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Handball-EM in KölnJulian Köster ist der „Hellseher“ der deutschen Mannschaft

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Deutschlands Julian Köster (l) steigt zum Wurf hoch.

Deutschlands Julian Köster (l) steigt zum Wurf hoch.

Hin und wieder könnte man meinen, dass Köster eine Glaskugel bei sich trägt, in die er zwischenzeitlich schaut.

Es gibt Handballer, die man in der Halle gesehen haben muss, um zu verstehen, wie gut sie sind. Das erlösende Tor von Julian Köster zum 26:24-Endstand beim EM-Sieg der deutschen Nationalmannschaft über Island ist auf allen Fernsehsendern zu sehen. Es läuft überall. Rauf und runter. Inklusive seines XXL-Jubels. Der für den 23-Jährigen untypisch ist. Köster gilt als stiller Zeitgenosse, der lieber sein Werk für oder andere über sich sprechen lässt. Und so sagt er nach dem Krimi in Köln lediglich: „Was hier passiert ist, ist schwer in Worte zu fassen. Und meine Freude hat man mir ja angesehen.“

Köster kommt im linken Rückraum zum Einsatz. Also auf einer Position, die in Deutschland oft von Wurfgewalt geprägt war. Zum Beispiel von Pascal Hens. Oder Julius Kühn. Genau das ist Köster aber nicht. Tore aus zehn oder elf Metern Entfernung sind bei ihm eine Seltenheit. Er verkörpert eher die spielerische Variante und hat gleichzeitig umfassende Defensivqualitäten im Angebot. Noch dazu in unterschiedlichen Systemen. Kurzum: Solch einen Spieler hat jeder Trainer gerne in seinem Kader. Denn einer wie Köster bietet ein Rundum-sorglos-Paket, das nicht für jeden sofort ersichtlich ist. Vor allem in der häufig unterschätzten Abwehrarbeit. Wo der 23-Jährige Räume schließt. Was den Gegner bisweilen zur Verzweiflung treibt. Denn mit seinen Laufwegen durchkreuzt der Mann vom VfL Gummersbach Pläne. Und das sieht man eben nur in der Halle.

„Julian liest das Spiel. Er kapiert einfach schneller als andere, was gleich passieren wird“, lobt Bundestrainer Alfred Gislason. Hin und wieder könnte man meinen, dass Köster eine Glaskugel bei sich trägt, in die er zwischenzeitlich schaut. Doch dieses mystische Instrument sucht man bei ihm vergeblich. Trotzdem ahnt der Wahl-Kölner Passstafetten des Gegners voraus, entschlüsselt Spielzüge, decodiert die Angriffstaktik. Er ist eine Art Hellseher. Der nicht unbedingt das Besondere macht. Aber eben das Richtige tut.

„Er ist ein unglaublich kompletter Spieler“, schwärmt Gislason. Er nennt Köster gar einen „Weltklasse-Abwehrspieler. Julian verliert wenige Zweikämpfe, ist extrem schnell auf den Beinen.“ Doch auch in der Offensive hat er herausragende Qualitäten, was im modernen Handball von immenser Bedeutung ist. Das Spiel wird immer schneller, Abwehr-Angriff-Wechsel minimieren entsprechend Erfolgswahrscheinlichkeiten. Köster bleibt immer drauf. Er ackert hinten, um dann in den Angriffsmodus umzuschalten. Um zu schauen, was möglich ist. Und was nicht. Das nennt man Cleverness. „Julian reißt viele Löcher, ist sehr gut in Mann-gegen-Mann-Duellen“, zählt Gislason weitere Vorzüge des 23-Jährigen auf, der wie auch Spielmacher Juri Knorr, Kapitän Johannes Golla und Torwart Andreas Wolff den Status eines Unersetzbaren genießt.