Jana Ringwald, Staatsanwältin bei der Internetkriminalitätszentrale, identifiziert Cyberkriminelle durch ihre digitale Spur. Meist mittels Verkaufsforen und Plattformen, auf denen sie Zugangsdaten für wenige Euro anbieten.
Cyberstaatsanwältin enthülltSo leicht kommen Kriminelle an persönliche Informationen
Die dunkle Seite des Internets ist Jana Ringwalds Ermittlungsfeld. Die Ober- staatsanwältin bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sucht im Darknet nach Cyberkriminellen. Der technischen Raffinesse der Täter ist nur schwer beizukommen, erzählt sie im Interview mit Hannah Petersohn.
Frau Ringwald, mittlerweile kann jeder im Darknet die Online-Zugangsdaten anderer Menschen oder eine Schadsoftware kaufen, um so einer Person zu schaden oder sie zu erpressen. Wie viel geben die Käufer dafür aus?
Gemessen daran, wie hoch der Schaden für ein Opfer sein kann, sind die Preise für einen Datensatz, also Zugangsdaten zu einem Käufer-Account etwa, erschreckend gering. Für umgerechnet teils wenige Euro kann man sich Datensätze mit Zugangsdaten besorgen. Es gibt dafür Foren und Handelsplattformen im Netz, die sich einer großen Abnehmerschaft erfreuen. Einzelne Nutzer zu ermitteln ist zeitaufwändig und wenig effizient, weswegen wir unsere Ermittlungen immer wieder auf den Betrieb solcher Plattformen richten.
Sie schreiben: Es gibt keine analogen Straftaten mehr. Was bedeutet das für die Strafverfolgung?
Wie wir leben, so leben auch die Täter. Wir haben alle permanent unser Handy dabei und hinterlassen Datenspuren. Am Arbeitsplatz läuft auch das Meiste digital. Es ist kaum noch möglich, eine Straftat zu begehen, ohne eine Datenspur zu hinterlassen.
Wer sind die Täter?
Die Täter zeichnet aus, dass man sie nicht auf der Straße erkennen kann. Sie holen sich alle Informationen aus dem Netz, sind gut vernetzt und sehr viel schneller in der Annahme neuer Technologien, insbesondere im Bereich von Kryptowährungen und Anonymisierung.
Sie waren früher Staatsanwältin für Wirtschaftskriminalität. Was haben Cyber- und Wirtschaftskriminelle gemeinsam?
In beiden Bereichen sind die Täter stark pekuniär angetrieben. Natürlich gibt es auch die persönliche Motivation oder das Motiv des Ausspähens oder Zerstörens. Aber zumeist geht es den Tätern zumindest auch um einen finanziellen Vorteil. Im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts kommt es durchaus vor, dass Angeklagte ebenso gut ausgebildet sind wie die verfahrensleitende Staatsanwältin. Ebenso fordern uns Cybertäter mit technischem Wissen und hoher Agilität heraus. Es lässt sich sagen: Auf beiden Seiten, der Strafverfolgung und der Täterseite, findet man ähnliche Kenntnisse und Qualitäten.
Wie oft kommen Täter vor Gericht?
Als Cyberstaatsanwältin muss ich es auch als einen Erfolg anerkennen, wenn wir keinen Täter gefasst, aber seine IT-Infrastruktur vom Netz und ihm sein Kryptovermögen genommen haben. Denn unsere Täter halten sich nicht selten in Staaten auf, die mit uns nicht kooperieren.
Wie kommen Sie den Kriminellen auf die Spur?
Mit viel Technik und viel Aufwand einerseits, aber auch mit Beharrlichkeit, Gründlichkeit, Ausdauer und nicht zuletzt kriminalistischer Denke. Denn die brauchen wir genauso wie früher.
Wenn man Ihr Buch „Digital. Kriminell. Menschlich. Eine Cyberstaatsanwältin ermittelt“ liest, bekommt man den Eindruck, Sie haben es mit einer Sisyphus-Aufgabe zu tun: Sie nehmen einen Marktplatz vom Netz und der nächste steht schon in den Startlöchern. Stimmt das?
Ja und nein. Wir schaffen Kriminalität nicht ab, das gelang noch niemandem und wird auch niemandem gelingen. Aber unsere Arbeit macht es den Tätern zunehmend schwerer, unbeobachtet und unbescholten im Netz ihr Unwesen zu treiben. Eine gute Portion Idealismus ist in meinem Beruf sicherlich förderlich. Aber es gelingt uns immer wieder, empfindlich in das Ökosystem „Underground Economy“ einzugreifen.
Das macht das Internet für Kriminelle unattraktiver. Wohin weichen sie aus?
Illegale Marktplätze sind noch immer ein Anlaufpunkt für Kriminelle. Das weltweite massive Auftreten der Strafverfolgungsbehörden in den vergangenen Jahren zwingt die Täter aber zu Alternativen. Der Handel mit illegalen Gütern weicht zunehmend auf Messenger-Services oder Kommunikations-Plattformen aus, die nicht so leicht oder gar nicht als illegal zu klassifizieren sind.
Nicht nur Angriffe auf Einzelpersonen nehmen zu. Auch Cyberattacken auf Firmen werden häufiger. Warum werden nur wenige zur Anzeige gebracht?
Zwar wächst das Vertrauen uns gegenüber allmählich, aber Firmen haben noch immer Vorbehalte, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Die Gründe dafür sind zahlreich: Kommen Polizeieskorten in die Firma und nehmen die Hardware mit? Wird dann in der Presse über den Vorfall berichtet? Verliert die Unternehmensführung ihre Handlungsfreiheit, wenn einmal Polizei und Justiz im Boot sind, und steht am Ende die Geschäftsführung im Fokus von Ermittlungen wegen abhanden gekommener Daten? All das sind Fragen, die sich Firmenverantwortliche stellen.