Manche Unternehmer beziehen Stellung für Demokratie und gegen die AfD. Doch ein Forscher warnt vor Einflussnahme.
Forscher warntWie politisch dürfen Manager eigentlich sein?
Der Rechtsruck treibt die deutsche Wirtschaft um. Im Mai haben sich 30 Firmen, darunter Siemens, die Deutsche Bank und BMW, zusammengetan und die Wirtschaftsallianz „Wir stehen für Werte“ gegründet. Sie treten damit öffentlich gegen Ausgrenzung, Extremismus und Populismus ein, die sie als Risiken für den Wirtschaftsstandort und den Wohlstand in Deutschland bezeichnen.
Das will die Initiative „WirSindPartei“
Doch nicht nur Unternehmen beziehen auf diese Weise Stellung. Auch eine Gruppe von Top-Managern wählt für ihr demokratisches Bekenntnis den Weg an die Öffentlichkeit: Anna Herrhausen, Ex-Top-Managerin der Deutschen Bank und Vorstandsmitglied des Beratungshauses Phineo, hat dafür die Initiative „WirSindPartei“ gegründet: „Die Demokratie, die wir als Deutsche schon einmal verloren haben, verliert an Zuspruch, und das Völkische gewinnt dazu. Gesichert rechtsextreme Gruppen erstarken“, heißt es in dem Manifest der Initiative. Der ehrbare Kaufmann? Herrhausen will Unternehmenslenker so vom parteipolitischen Engagement überzeugen, denn Demonstrationen allein würden nicht genügen. „Demokratische Parteien haben eine Schlüsselrolle inne“, so Herrhausen auf Nachfrage. Deswegen hat sie gemeinsam mit zahlreichen anderen Managern wie der Aufsichtsrätin Simone Menne oder dem Unternehmensberater Fabian Kienbaum ihren Parteieintritt öffentlich gemacht. Das solle andere dazu motivieren, sich in Parteien zu engagieren.
Das mögliche Parteienspektrum, für das die Initiative wirbt, reicht von CDU, SPD, Grünen, FDP und Volt bis zur Linken, der ödp, den Freien Wählern, der Mensch-Umwelt-Tierschutz-Partei und den Piraten. Die AfD bleibt außen vor. „Manager haben eine Vorbildfunktion in ihren Unternehmen und in der Gesellschaft“, erklärt Herrhausen ihre Beweggründe. „Dadurch, dass sie vorangehen, können sie anderen den Schritt in die Parteien leichter machen.“
Forscher warnt vor „Eliten-Diskurs“
Allerdings könnten sie damit womöglich lediglich andere Manager erreichen. Markus Scholz forscht an der TU Dresden zur politischen Verantwortung von Unternehmen und warnt davor, dass die Debatte in einen „Eliten-Diskurs“ abrutscht: „Man darf nicht den Eindruck erwecken, dass nur eine Elite sagen kann, was gut und richtig ist. Das würde eine Abwehrreaktion erzeugen“, befürchtet er.
Nichtsdestotrotz sei es gut, wenn sich Manager positionieren und erklären, dass sie Mitglied einer Partei sind. „Toll an der Initiative ist, dass die Teilnehmer offen zeigen, für welche Parteien sie eintreten und dass sie, die AfD ausgenommen, das gesamte Parteienspektrum der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abdecken“, so Wissenschaftler Scholz. Führende Personen aus der Wirtschaft stehen seiner Ansicht nach durchaus in der Verantwortung, die offene Gesellschaft zu schützen.
Georg Wernicke, der sich an der renommierten Pariser Wirtschaftshochschule „École des hautes études commerciales“ mit der sozialen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt, sieht das ähnlich: „In Deutschland gilt das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns. Demnach tragen Unternehmer auch eine soziale Verantwortung zugunsten der Gesellschaft.“ Bürger erwarteten sogar, dass Unternehmen positiv zu einer Gesellschaft beitragen. Dazu gehöre auch, dass sie sich positionieren, wenn der soziale Frieden gestört wird.
Einfluss in der Politik auch durch Lobbyarbeit
Wernicke wendet allerdings ein, dass viele Unternehmen ohnehin großen Einfluss auf die Politik haben, auch durch Lobbyarbeit. Das macht ein Engagement von Managern zur Gratwanderung. Aber: „Sie können dafür werben, dass Menschen wählen gehen, dass sie sich grundsätzlich politisch engagieren oder einer Partei des demokratischen Spektrums beitreten. Also genau das, was die Initiative WirSindPartei macht“, so Wernicke. Für ihn steht die Initiative damit in der Tradition des ehrbaren Kaufmanns.
Der Schutz der Demokratie ist allerdings nicht der alleinige Grund für die demokratischen Bemühungen der Unternehmen und Manager. Laut Scholz raten Personal- und Kommunikationsabteilungen auch zur öffentlichen Positionierung. Gerade größere, international tätige Unternehmen müssten Haltung zeigen. So wie der sächsische Uhrenhersteller Nomos Glashütte, der schon länger öffentlich für demokratische Werte eintritt.
„Das Unternehmen kann es sich nicht leisten, dass ihre weltweit beliebten Uhren ein Nazi- oder Stasi-Image haben.“ Andernfalls könnten dringend benötigte qualifizierten Fachkräfte aus dem Ausland fernbleiben. Sie seien „verständlicherweise keine Fans von Rechtsextremisten und auch jene aus dem Inland sind es selten“.
Gegen die AfD? Kunden verlieren will keiner
Das mag bei großen, globalen Unternehmen zutreffen, was aber ist mit jenen kleinen und mittelständischen Unternehmen, gerade in Gegenden mit einem hohen AfD-Wähleranteil? In Sachsen tun sie sich, so Scholz, mit einer öffentlichen Positionierung für die Demokratie schwer. „Sie sind häufig von regionalen Aufträgen abhängig und können es sich nicht leisten, Kunden zu verlieren. Diese Unternehmen engagieren sich weniger stark, sie bleiben sehr still und vermitteln nach außen, dass sie neutral sind.“ Folge fürs Betriebsklima Zumal: Wenn Manager oder Unternehmer Farbe bekennen, was ist dann mit Angestellten, die anderer Meinung sind? Und was macht das mit dem Betriebsklima? „Die große Gefahr ist, dass man die Politik ins Unternehmen bringt und möglicherweise auch die Polarisierung. Das könnte dazu führen, dass Angestellte nicht mehr gut zusammen arbeiten können“, warnt Wernicke.
Die Initiatorin von „WirSindPartei“ teilt diese Sorgen nicht: „Angestellte, Bewerber und Führungskräfte können unterscheiden zwischen ihren beruflichen Aufgaben im Unternehmen und ihrem ehrenamtlichen Engagement in einer Partei“, sagt Herrhausen. Dass das öffentliche Bekenntnis einer Führungskraft zu einer Partei abschreckend wirken könnte, glaubt sie nicht. Vielmehr werte die Belegschaft es als positives Signal, weil das zeige, dass sich jemand über die Aufgaben im Unternehmen hinaus in der Gesellschaft einbringe.
Auf die AfD schimpfen erzeugt nur Aufmerksamkeit
Das sieht Forscher Wernicke anders: Manager würden oft als Gegner angesehen, eben als Elite. Er bezweifle, dass Bürger sich durch die Initiative stärker politisch engagieren oder dass sich gar AfD-Wähler umstimmen lassen. „Es nicht klug, immer auf die AfD zu schimpfen und ihr noch mehr Aufmerksamkeit zu geben.“
Unabhängig davon hätten Gruppen oft weniger Reichweiten-Erfolg als bekannte Einzelpersonen, die sich äußern. Die weltweiten Reaktionen auf die Äußerungen des Ex-Siemens-Vorstands Joe Kaeser, der den damaligen US-Präsidenten Donald Trump als Rassisten bezeichnet hatte, haben das eindrücklich gezeigt.
Auch Forscher Scholz ist sich nicht sicher, ob die Kampagne von Herrhausen die beabsichtigte Wirkung erzielen wird. „Weil es neben dem natürlich wichtigen individuellen Engagement in Parteien noch anderer Arten des Engagements bedarf, um die offene Gesellschaft zu sichern.“ Man könne durchaus erwarten, dass sich Bürger von sich aus politisch engagieren. Scholz beruft sich auf den Soziologen Ralf Dahrendorf: „Bürger müssen den Mund aufmachen und sich äußern im Bewusstsein des großen Privilegs, in einer Demokratie zu leben.“ Ohne wehrhafte Demokraten sei eine Demokratie nicht zu machen.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Nicht jeder hat die Zeit, neben Job, Familie und Care-Arbeit, auch noch politisch zu partizipieren. Deswegen schlägt Initiatorin Herrhausen vor, dass Unternehmen einen Raum schaffen, damit sich Angestellte mit gesellschaftspolitischen Themen beschäftigen können. „Indem sie etwa Veranstaltungen für die Mitarbeiter anbieten wie Vorträge und Gesprächsrunden mit Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft.“
Wissenschaftler Scholz zufolge könne demokratisches Handeln im Unternehmen selbst gefördert werden, und zwar durch betriebliche Mitbestimmung. Einige Unternehmen experimentierten zudem mit „Demokratie-Zeit“: Dafür räumen sie ihren Mitarbeitern Zeit für entsprechende Projekte ein. „Ich halte beides für wichtige Investitionen“, sagt Scholz.