BewegungseinschränkungenInternationale Reha-Messe gibt Tipps für modernes barrierefreies Wohnen

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Ein Mann sitzt auf einem Treppenlift.

Im eigenen Haus so lange wie möglich wohnen: Technische Hilfen erleichtern den Weg ins Obergeschoss.

Laut einer Studie der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau gelten nur 1,5 Prozent aller Wohnungen als barrierefrei.

Millionen Menschen in Deutschland haben auf Grund ihres Alters oder von Krankheiten Bewegungseinschränkungen. Ihre Zahl wächst noch durch die geburtenstarken Jahrgänge, die jetzt ins Rentenalter kommen und für die das Leben in den eigenen vier Wänden zunehmend beschwerlicher wird – vor allem, wenn Treppen zu überwinden sind. Stürze gerade im Treppenhaus sind verbreitet.

Laut einer Studie der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau gelten nur 1,5 Prozent aller Wohnungen als barrierefrei. Auf der Internationalen Reha- und Mobilitätsmesse für Alle (Irma) am Wochenende in Hamburg wurden verschiedene Hilfsmittel vorgestellt, die den Zugang zu höheren Etagen auch wenig mobilen Menschen ermöglichen.

Radpaare bewältigen Stufen Der österreichische Hersteller Sano bietet einen so genannten elektrischen Treppensteiger an. Dabei übersteigen zwei elektronisch angetriebene Radpaare eine Stufe nach der anderen. Die mobilitätseingeschränkte Person sitzt in dem Treppensteiger, hinter ihr hält eine zweite Person das Gerät in Balance. „Dafür braucht man keine Kraft, sondern nur etwas Übung“, sagt Thomas Buggle, Vertriebsleiter der Sano Deutschland GmbH aus Oberaudorf, und fügt hinzu: „Der Treppensteiger ist mobil, man kann ihn auch an jeder anderen Treppe benutzen und man spart sich den Einbau eines festen Treppenliftes.“

Kosten liegen bei 5000 Euro

Die Kosten liegen nach seinen Angaben bei 5000 Euro, wovon die Krankenkassen bei Vorlage der nötigen ärztlichen Bescheinigungen 4000 Euro übernehmen. „Deutschland ist für Sano der wichtigste Markt. In Österreich und Frankreich ist die Finanzierung deutlich schwieriger, die Betroffenen müssen meist viel mehr selber zahlen“, sagt Buggle.

Auch die Alber GmbH aus Albstadt stellt Treppensteighilfen her. Die werden sowohl von Sano als auch von Alber ebenfalls für Rollstühle angeboten – der eigene Rollstuhl erhält dabei eine spezielle Halterung, durch die das Treppensteigen möglich wird. „Wir prüfen immer vor Ort, ob unser Gerät eingesetzt werden kann, das hängt unter anderem von der Zahl der Stufen und dem Gewicht der zu befördernden Person ab“, sagt Berater Tobias Meier. Nach seinen Worten gibt es wachsende Konkurrenz durch neue Hersteller und immer mehr Werbung für ähnliche Produkte.

Damit meint Meier die Liftstar GmbH aus Köln, die für ihre mehr als 200.000 Mal verkauften Lifta-Treppenlifte auf breiter Front massiv wirbt. „Wir merken, dass wir so das Vertrauen vieler Menschen gewinnen“, sagt Maximilian Gillar, Leiter des Großkundengeschäfts.

Zuschuss von der Krankenkasse

Die Treppenlifte werden in den Niederlanden und England hergestellt. Liftstar setzt auf den Direktvertrieb. So wird der Fachhandel umgangen – womit für Interessenten die Wahl zwischen verschiedenen Herstellern entfällt. Gillar spricht von einer wachsenden Nachfrage: „Die Pflegeheime werden immer teurer, die Plätze sind rar – auch deswegen versuchen viele ältere Menschen, so lange wie möglich zu Hause wohnen zu bleiben.“

„Händler und Hersteller heben die Vorteile der eigenen Produkte hervor, das ist ganz klar. Man sollte immer schauen, die individuell sinnvollste Lösung zu finden“, sagt Antje Voss. Die Architektin arbeitet für den gemeinnützigen Verein Barrierefrei Leben, der in Hamburg Ratsuchende über technische Hilfen für die Umgestaltung der Wohnung berät. Ihr erster Tipp: „Ein zweiter Handlauf an der Treppe ist die günstigste Variante, das kann schon eine große Hilfe sein.“

Wem ein zweiter Handlauf nicht ausreiche, könne möglicherweise eine Treppensteigehilfe nutzen, bei der die eigene Bewegung durch technische Hilfsmittel unterstützt wird. „Solange man das Treppensteigen durch eigene Bewegung unterstützen kann, bleibt man mobiler, als wenn man komplett Hilfsmittel in Anspruch nimmt“, sagt Voss.

Bei einem Treppensitzlift muss die betreffende Person in der Lage sein, sich zum Beispiel vom Rollstuhl in den Sitzlift zu bewegen. Die Plattformlifte, die einen Rollstuhl nach oben befördern, benötigen deutlich mehr Platz und passen nicht in jedes Treppenhaus.

Für die Finanzierung betont Voss die Bedeutung eines Pflegegrades. „Es gibt für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen einen Zuschuss bis zu 4000 Euro von der Krankenkasse. Nach einer Höherstufung beim Pflegegrad kann man neue Maßnahmen beantragen und dafür wiederum bis zu 4000 Euro von der Krankenkasse bekommen“, sagt Voss und fügt hinzu: „Manchmal wird das von den Kassen aus Unwissenheit abgelehnt, dann muss man Widerspruch einlegen.“

Ihr letzter Tipp: „Laut Gesetz haben auch Mieter Anspruch auf eine Wohnraumanpassung, wenn das ihr Gesundheitszustand erfordert. Vermieter lehnen das nicht selten mit der Begründung ab, dass der Einbau von Hilfsmitteln nicht schön aussieht. Doch ästhetische Gründe spielen bei dieser Frage keine Rolle.“


Städtetag will mehr Förderprogramme

Der Deutsche Städtetag fordert von der Bundesregierung mehr Maßnahmen zur Verbesserung der Pflege. Es herrsche „akuter Mangel an altersgerechtem Wohnraum“, sagte die Vizepräsidentin des kommunalen Spitzenverbands, Katja Dörner, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Daher müssten Bund und Länder ihre Förderprogramme für barrierefreie Wohnungen aufstocken. Zudem müssten die Kranken- und Pflegekassen den altersgerechten Umbau stärker mitfinanzieren.

Das gewohnte Umfeld sei der beste Schutz gegen Vereinsamung, betonte die Grünen-Politikerin, die auch Bonner Oberbürgermeisterin ist. „Gleichzeitig entlastet es das Pflegesystem, wenn ältere Menschen möglichst lange selbstbestimmt ohne Pflegeleistungen in der eigenen Wohnung zurechtkommen.“ Überdies müsse die Bundesregierung den Städten mehr Kompetenzen in der Pflegeplanung geben, so Dörner. (epd)

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