„Spitzen Bleistift in den Unterarm gestochen“: Solche Erfahrungen musste eine Lehrerin aus Essen machen. Das ist kein Einzelfall, wie eine Befragung nun deutlich macht.
Förderschulen in NRWLehrkräfte fordern mehr Schutz vor wütenden Schulkindern
Gewalt an Schulen ist schon seit Jahren ein Thema in NRW, aber bisher hat niemand den Blick auf die Förderschulen im Land gerichtet. Das hat sich jetzt geändert. Die Gewerkschaft GEW hat erstmals Beschäftigte an Förderschulen nach Gewalterfahrungen im Dienst gefragt und rund 3000 Rückmeldungen bekommen.
Beate Damm ist mit 31 Jahren im Schuldienst eine erfahrene Förderschullehrerin und außerdem Personalrätin für Lehrkräfte an Förder- und Klinikschulen. Die Essenerin sagt, dass sie fast alle Formen von Gewalt, die in der Umfrage genannt werden, schon erlebt habe.
„Ich werde häufig angeschrien, geschlagen, jemand tritt vor mein Knie oder Schienbein. Mir ist auch schon ein spitzer Bleistift in den Unterarm gestochen worden“, sagte sie dieser Redaktion. Lehrkräfte würden auch mit Gegenständen wie Stühlen beworfen. An Förderschulen für emotionale und soziale Entwicklung und für geistige Entwicklung sei Gewalt häufiger als in anderen Förderschwerpunkten.
Getreten, gebissen und geschlagen
„Lehrkräfte, die dies lange erleben, leiden oft unter psychischen Beschwerden“, warnt Damm. „Wir in der GEW werden häufig von Förderschul-Beschäftigten angesprochen, die ratlos sind wegen der vielen Übergriffe im Schulalltag. Sie fragen, ob sie es ertragen müssen, getreten, gebissen und geschlagen zu werden.“
Gewalt an Förderschulen ist zwar kein Tabuthema, aber eines, das mit Sorgfalt aufgegriffen werden müsse, betont die GEW. Die Übergriffe hätten vielfältige Ursachen und seien zum Teil durch die Handicaps der Kinder bedingt, zum Beispiel durch eine geistige Behinderung. Dennoch dürfe es nicht heißen, Beschäftigte an Förderschulen müssten Gewalt ertragen.
Am Ende sei das Land verantwortlich für den Gesundheitsschutz seiner Lehrkräfte. Die Schulleitungen verwalteten oft nur den Personalmangel und hätten Mühe, die Lehrkräfte zu schützen. „Es gibt an Förderschulen nicht einmal feste Stellen für Schulsozialarbeit. Wenn eine Schule eine Fachkraft für Schulsozialarbeit einstellen möchte, dann muss sie auf eine Lehrkräftestelle verzichten“, sagt Beate Damm.
Laut GEW-Landeschefin Ayla Celik zeichnet sich ein „erster Erfolg“ ab: Auf den speziellen Schulbereich zugeschnittene Deeskalations- und Sicherheitstrainings sollen den Beschäftigten baldmöglichst kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Gewerkschaft begrüßt dies, fordert aber weitere Maßnahmen wie ein vereinfachtes Meldeverfahren bei Gewalt gegen Beschäftigte, einen Schutzplan für Betroffene sowie die Pflicht, nach Gewalttaten eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.
Eine andere Gewerkschaft, der Verband Bildung und Erziehung (VBE), hat in der Vergangenheit mehrfach mit Umfragen zu Gewalt an Schulen Aufsehen erregt. Er hat Schulleitungen nach ihren Erfahrungen gefragt. Auch der VBE appelliert an die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.