In die damals neuen Umweltzonen durften ab dem Sommer 2013 nur noch Fahrzeuge mit grüner Umweltplakette fahren. Die Wirkung blieb nicht aus.
NRW kann durchatmenGemessen an den heutigen Grenzwerten wären Umweltzonen unnötig – Allerdings nur vorübergehend
Feinstaub- und Stickstoffdioxid-Alarm war früher fast alltäglich in NRW. Noch etwa vor zwölf Jahren wurden die an Messstationen festgestellten Grenzwerte an manchen „Hotspots“ reihenweise gerissen. 2012 waren zum Beispiel die Jahres-Höchstwerte für Feinstaub in NRW schon im August erreicht worden. Die Recklinghauser Straße in Herne, die Mülheimer Straße in Oberhausen, die Kurt-Schumacher-Straße in Gelsenkirchen und die Brackeler Straße in Dortmund gehörten jahrelang zu den schlechtesten Adressen in NRW, wenn es um die Luftqualität ging.
Und heute? Heute ist die Luft sogar an diesen Orten so sauber, dass die Grenzwerte nicht mehr überschritten werden. Luftkurort-Qualität wird dort natürlich immer noch nicht erreicht, aber es liegen eben viel weniger krankmachende Stoffe in der Luft. In die damals neuen Umweltzonen durften ab dem Sommer 2013 nur noch Fahrzeuge mit grüner Umweltplakette fahren. Die Wirkung blieb nicht aus: Schon im Jahr 2014 wurden nirgendwo in NRW die Grenzwerte für Feinstaub überschritten, und das ist bis heute so geblieben, wie das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) erklärt.
Bei den ebenfalls gefährlichen Stickoxiden dauerte es etwas länger, bis sich Erfolge einstellten: Zwar gingen auch hier die Werte kontinuierlich nach unten, aber erst im Jahr 2020 wurde erstmals an keiner Messstelle in NRW mehr der Grenzwert überschritten.
Ruhe selbst am Clevischen Ring
2022 und 2023 gab es laut dem Lanuv wieder jeweils eine Überschreitung, beide Male an der Kruppstraße in Essen neben der Autobahn A40. Sogar am berüchtigten Clevischen Ring in Köln, wo es vor 15 Jahren noch an jedem fünften Tag Feinstaub-Alarm gab, ist die Luftqualität inzwischen recht gut.
Wenn also die Luft so viel sauberer ist als früher, der Dieselskandal längst ausgestanden ist und sich immer mehr Elektro- und Hybridfahrzeuge in die Fahrzeugflotte mischen – brauchen wir die Umweltzonen und die grünen Plaketten eigentlich noch? Und warum müssen Autokäufer immer noch für grüne Plaketten bezahlen, wenn doch praktisch jedes Auto die Anforderungen dafür erfüllt?
Gemessen an den heutigen Mess- und Grenzwerten könnten die Umweltzonen-Schilder tatsächlich wieder abgeschraubt und die Plaketten von den Scheiben gekratzt werden. Es gibt da allerdings einen Haken: Die aktuell in Europa geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid sind schon mehr als 20 Jahre alt und entsprechen laut dem Umweltbundesamt nicht mehr den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung.
Die EU-Kommission hat daher schärfere Grenzwerte vorgeschlagen, die schon in wenigen Jahren – voraussichtlich ab 2030 – auch in NRW der Maßstab sein könnten. Dabei orientiert sich Brüssel stärker als bisher an den strengen Grenzwerten für Luftverschmutzung, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt.
Weitere Luftreinhalte-Maßnahmen könnten notwendig werden
Ein Beispiel: Bei Stickstoffdioxid gilt heute ein Grenzwert von 40 µg/m3 (Mikrogramm pro Kubikmeter Luft). Laut der neuen EU-Richtline soll dieser Jahres-Mittelwert auf 20 µg/m3 halbiert werden. Die WHO empfiehlt sogar 10 µg/m3. Es dürfte also künftig auch in NRW wieder vielerorts Überschreitungen von Grenzwerten geben.
Das NRW-Umweltministerium erinnert daran, dass der Trend hin zu saubererer Luft das Ergebnis einer „ambitionierten Umweltpolitik“ seit den 1980-er Jahren sei. Die Landespolitik warnt vor Schnellschüssen bei den Luftreinhalte-Vorschriften, denn die Europäische Union habe ja schon zu Jahresbeginn die Verschärfung der Grenzwerte beschlossen, um den Gesundheitsschutz zu stärken.
Prognosen des Landesumweltamtes Lanuv zeigen, dass weitere Luftreinhalte-Maßnahmen notwendig werden könnten, um alle Ziele, die die EU vorschlägt, einzuhalten. Selbst die modernen E-Autos haben ein – relativ kleines – Feinstaub-Problem. Bei der Herstellung fallen diese Schadstoffe an, beim Reifenabrieb und beim Bremsen.
Die absehbar strengeren Vorschriften stellen die Behörden heute schon vor besondere technische Herausforderungen. Denn die üblichen Messgeräte sind nicht empfindlich genug für viele der neuen Grenzwerte. Man könnte auch sagen: Stand heute sind viele der strengen Vorgaben von morgen noch nicht messbar.
Umweltzonen in Nordrhein-Westfalen
2008 wurde in Köln die erste Umweltzone in NRW eingerichtet. Nach und nach kamen weitere Städte dazu, und die Einfahrverbote nach den Umweltplaketten wurden schrittweise verschärft.
Gründe dafür waren die zum Teil massiven Überschreitungen der Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid. Die zusammenhängende und erweiterte Umweltzone Ruhr, „scharf gestellt“ 2014, erstreckt sich über Bottrop, Castrop-Rauxel, Gelsenkirchen, Gladbeck, Herten, Recklinghausen, Bochum, Dortmund, Herne, Duisburg, Esse, Mülheim und Oberhausen. (mk)