmerin in Stuttgart hält eine Fahne von „Pax Christi“ und trägt ein Anti-Kriegs-Transparent.

Eine Ostermarsch-Teilnehmerin in Stuttgart hält eine Fahne von „Pax Christi“ und trägt ein Anti-Kriegs-Transparent.

Die katholische Vereinigung „Pax Christi“ unterstützt den öffentlichen Aufruf für ein deutsches Rüstungsexportverbot nach Israel und erntet Kritik.

Es sind drastische Vorwürfe, die dem Bundeskanzler und seinem Kabinett da zugestellt wurden. Von „Kriegsverbrechen im Gazastreifen und im Westjordanland“ ist in dem „Offenen Brief“ zum Nahost-Konflikt von Anfang Mai die Rede, gar von der „Gefahr eines Völkermords“ an den Palästinensern durch Israel.

Als Konsequenz fordern die Unterzeichner die Bundesregierung auf, „den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach Israel“ zu stoppen. Wie Israel – derzeit bedroht nicht nur von der Hamas, sondern auch von der Hisbollah im Norden und von der Großmacht Iran – sein in dem Brief ausdrücklich anerkanntes „Recht, sich zu verteidigen“, wahrnehmen soll ohne Waffenlieferungen, schreiben die Autoren nicht.

Ausgerechnet Deutschland also soll einen Rüstungsboykott gegen Israel verhängen – eine Forderung, die angesichts der deutschen Geschichte heikel ist. Politisch unrealistisch ist sie ohnehin: Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 mehrfach Angela Merkels Formel bekräftigt, die Sicherheit Israels sei „deutsche Staatsräson“.

Islamisten im Boot?

Umso brisanter ist die Liste der Gruppen, die diesen „Offenen Brief“ unterzeichnet haben. Neben verschiedenen Hilfsorganisationen, unter anderem „Amnesty International“, taucht dort nämlich auch der Verein „Pax Christi“ auf: eine katholische Nichtregierungsorganisation (NGO), die in den großen Kirchen bestens vernetzt ist – bis hinauf in die Führungsetage der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Hinzu kommt noch, dass sich „Pax Christi“ mit seiner Unterstützung eines Rüstungsboykotts in fragwürdige Gesellschaft begibt. So hat auch die muslimische Hilfsorganisation „Islamic Relief“ den „Offenen Brief“ unterzeichnet: eine Organisation, die laut Erkenntnissen der Bundesregierung von 2020 „über signifikante personelle Verbindungen zur Muslimbruderschaft“ verfügt haben soll – also zu Islamisten.

Die israelischen Behörden beschuldigen „Islamic Relief“ sogar, die Hamas zu finanzieren, und stufen die Organisation als „terroristisch“ ein. „Islamic Relief Deutschland“ selbst betont auf seiner Website, man lehne „jede Form des Radikalismus, des Extremismus und der Gewalt ab“. Dass sich eine christliche Organisation wie „Pax Christi“ einem derart bunten Feld der Israelkritiker anschließt, mag viele Kirchenmitglieder verwundern. Für Kritiker kommt es allerdings wenig überraschend.

„Wenn es um die Delegitimierung Israels geht, steht ,Pax Christi“ immer in der ersten Reihe“, sagt etwa der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck (Grüne), im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ob propagandistischer Flankenschutz für die Israel-Boykott-Bewegung BDS oder Unterstützung für Experten, die Deutschland von historischer Verantwortung emanzipieren wollen oder sich von den Juden unterdrückt fühlen: ,Pax Christi’ geht immer vorne weg.“

Bischofskonferenz gibt keine Auskunft

Beck sieht die katholischen Friedensaktivisten damit „ganz in der Tradition des Heiligen Justin“: Der antike Kirchenvater (gestorben 165) habe einst den zerstörten Jerusalemer Tempel und den Verlust der jüdischen Staatlichkeit als Beweis für den Wahrheitsanspruch des Christentums betrachtet. „Die katholische Kirche sollte sich mal überlegen, was die Förderung dieser Israelfeinde für das Verhältnis der Christen zu ihren älteren Brüdern und Schwestern bedeutet“, so Beck.

Eine spannende Gesprächspartnerin zu diesem Thema wäre Beate Gilles. Als Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz ist sie nicht nur die ranghöchste Frau in der katholischen deutschen Kirchenbürokratie. Sie war auch zumindest bis in die jüngste Zeit hinein Mitglied von „Pax Christi“.

Ob sie das immer noch ist, weiß man nicht: Eine Anfrage unserer Redaktion wollte die Bischofskonferenz nicht beantworten. Auch ob sie sich die Forderung eines Export-Stopps von Waffen nach Israel zueigen macht und wie sie die Zusammenarbeit von „Pax Christi“ mit „Islamic Relief“ findet, möchte Frau Gilles nicht sagen. Die katholischen Gläubigen in Deutschland, von deren Kirchensteuern „Pax Christi“ gefördert wird, müssen sich die Antworten selber ausmalen.

Das Versteckspiel überrascht besonders, weil es nicht das erste Mal ist, dass die katholische Friedensinitiative mit ihren Nahost-Positionen Angriffsflächen bietet. Erst im März sprach eine „Pax Christi“-Funktionärin beim Ostermarsch in Stuttgart mit Blick auf Israel von „Apartheid“. Vor einigen Jahren trat sogar der Präsident der österreichischen Sektion von „Pax Christi“ zurück, der Linzer Bischof Manfred Scheuer, weil er den Israel-Kurs der Organisation nicht mehr mittragen wollte.

„Ich bin überzeugt, dass aufgrund der Schoah gerade in Deutschland und Österreich eine besondere Verantwortung und Sensibilität gegenüber dem Staat Israel notwendig ist“, sagte Scheuer damals.

Kein Einfluss auf Unterzeichner

Die deutsche Sektion von „Pax Christi“ verteidigt derweil ihren „Offenen Brief“ an die Bundesregierung. „Wir verurteilen den bestialischen Angriff der Hamas auf Israel und die Festsetzung von Geiseln“, sagte der Bundesvorsitzende Gerold König im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir fordern die Freilassung der Geiseln und setzen uns für einen Waffenstillstand in Gaza ein, der von beiden Seiten eingehalten werden muss, um die Freilassung der Geiseln zu bewirken, aber auch, um eine humanitäre Katastrophe, die sich derzeit anbahnt, zu verhindern.“

Dem Selbstverteidigungsrecht Israels werde „in keinster Weise widersprochen“, so König weiter. Es gehe bei dem Export-Stopp-Aufruf nur um Waffen, „die in Gaza zum Einsatz kommen“. Mit Blick auf „Islamic Relief“ sagte er, man habe „keinen Einfluss darauf gehabt, welche Organisationen den offenen Brief von Transparency International mitunterzeichnen werden“. Sollte es Verbindungen zur Muslimbruderschaft geben, „distanzieren wir uns natürlich von derartigen Tätigkeiten“.

Und wie steht man zum Vorwurf der „Apartheid“ gegen den jüdischen Staat Israel? „Für ,Pax Christi“ ist die Faktenlage und die Gewichtung angesichts einer solchen Einstufung noch nicht klar ausdiskutiert“, so König. Die Deutsche Bischofskonferenz hätte es kaum besser formulieren können.