Experten warnen, dass es im Frühjahr erstmals zu Netzüberlastung kommen könnte – Was Besitzer von PV-Anlagen jetzt tun können, verrät uns die Verbraucherzentrale im Interview.
Warnung von ExpertenGibt es bald zu viel Solarstrom in Deutschland?
Weil die Zahl der Photovoltaikanlagen auf Wohnhäusern stark gestiegen ist, könnte bald zu Spitzenzeiten so viel Solarenergie produziert werden, dass die Stromnetze überlastet sind. SPD und Grüne arbeiten an einem Gesetz, das solche Solarspitzen abfedert. Die Energiebranche warnt, notfalls müsse man Netze abschalten, um einen Blackout abzuwenden. Andreas Holtgrave, Energie-Experte der Verbraucherzentrale Niedersachsen, beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie können sich Hausbesitzer mit Solaranlage verhalten, wenn spontan eine Solarspitze droht?
Wenn man kurzfristig reagieren will, etwa wenn morgen oder übermorgen ein Überangebot an Sonnenenergie erwartet wird, bieten sich nur wenige Möglichkeiten. Man kann lediglich versuchen, den Verbrauch zu verlagern, wenn es so weit ist: also Waschmaschine, Spülmaschine und Trockner während der Solarspitze laufen lassen, vielleicht auch Kühlschrank und Tiefkühltruhe so einstellen, dass sie tagsüber mehr kühlen als nachts. Wer einen Stromspeicher hat, kann ihn früh morgens ins öffentliche Netz entladen, um für die Hauptlast zur Mittagszeit freien Batteriespeicherplatz zu schaffen. Ein smartes Energiemanagementsystem, das eingebaut wurde, kann das auch automatisiert übernehmen: Es holt sich die notwendigen Informationen aus dem Internet und managt den Haushalt entsprechend.
Wie sollte man mittelfristig vorbauen?
Das Entscheidende ist die Ausrichtung der Solarmodule auf dem Dach. Früher hat man die Anlagen in der Regel wie einen Sonnenanbeter nach Süden ausgerichtet, um das Maximum an Ertrag herauszuholen. Zu Zeiten, in denen die Einspeisevergütung noch höher lag, war das wirtschaftlich vernünftig. Heute, bei geringer Einspeisevergütung, sollten die Module am besten so ausgerichtet werden, dass möglichst viele Stunden ausreichend eigener Solarstrom erzeugt wird – und möglichst wenig fremder Strom vom Anbieter zugekauft werden muss. Vielfach landet man dann eher bei Anlagen, deren Module abwechselnd nach Ost und West ausgerichtet sind. Der Gesamtertrag ist dann zwar geringer, aber ich kann damit über den Tag hinweg meinen Bedarf womöglich besser decken – und trage daher zu den meisten Solarspitzen kaum noch etwas bei. Auf Flachdächern sind Ost-West-Anlagen zugleich weniger anfällig für Sturmschäden.
Was ist Besitzern von kleineren PV-Anlagen zu raten, den sogenannten Balkonkraftwerken?
Auch die kann man so planen, dass sie eher geringere Leistung über einen längeren Zeitraum hinweg bringen statt einer möglichst hohen Spitzenleistung. Kleine Anlagen dürfen gesetzlich nur maximal 800 Watt in das Hausnetz einspeisen. Man kann aber trotzdem zwei oder drei statt nur einem Paneel aufstellen und die dann eben wiederum in unterschiedliche Himmelsrichtungen ausrichten.
Kann meine Anlage im Fall einer Netzüberlastung durch ein zu hohes Solarstromaufkommen kaputtgehen?
In so einem Extremfall schaltet der Netzbetreiber ja das allgemeine Netz regional ab, um es zu schützen. Für private Solaranlagenbesitzer hat das nur die Auswirkungen, die alle spüren, wenn die Stromversorgung gestoppt wird: Die Tiefkühlpizza taut halt auf, der Fernseher geht nicht mehr und so weiter. Für die Solaranlage selbst hat das aber keine Folgen.
Welche Nachteile habe ich, wenn meine Anlage im Falle einer Solarspitze eines Tages ohne mein Zutun abgeregelt wird, also keinen Strom mehr in die öffentlichen Netze einspeisen darf, wie es die Politik gerade anstrebt?
Dann entgeht Ihnen für diesen Zeitraum die Einspeisevergütung. Das ist allerdings ein Szenario, das nur an wenigen Tagen im Jahr realistisch ist, und auch dann nur für ein oder zwei Stunden. Der wirtschaftliche Schaden dürfte sich also auf das Jahr gerechnet im schlimmsten Fall bei unter zehn Euro bewegen.
Wo bleibt der Strom, wenn man ihn nicht selbst verbraucht und er auch nicht mehr eingespeist werden darf?
Bei einer Abregelung würde der Wechselrichter einer PV-Anlage aus der Spannung und dem Strom, die von den Solarmodulen erzeugt werden, weniger oder im Extremfall gar keine Leistung abnehmen. Es ist wie mit einer normalen Batterie für die Fernbedienung: Sie enthält ja nur potenzielle Energie, aber so lange man sie nicht an einen Stromkreis anschließt, fließt kein Strom.