Das Hochwasser im Süden hat die Debatte um eine Pflichtversicherung erneut entfacht. Christoph Busch vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen sagt: Die Allgemeinheit kann nicht auf Dauer für Gebäudeschäden aufkommen müssen.
Häufigere UnwetterIst eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden nötig?
Gerade einmal die Hälfte der Gebäude in Deutschland ist gegen Elementarschäden versichert. Immer wieder springen der Bund und die Länder nach einem „Jahrhunderthochwasser“mit Milliardenhilfen ein. Eine Pflichtversicherung hält Christoph Busch, Vorsitzender des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen, für zulässig. Das Gremium berät das Bundesumweltministerium. Wie eine solche Police aussehen müsste, erklärt er im Gespräch mit Hannah Petersohn.
Nach jedem Hochwasser wird über die Einführung einer Elementarpflichtversicherung diskutiert. Warum braucht es aus Ihrer Sicht den verpflichtenden Schutz? Wozu raten Sie dem Bundesumweltministerium?
Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen spricht sich für die Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung aus. Grundsätzlich sollte sich jeder Eigentümer einer Immobilie selbständig um die Absicherung seines Gebäudes kümmern. Bislang hat aber gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der Eigentümer eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen. Im Bundesdurchschnitt liegt die Versicherungsquote nur bei 54 Prozent. Das bedeutet, dass bei einem Großschadensereignis die Allgemeinheit für einen großen Teil der Gebäudeschäden aufkommen muss. Das ist auf Dauer für die öffentlichen Haushalte nicht tragbar. Hinzu kommt, dass der Staat in derartigen Fällen auch Schäden an der öffentlichen Infrastruktur tragen muss.
Wäre eine Pflichtversicherung vereinbar mit der geltenden Versicherungsfreiheit?
Der Sachverständigenrat hat diese Frage in einem juristischen Gutachten untersucht. Eine Versicherungspflicht, die eine freie Wahl unter den Versicherern erlaubt, wäre zulässig. Voraussetzung ist, dass sich die Prämien grundsätzlich am versicherten Risiko orientieren. Ein gewisser sozialer Ausgleich ist aber möglich und wohl auch nötig.
Wie müsste eine solche Pflichtpolice ausgestaltet sein?
Die Versicherung müsste eine Absicherung gegen starke oder vollständige Zerstörung eines Gebäudes bieten. Die Höhe der Prämie sollte sich am Risiko und den versicherten Werten orientieren. Dagegen setzt eine Einheitsprämie die falschen Anreize und führt zu einer Umverteilung in die falsche Richtung. Die Versicherungsnehmer sollten ferner die Wahl zwischen unterschiedlichen Selbstbehalten haben. Denkbar wäre auch ein Modell, bei dem zusätzliche Maßnahmen für den Hochwasserschutz seitens der Versicherten zu einem Prämienrabatt führen.
An welcher Stelle hakt es bei der Einführung einer Pflichtversicherung?
In der politischen Debatte wird immer wieder das Argument vorgebracht, wichtiger als eine Elementarschadenversicherung sei der Hochwasserschutz. Richtig ist, dass beides notwendig ist. Pflichtversicherung und Hochwasserschutz müssen sich ergänzen. Ein Problem, das gelöst werden muss, ist ferner die Frage der Rückversicherung. Damit eine flächendeckende Elementarschadenversicherung wirtschaftlich tragfähig ist, bedarf es letztlich wohl einer staatlichen Garantie für Spitzenschäden.
Wie sehen Sie eine Opt-Out-Lösung, bei der Verbraucher, die den Schutz nicht wollen, diesen aktiv ablehnen müssen?
In der Opt-out-Lösung würden wir allenfalls einen Kompromiss sehen. Es ist davon auszugehen, dass sich dann immer noch nur maximal 80 Prozent versichern würden. Sollte sich später noch herausstellen, was nicht unwahrscheinlich ist, dass die restlichen 20 Prozent überwiegend in den am höchsten gefährdeten Zonen liegen, dann wird die Allgemeinheit bei der nächsten Hochwasserkatastrophe wieder einspringen müssen. Damit wäre nicht viel gewonnen. .
Was spricht gegen den aktuellen Status Quo, demgemäß jeder Eigenheimbesitzer selbst entscheidet, ob er einen Schutz abschließt?
Der Status Quo sieht so aus, dass sich Immobilieneigentümer darauf verlassen, dass der Staat einspringt, wenn Elementarschäden eintreten. Ökonomen sprechen hier von einem „charity hazard“. Wenn ich weiß, dass der Staat hilft, gibt es für mich keinen hinreichenden Anreiz selbst für eine Versicherung zu sorgen. Hinzu kommt, dass das Risiko von Elementarschäden häufig unterschätzt oder verdrängt wird.
Teilen Sie die Sorge, dass sich Hauseigentümer nicht mehr um den Schutz ihrer Immobilie kümmern, wenn sie durch eine Versicherung finanziell abgesichert sind?
Nur bedingt. Zum einen werden die Versicherer Auflagen und Mindeststandards für den Gebäudeschutz formulieren. Zum anderen ist auch ein versicherter Schaden schon alleine wegen der Aufräumarbeiten kein Vergnügen. Auch Selbstbehalte setzen einen Anreiz, etwas für den Schutz der eigenen Immobilie zu tun.
Taugt Frankreich als Vorbild? Dort sind Versicherer dazu verpflichtet, bei jeder Hausrat- oder Gebäudeversicherung einen festen Betrag für die staatlich festgelegte Elementarversicherung wegzulegen.
Nein, weil dieses System ebenfalls Mängel hat. Die Prämien, die dort gezahlt werden, sind nicht risikobasiert. Daher ist das französische System total untertarifiert und wirtschaftlich auf längere Sicht nicht tragfähig.