Hunger und Durst am Steuer führen zu vielen Unfällen. Islamische Länder starten nun eine Kampagne gegen die Gefahr im Fastenmonat.
Gefahr im FastenmonatRamadan bringt muslimische Autofahrer zur Raserei
Wenn im islamischen Fastenmonat Ramadan die Sonne untergeht, wird es im Nahen Osten gefährlich auf den Straßen. Autofahrer, die seit dem Morgengrauen nichts mehr gegessen und getrunken haben, drücken aufs Gaspedal, um pünktlich zum abendlichen Fastenbrechen nach Hause oder ins Lokal zu kommen. Viele bezahlen das mit dem Leben: Die Zahl der Verkehrstoten in Saudi-Arabien steigt kurz vor dem Fastenbrechen im Vergleich zu anderen Tageszeiten um 27 Prozent, wie die Behörden jetzt mitteilten. Aufklärung, Verbote und mobile Mahlzeiten für Autofahrer sollen den Ramadan sicherer machen.
Ramadan dauert noch bis 9. April
Im Fastenmonat, der dieses Jahr bis zum 9. April dauert, verzichten gläubige Muslime vom Morgengebet bis zum Abendgebet auf Nahrung und Wasser. Die Folgen zeigen sich vom ersten Tag an, zumal es in einigen Ländern des Nahen Ostens schon jetzt bis zu 30 Grad heiß wird. In Kuwait zählte die Polizei zum Start des Ramadans vorige Woche fünf Verkehrstote; der Durchschnitt an Tagen außerhalb der Fastenzeit liegt in dem kleinen Ölstaat am Persischen Golf bei weniger als einem Toten. Die Zeitung „Muscat Daily“ in Oman berichtete ebenfalls, vor dem abendlichen Fastenbrechen werde viel gerast. Dabei gehörten Geduld und Durchhaltevermögen zu den Tugenden im Ramadan, kommentierte das Blatt.
Die Auswirkungen des Fastens auf die Verkehrssicherheit und die besondere Gefahr der Stunde vor dem Fastenbrechen sind in islamischen Staaten seit langem bekannt. Im Jahr 2012 kam die Weltgesundheitsorganisation WHO bei einer Verkehrsstudie in Pakistan zu dem Schluss, dass sich fast die Hälfte der untersuchten Unfälle kurz vor dem abendlichen Fastenbrechen ereignete.
Müdigkeit und Ungeduld führen zu Unfällen
Laut einer Untersuchung in Dubai leiden Autofahrer im Ramadan unter Dehydrierung und niedrigem Blutzuckerspiegel, was ihre Aufmerksamkeit und sogar das Sehvermögen beeinträchtigen kann. „Müdigkeit, Erschöpfung, Ungeduld und Ablenkung“ verursachen demnach viele Unfälle. Thomas Edelmann, Chef des privaten Verkehrsverbandes RoadSafetyUAE in den Vereinigten Arabischen Emiraten, sagte der „Khaleej Times“, im Ramadan gebe es auf den Straßen eine gefährliche „Mischung aus psychologischem Drang und physiologischem Bedürfnis“.
Um die Gefahr im Ramadan zu entschärfen, machen die Behörden mobil. Die Polizei in Kuwait installierte in diesem Jahr fast tausend zusätzliche Verkehrskameras, um Raser zu erwischen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten rief die Polizei die Bürger auf, Ramadan-Raser zu melden. Und die Behörden in Katar forderten Autofahrer auf, sich nicht ans Lenkrad zu setzen, wenn ihnen vor Hunger schwindlig sei. Wer im Ramadan fahre, solle seine Gefühle im Zaum halten.
Appelle allein genügen aber nicht. In Katar hat die Polizei im diesjährigen Ramadan alle Lastwagen zu den besonders unfallträchtigen Tageszeiten von den Straßen verbannt. Das Fahrverbot ist Teil einer breiteren Kampagne der Polizei in dem Emirat, die Zahl der Verkehrstoten zu senken. Erste Erfolge gibt es schon. Im vergangenen Jahr starben dort 168 Menschen auf den Straßen; 2022 waren es noch 222.
Anderenorts werden hungrige Fahrer an Straßenkreuzungen mit einer kleinen Mahlzeit versorgt, wenn der Muezzin zum Iftar ruft, dem abendlichen Fastenbrechen. Eine Krankenhauskette zum Beispiel lässt in Zusammenarbeit mit der Polizei in Dubai in diesem Jahr 150.000 Mahlzeiten an Autofahrer verteilen. Die Pakete enthalten Datteln, mit denen das Iftar-Mahl traditionell eröffnet wird, sowie Wasser, Saft und ein Stück Kuchen. Der Snack auf der Straße soll die Autofahrer davon abhalten, bei der Fahrt nach Hause ihr Leben zu riskieren.
Ob diese Gegenmaßnahmen tatsächlich zu weniger Unfällen führen, ist allerdings noch offen. Der Verkehrsverband RoadSafetyUAE in den Vereinigten Arabischen Emiraten rät Autofahrern für die Zeit des abendlichen Fastenbrechens deshalb: „Bleiben Sie von der Straße.“