Der frühere NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin wurde einstimmig zum RVR-Regionaldirektor gewählt. Mit ihm verbindet sich die Hoffnung auf mehr Durchschlagskraft.
RVR-Regionaldirektor Garrelt DuinDas ist das neue bekannte Gesicht des Ruhrgebiets
Das neue bekannte Gesicht des Ruhrgebiets
Der frühere NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin wurde einstimmig zum RVR-Regionaldirektor gewählt. Mit ihm verbindet sich die Hoffnung auf mehr Durchschlagskraft.
Von Tobias Blasius
Düsseldorf/Essen. Als den gebürtigen Ostfriesen Garrelt Duin die politische Karriere vor zwölf Jahren an die Spitze des Wirtschaftsministeriums nach Nordrhein-Westfalen führte, gab er anfänglich schon mal lebensnahe Aussprachehilfe für seinen Nachnamen. „Duin wie Duisburg“, sagte er damals - und man lernte es schnell.
Am Freitag vergriff sich jedoch der Vorsitzende der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR), Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD), konsequent an seinem Vornamen. „Gärrelt“, sagte Dudda immer wieder. Mit englisch intoniertem „ä“. Möglicherweise wusste Dudda nicht, dass Garrelt nur die friesische Form von Gerald ist. Vielleicht war es aber auch ruhrgebietstypischer Schabernack mit Anglizismen. Man sagt ja auch zu „Woolworth“ gern „Wollwott“ und „Rostbäff“ zu „Roastbeef“.
Es blieben die einzigen Dissonanzen in einer durchaus historischen Verbandsversammlung. SPD-Mann Duin wurde per Handzeichen einstimmig bei vier Enthaltungen zum neuen RVR-Regionaldirektor bestellt. Am 2. April, seinem 56. Geburtstag, wird er die Nachfolge von Karola Geiß-Netthöfel antreten, die nach mehr als zwölf Jahren an der Spitze des Verbandes in den Ruhestand geht.
Die Verwaltungsfrau Geiß-Netthöfel kannte außerhalb des Ruhrgebiets kaum jemand, was der Wirkungsmacht des RVR an entscheidender Stelle in Düsseldorf mutmaßlich weniger dienlich war. Duin dagegen blickt auf eine lange Vita in politischen Spitzenämtern zurück. Der Jurist aus Leer war bereits Mitglied des Europaparlaments und des Bundestags, er führte die Niedersachsen-SPD als Landesvorsitzender und sprach für den einflussreichen konservativen „Seeheimer Kreis“ in der SPD.
Nach NRW holte ihn 2012 die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Duin war in der rot-grünen Landesregierung bis 2017 die undankbare Aufgabe des ordnungspolitischen Gewissens zugedacht, so dass er sich über Jahre mit dem durchsetzungsstarken grünen Umweltminister Johannes Remmel beharken musste. Nach der Abwahl wirkte Duin kurz als Personalchef einer Thyssen-Krupp-Tochter, ab 2019 dann als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln.
In Handwerkskreisen reagierten einige überrascht, als im vergangenen Jahr durchsickerte, dass Duin seinen gut dotierten Posten in der Domstadt verlassen will, um beim RVR anzuheuern. Es war zwar bekannt, dass er in Essen-Werden, dem Heimatort seiner Frau, inzwischen Wurzeln geschlagen hat. Außerdem bleiben politische Ämter für politische Menschen wohl lebenslang eine Versuchung.
Der RVR ist jedoch ein kompliziertes Gebilde im dichten Interessengeflecht aus Kommunen, Kreisen, Bezirksregierungen und Landesregierung. Er wolle daran arbeiten, „dass wir zu einer unkomplizierten Region werden“, sagte Duin direkt nach seiner Wahl am Freitag. Sein Motto: „Wir gestalten das Ruhrgebiet. Und nicht: Wir verwalten das Ruhrgebiet.“
Im vergangenen Jahr konnte erstmals unter den 53 Kommunen und vier Kreisen im RVR ein Regionalplan verabredet werden, der für die nächsten 20 Jahre festgelegt, welche Flächen im Ruhrgebiet für was genutzt werden sollen. Nach Jahrzehnten der sprichwörtlichen „Kirchturmpolitik“ galt das als großer Wurf.
Mit dem politisch beschlagenen, groß gewachsenen und eloquenten Duin verbindet sich offenbar die Hoffnung, auch über das Ruhrgebiet hinaus stärker gemeinsam zu wirken. Er wolle sich bei denjenigen bedanken, die auf den Gedanken gekommen seien, dass der Posten etwas für ihn sein könnte, sagte er. Denn: „Das war nicht ich, sondern man ist auf mich zugekommen und je länger ich darüber nachgedacht habe, desto begeisterter war ich von dieser Idee.“
Das Ruhrgebiet stellt zwar mit den Oberbürgermeistern Thomas Kufen (CDU, Essen) und Thomas Eiskirch (SPD, Bochum) inzwischen die Spitze des NRW-Städtetages und bringt als Fünf-Millionen-Ballungsraum ohnehin die mit Abstand größte Einwohnerzahl in NRW auf die Waage. Duin, der Kufen und Eiskirch aus der Landespolitik bestens kennt, soll wohl auch helfen, den Forderungen der Region in Düsseldorf endlich mehr Geltung zu verschaffen.
Bei der Lösung der kommunalen Altschulden etwa, die von der schwarz-grünen Landesregierung bis Ende 2023 fest versprochen war, tut sich nichts. Die zugesagte Reform der Schulfinanzierung lässt ebenso auf sich warten. Die Flüchtlingshilfe ist ohnehin unzureichend, die Kitas werden längst auf Verschleiß gefahren. Und 2025 droht den Kommunen auch noch ein Grundsteuer-Desaster.
Überall könnte der RVR, obwohl meist nicht originär zuständig, als regionale Klammer sichtbarer werden. Zudem gibt es große Visionen: „Ich stehe zu 100 Prozent zu der Überschrift, grünste Industrieregion werden zu wollen“, sagte Duin. Zu viel versprechen wollte er zum Start nicht, so viel aber dann doch: „Ich verspreche Ihnen meine Leidenschaft, ich verspreche Ihnen meine Freude an Entscheidungen, ich verspreche Ihnen aber auch meine Freude an Einbindung und Beteiligung.“