„Karls Erdbeerhöfe“-Eigentümer Robert Dahl setzt sich für die Integration von Flüchtlingen durch Arbeit ein. Zudem kritisiert er die zu lange Dauer von Asylverfahren und die hohe Bürokratie in Deutschland.
Integration durch ArbeitKarls-Erdbeerhof-Chef plädiert für schnelle Arbeitsgenehmigungen für junge Asylbewerber
Robert Dahl ist Erdbeerbauer in der dritten Generation. Das Familiengeschäft hat er in ein Agrar- und Touristikunternehmen mit rund 200 Millionen Euro Jahresumsatz verwandelt – in Ostdeutschland. Im Interview mit Daniel Benedict spricht der Unternehmer über die Lage dort, über seine Verzweiflung an der Bürokratie und den Blick seiner ausländischen Mitarbeiter auf die AfD-Dominanz.
Herr Dahl, wie haben Sie Ihre gut 30 Jahre als westdeutscher Gründer im Osten erlebt?
Der Ossi-Wessi-Konflikt hat bei meiner Arbeit nie eine Rolle gespielt. Ich komme aus beiden Welten, bin im Westen aufgewachsen und dann in den Osten gegangen. Inzwischen bin ich ostdeutscher Lokalpatriot. Wenn sich jemand über Ossis mokiert, fühle ich mich angegriffen. In unserem Unternehmen arbeiten Leute aus dem Osten und Westen. Und zwischen denen gab es nie Probleme.
Ein Konflikt, der das ganz Land spaltet, ist der Graben zwischen der politischen Mitte und den Extremen. Im Osten ist die AfD besonders erfolgreich. Erleben Sie diese Debatte im Osten anders als im Westen?
Ich fürchte, bei der nächsten westdeutschen Landtagswahl wird die AfD auch hier stärker. Die vielen Stimmen verdankt die AfD der Bundesregierung. Die Leute wollen, dass ihre Bedenken angesprochen werden. Und das hat die Ampel völlig versäumt. Es ist auch eine Frage der Akteure. In Sachsen, wo wir gerade unser sechstes Erlebnisdorf eröffnet haben, hat die CDU der AfD glücklicherweise Paroli geboten und ist stärkste Kraft geworden – weil Michael Kretschmer als Ministerpräsident sehr hart gekämpft hat. Dagegen hat die Bundesregierung nur diese Botschaft: Wenn Ihr uns nicht wählt, kommt die AfD an die Macht. Da kann ich gar nichts mit anfangen. Das ist doch kein Parteiprogramm.
Viele Unternehmer fürchten, dass die AfD-Erfolge in Ostdeutschland den Wirtschaftsstandort gefährden. Teilen Sie diese Sorge? Sie sind womöglich nicht so sehr auf internationale Fachkräfte angewiesen. Ausländische Mitarbeiter haben Sie aber ganz sicher.
Wir haben wirklich enorm viele ausländische Mitarbeiter und das aus sehr vielen verschiedenen Ländern. Und die kennen meine Haltung: Dankbarkeit und Respekt. Ohne Ausländer könnten wir dichtmachen. Egal, was die AfD erzählt. Das fängt bei der Erdbeerernte an: In meiner Kindheit in Warnsdorf waren es Türken, dann Polen, dann die Ukrainer, die seit dem Krieg fast gar nicht mehr kommen können. Jetzt sind es Rumänen. Deutsche Erdbeerpflücker habe ich die letzten 50 Jahre noch nicht gesehen. Wir brauchen die Ausländer aber auch in der Gastronomie und nicht selten auch im Management. Zwei unserer Teammanager kommen aus Syrien.
Haben die wegen der AfD-Erfolge Angst?
Ich hoffe nicht. Aber natürlich weiß ich nicht, wie einem die Leute begegnen, wenn man mit einer dunkleren Hautfarbe in den Supermarkt geht. Meine Schwester Ulrike Dahl ist bei Karls mit ihrem internationalen Team für alle Themen rund um das Personalwesen verantwortlich. Ihr liegt eine gute und schnelle Integration unserer ausländischen Mitarbeiter sehr am Herzen. Wenn das bei uns klappt, dann müsste es doch auch auf Bundesebene klappen. Vielleicht sollten einige Politiker mal das Buch meiner Schwester lesen.
Sie stellen Ihre Erntehelferunterkünfte auch Asylbewerbern zur Verfügung. Beschäftigen dürfen Sie die dann, wenn ich es richtig verstehe, aber nicht.
Genau das meine ich, wenn ich der Politik grobe Fehler vorwerfe. In Rövershagen wohnen 156 Asylbewerber in unseren Häusern, seit über einem Jahr. Davon haben sechs eine Arbeitserlaubnis, mit der sie bei uns arbeiten können. Das ist doch Mist! Jeder weiß, dass Asylverfahren zwei, drei Jahre dauern, viel zu lange natürlich. Was spricht dagegen, diese Männer in der Zwischenzeit mit einer Arbeitsgenehmigung auszustatten? Sie könnte ja vorläufig sein. Es ist doch verrückt, dass diese Leute die ganze Zeit in ihren Baracken sitzen.
Mit welchen Ihrer eigenen Erfahrungen könnten Sie die Politik überzeugen?
In der Flüchtlingskrise ab 2015 haben wir dem Landkreis Rostock schon einmal unser Erntehelfercamp für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Und aus dieser Zeit haben wir immer noch 80 Syrer bei uns im Unternehmen. Die sind voll integriert; die haben wichtige Positionen in der Kaffeerösterei, in der Schokoladenmanufaktur, zwei davon sind Teammanager. Die sind mit null Sprachkenntnissen zu uns gekommen. Jetzt sprechen sie fließend Deutsch, haben Karriere gemacht und führen deutsche Mitarbeiter. Arbeit ist ein sensationelles Mittel für die Integration.
Kamen die Teamleiter auch als Asylbewerber?
Ja, und beide sind richtig gut. Kassam und Mohammed heißen die. Ich will nicht scheinheilig sein und sage nicht, dass Integration einfach ist. Ich bin für Integration durch Arbeit. Einfach wäre es, wenn unsere Politiker mal aus ihren Büros rauskommen und diesen 150 Personen – verdammt nochmal – innerhalb von zwei Wochen eine Arbeitsgenehmigung ausstellen. Aber dann wird rumgeeiert, dann muss geprüft werden. Sollen sie prüfen. Aber warum muss das drei Jahre dauern? Dadurch kommen diese ganzen Probleme erst zustande. In unseren Unterkünften sind wie überall fast nur junge Männer aus Afghanistan und Syrien. Wir alle wissen, wie junge Männer sind. Wenn die nichts zu tun haben, lungern sie rum. Was sollen sie sonst auch machen? Die Politik sorgt dafür, dass diese jungen Syrer in Rostock am Bahnhof rumstehen, auf ihr Handy starren und das dumme Zeug machen, das junge Männer machen. Es wäre besser, wenn sie bei mir einem Job nachgehen könnten, einen normalen Alltag hätten und sich integrieren könnten.
Gibt es jenseits der Migrationspolitik andere Regierungsentscheidungen, die Ihnen die Arbeit schwermachen?
Die Bürokratie. Investitionen werden durch eine wirklich massive Regelungswut erschwert. Da verliert selbst der stärkste Unternehmer die Lust. Am Ende soll die Arbeit sich ja auch rechnen. Wenn ich denke, wie teuer unsere neuen Erlebnisdörfer geworden sind – weil immer noch eine Regelung zu beachten ist, eine Dämmstoffverordnung und was weiß ich nicht alles. Das betrifft nicht nur mich, das bringt die ganze Wirtschaft ins Straucheln. Mein Appell an die Politik wäre also: Bitte, weniger Bürokratie! Wenn eine neue Regel kommt, dann bitte zwei alte abschaffen.
Zur Person
Robert Dahl hat sein landwirtschaftliches Familienunternehmen zum größten Erdbeeranbau-Betrieb im Nordosten Deutschlands gemacht. 2001 gründete er „Karls Erlebnisdorf“, das den Marmeladenverkauf mit Achterbahnen kombiniert. Inzwischen betreibt er Freizeitparks in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Erst jetzt kommen zum bislang einzigen West-Standort, dem Familienstammsitz bei Lübeck, neue hinzu: Dahl baut in Loxstedt bei Bremerhaven, in Oberhausen und plant sogar in Kalifornien. (dab)