Die Bauern-Demos gehen weiter: Die Landfrauen-Präsidentin sieht die Bedürfnisse des ländlichen Raums oft nicht berücksichtigt.
Interview mit Landfrauen-Präsidentin„Die Ampel-Koalition ist nicht allein für die Zustände verantwortlich“
Die aktuellen Proteste der Bauern müssen der Ampel-Koalition eine Warnung sein, meint Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes, im Gespräch mit Thomas Ludwig. Es gehe um mehr als Landwirtschaft.
Frau Bentkämper, stehen die Landfrauen nur ideell hinter den protestierenden Bauern oder sind sie auch tatkräftig vor Ort?
Die Landwirte und Landwirtinnen haben unsere uneingeschränkte Unterstützung – und da spreche ich jetzt nicht von Brötchen schmieren und Kaffee anreichen, daran denken ja viele, wenn sie das Wort Landfrauen hören. Es sind auch ziemlich viele taffe Landwirtinnen unter den Protestierenden, die sich klar äußern. Und nicht nur ihnen, sondern auch den männlichen Kollegen zolle ich höchsten Respekt für den Protestwillen und ihr Durchhaltevermögen – und das, obwohl es ja auch innerhalb der Landwirtschaft durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt, beispielsweise zwischen konventionellem und ökologischem Anbau. Einig sind sich aber alle darin: Die Landwirtschaft muss wieder den Stellenwert bekommen, den sie verdient.
Geht es überhaupt noch um den Wegfall der Agrardiesel-Vergünstigungen oder nur noch ums Prinzip?
Die Streichungen bei Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Tatsächlich ist die Politik schon in den vergangenen Jahren kaum auf die Bedürfnisse der Bauern und Bäuerinnen eingegangen und hat deren Anregungen und Empfehlungen meistens ignoriert. Die jetzige Ampel-Koalition ist ja nicht allein für die schwierigen Zustände im Agrarbereich verantwortlich. Die Landwirtschaft braucht mehr langfristige Sicherheit und die Luft, um in die Zukunft investieren zu können. Mit immer neuen Auflagen oder der Streichung von Geldern ist das nicht zu machen. Vielen Landwirtinnen und Landwirten fehlen einfach die Mittel.
Inzwischen sind die angedachten Kürzungen teils vom Tisch. Sollten die Bauern nun einlenken?
Ich war ziemlich überrascht, wie schnell die Bundesregierung nach den ersten Protesten im Dezember wieder zurückgerudert ist. Offenbar hat man in Berlin gemerkt, dass da etwas ganz und gar schiefgelaufen ist. Wir haben gesehen, wie schnell es gelingt, mobil zu machen. Das Zeichen der Stärke ist gesetzt und ich glaube, das ist in Berlin angekommen. Ob noch ein weiteres Mal nachjustiert wird? Ich bin keine Hellseherin, kann es mir aber schwer vorstellen. Irgendwann brauchen wir natürlich einen Plan B und man muss wieder von der Straße an den Tisch für Verhandlungen.
Haben Sie den Eindruck, dass die Bundesregierung aus der urbanen Blase Berlin heraus grundsätzlich eine Politik macht, die dem ländlichen Raum schadet?
Ja, das ist wohl so, das merkt man an vielen Stellen, auch ich persönlich. In vielen Gremien in Berlin bin ich als Landfrauen-Präsidentin oft die Einzige, die die Herausforderungen des ländlichen Raums im Blick hat. Es geht ja um mehr als Landwirtschaft, es geht um Infrastruktur, Nahverkehr, ärztliche Versorgung, Breitbandversorgung, die Situation von Frauen und vieles mehr. Da liegt vieles im Argen, und manch einer auf dem Land fühlt sich als Bürger zweiter Klasse. Dennoch mag ich es gar nicht, den ländlichen Raum immer als „abgehängt“ und „ausgeblutet“ zu bezeichnen. Im Gegenteil, es gibt hier viele Chancen. Die Politik muss sie nur sehen und konsequenter ergreifen. Wir können ja nicht alle in den Ballungszentren leben.
Immer wieder heißt es, Extremisten könnten die Bauernproteste unterwandern. Was sagen Sie?
Am Anfang war ich sehr besorgt. Es gab ja solche Versuche von Querdenkern, der AfD und anderen. In den vergangenen Tagen haben wir aber gesehen, dass die meisten Landwirtinnen und Landwirte dagegen konsequent vorgehen und solche Leute des Platzes verweisen. Sie wollen sich nicht vereinnahmen lassen. „Landwirtschaft ist bunt und nicht braun“, fasst es schön zusammen.
Gleichwohl bleibt die Gefahr bestehen?
Extremisten schwingen sich immer schnell zu großen Volksverstehern auf und sobald es emotional wird, springen einige Menschen auf diesen Zug auf. Man sollte sich aber nicht von Versprechungen blenden lassen. Ich empfehle, hinter die vermeintlich schnellen Lösungen zu blicken und einen genauen Blick in die Parteiprogramme zu werfen. Mit der AfD in der Bundesregierung würde es einen Verband wie den unseren sicher nicht mehr geben.