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Vorstoß von MacronFrankreich will Recht auf Abtreibung in Verfassung aufnehmen

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Präsident Macron

Demonstration für das Recht auf Abtreibung in Paris: Präsident Macron will es in der französischen Verfassung festschreiben lassen.

Frankreich als weltweiter Vorreiter: Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch könnte bald in Verfassung verankert sein.

Als erstes Land der Welt will Frankreich das Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufnehmen. Präsident Emmanuel Macron kündigte an, einen entsprechenden Vorschlag bis Ende Dezember in den Ministerrat einzubringen. Zu Beginn des nächsten Jahres könnte eine Abstimmung des Kongresses, also aller Abgeordneten der Nationalversammlung und des Senates, stattfinden. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit beider Parlamentskammern nötig. Bei einer Rede am internationalen Frauentag am 8. März hatte Macron sein Vorhaben bekannt gegeben. „Im Jahr 2024 wird die Freiheit der Frauen, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, unumkehrbar“, bekräftigte der französische Staatschef nun.

Der Plan geht ursprünglich auf die Linksaußen-Partei LFI zurück. Diese reagierte auf die Entscheidung des Obersten US-Gerichtes im Juni 2022, das landesweit geltende Recht auf Schwangerschaftsabbrüche in Amerika zu kippen. Obwohl die Abtreibungsgegner in Frankreich in der Minderheit seien, könne niemand die Zukunft vorhersagen, argumentierte die LFI-Fraktionschefin Mathilde Panot. „Die Geschichte wimmelt vor Beispielen grundlegender Freiheiten, die man für gesichert hielt und die dennoch mit einem Federstrich beendet wurden“, sagte Justizminister Éric Dupont-Moretti.

Politischer Coup des Präsidenten?

Vor einem Jahr stimmte die Nationalversammlung mit großer Mehrheit für den Entwurf. Ein Votum im Senat, den die konservativen Republikaner dominieren, fiel deutlich knapper aus. Es kam nur zustande, weil die Formulierung eines „Rechts“ auf einen Schwangerschaftsabbruch umgewandelt wurde in „Freiheit“. Den Begriff benutzte Macron auch jetzt.

Beobachter halten den Vorstoß für einen politischen Coup des Präsidenten, der zuletzt wenige Erfolge vorzuweisen hatte. Zweimal scheiterte er mit Versuchen von Verfassungsänderungen. Da er über keine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt, wird jedes Gesetz zur Zitterpartie.

Nun aber kann er auf Unterstützung nicht nur der Regierungspartei, sondern auch der Linken und Teile der Rechten setzen. Die Initiative sei nutzlos, kritisierte Marine Le Pen, Fraktionschefin des rechtsextremen Rassemblement National: „Keine einzige politische Bewegung stellt das Recht auf Abtreibung in Frage.“ Allerdings stimmten nur 38 der 89 Abgeordneten ihrer Fraktion für den Gesetzentwurf.

Die Präsidentin der französischen „Stiftung der Frauen“, Anne-Cécile Mailfert, lobte die Initiative für ihre „starke internationale Strahlkraft, die Frauenrechtlerinnen in der ganzen Welt brauchen“. Die genauen Modalitäten sind noch nicht bekannt. Aus dem Élysée-Palast hieß es, Macron wolle den Kongress noch über weitere Verfassungsänderungen abstimmen lassen.

In der Bundesrepublik gibt es kein explizites Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Dieser ist rechtswidrig, bleibt aber straffrei, wenn er innerhalb der ersten zwölf Wochen durchgeführt wird, die Schwangere mindestens drei Tage vorher an einem Gespräch an einer staatlich anerkannten Beratungsstelle teilgenommen hat oder eine kriminologische Indikation vorliegt.

In Frankreich hingegen gehört das Recht auf Abtreibung unter ähnlichen Bedingungen zu den Gesetzen, die seinerzeit hart erkämpft wurden, heute aber als große gesellschaftliche Errungenschaften gelten. Die Feministin und damalige Gesundheitsministerin Simone Veil hatte es 1975 durchgesetzt. Eine wichtige Rolle für einen Umschwung der öffentlichen Meinung spielte das 1971 im Magazin „Le Nouvel Observateur“ veröffentlichte „Manifest der 343“. Darin machten 343 teils berühmte Frauen, darunter die Philosophin Simone de Beauvoir, die Schauspielerin Catherine Deneuve und Schriftstellerinnen wie Marguerite Duras, öffentlich, abgetrieben zu haben. Kurz darauf veröffentlichte auch der „Stern“ in Deutschland eine ähnliche Kampagne mit 374 Frauen.