Die Mitglieder der Liberalen haben knapp für den Verbleib in der Regierungskoalition gestimmt. Das könnte in Berlin nun zu mehr Sacharbeit und weniger Dauerknatsch führen – muss es aber nicht. In NRW zieht die Parteispitze bereits ihre eigenen Schlüsse.
FDP-Basis ist für VerbleibWas heißt das für die Ampel-Regierung?
Wird das neue Jahr für die Ampel noch schwieriger als das alte? Immerhin kann die FDP-Führung nun beziffern, wie unbeliebt das Bündnis an der eigenen Basis ist. Dass 48 Prozent der Mitglieder für den Koalitionsbruch stimmten, hat Folgen. Parteichef Christian Lindner will der Bundesregierung nun mehr „liberales Profil“ verpassen.
Dass Christian Lindner diesen Redeauftritt vor seiner Parteibasis fürchtet, darf getrost bezweifelt werden. Der Bundesfinanzminister ist am 14. Januar als Hauptattraktion beim traditionellen Neujahrsempfang der NRW-FDP eingeplant. Es handelt sich dabei um eine Veranstaltung, die unabhängig von liberalen Krisenzyklen seit Jahren verlässlich über 1000 Gäste in ein nobles Düsseldorfer Flughafenhotel lockt.
Man vergisst es ja bisweilen bei all dem aktuellen Wehklagen über Ampel, Rezession und Weltlage: Lindner musste hier schon in für die FDP deutlich tristeren Jahren Motivationsansprachen halten, die einen fußlahmen Parteiapparat für den Gang übers Glasscherbenbett begeistern sollten. Westerwelles Demission, die Brüderle-Affäre, die Mövenpick-Steuer, der Rauswurf aus dem Bundestag – der Begleitsound Düsseldorfer Neujahrsempfänge war häufiger unerfreulich. Diesmal kommt Lindner immerhin als wichtigstes Mitglied der Bundesregierung nach dem Kanzler, mit Umfragewerten knapp über der Fünf-Prozent-Todeslinie – und mit einem frischen, wenn auch knappen Mitgliedervotum für den Verbleib in der schwierigen Ampel-Koalition.
Ergebnis mit begrenzter Aussagekraft
Die Initiative dazu folgte auf einen offenen Brief von 26 Landes- und Kommunalpolitikern der Liberalen. Die Rebellen hatten nach den schlechten Wahlergebnissen in Hessen und Bayern gefordert, die Parteiführung müsse die Regierungsbeteiligung prüfen. Der Bundesvorstand musste die zweiwöchige Online-Befragung starten, nachdem 598 Mitglieder satzungsgemäß einen Antrag gestellt hatten. Das Ergebnis wäre aber für Lindner so oder so nicht bindend gewesen.
Bis zum Neujahrstag nahmen zwar nur gut 26000 von insgesamt 72000 FDP-Mitgliedern teil, und das Votum kann mit 52 zu 48 Prozent kaum als kraftvolles „Weiter so“ gelesen werden. Aber gemessen am öffentlichen Trommelwirbel und der Verlockung, Basisfrust einfach mal per Mausklick abzulassen, ist das Stimmungsbild für den Verbleib im Kabinett mit den schwierigen rot-grünen Partnern für Lindner auch nicht nichts.
Welchen Reim aber macht sich die NRW-FDP als mit Abstand wichtigster Landesverband knapp zwei Jahre vor der regulären nächsten Bundestagswahl auf die Gesamtlage der Partei? Als Misstrauensvotum gegen die Führung in Berlin sieht FDP-Landeschef Henning Höne die ja von explizit Unzufriedenen erzwungene Online-Abstimmung jedenfalls nicht: „Wie haben gemäß unserer Satzung eine Mitgliederbefragung durchgeführt. Debatte und Abstimmung gehören zur Demokratie dazu. Die Partei ist deshalb nicht gespalten“, findet er.
Strategiewechsel als Konsequenz?
Unklar bleibt in Düsseldorf allerdings, ob die Liberalen nun etwas an ihrer strategischen Aufstellung ändern sollten. Ausweislich der Umfragen zahlt es sich nicht aus, die FDP in der Ampel „sichtbar“ zu machen, weil die Bürger keinen Streit mögen und Oppositionsgehabe in der Regierung selten goutiert wird. Zumal man in NRW vortrefflich beobachten kann, wie erfolgreich dagegen Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) eine überschaubare Leistungsbilanz hinter dem Eindruck professioneller Freundlichkeit und schwarz-grüner Geräuschlosigkeit verbirgt.
„Die Arbeit in einer Koalition ist immer ein Spagat: Wir wurden gewählt, um für unsere Inhalte zu kämpfen. Gleichzeitig tragen wir Verantwortung für eine stabile Regierung“, analysiert NRW-Chef Höne. Er empfehle seiner Partei in Berlin deshalb weder pauschal mehr Streit noch mehr Ruhe. „Ich empfehle uns: Klar und hart in der Sache, verbindlich und verantwortungsvoll im Stil.“
Klar scheint den meisten Liberalen an Rhein und Ruhr zumindest zu sein, dass Deutschlands miese Wirtschaftsdaten zuallererst ihnen auf die Füße fallen, da sie mit Freiheit zur unternehmerischen Entfaltung verbunden werden. „Wir müssen darum weiterhin jeden Spielraum für Entlastungen und Investitionsanreize nutzen, Bürokratie und Regulierung konsequent abbauen und Anreize für mehr Leistung setzen“, glaubt Höne.
CO2- Preis als Knackpunkt
Zur Nagelprobe dürfte der im Zuge der Haushaltskrise vereinbarte schnellere Anstieg des CO2-Preises werden, der Tanken und Heizen nun teurer macht. Mit der Anhebung des CO2- Preises zum 1. Januar auf 45 Euro pro Tonne ist die Ampel auf das zurückgegangen, was die Große Koalition bereits beschlossen hatte. Allerdings in einem ganz anderen weltwirtschaftlichen Umfeld. Eigentlich sollte der CO2-Preis, mit dem fossile Energien aus ökologischen Gründen verteuert werden, zum Jahreswechsel nur auf 40 Euro je Tonne steigen.
Wann kommt das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld zur Abfederung? „In der jetzigen wirtschaftlichen Situation sollten zusätzliche Belastungen vermieden werden. Insofern ist eine höhere CO2-Bepreisung ohne Kompensation durch das Klimageld ein Risiko“, sagt Höne. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sei gefordert, hier Konzepte vorzulegen. „Geschieht das nicht, müssen auch die Belastungen verschoben werden.“ Klingt nicht so, als machte die FDP künftig in Berlin auf Koalitionsharmonie.
FDP will ihre Positionen stärker durchsetzen
Nach dem knappen Votum der FDP-Mitglieder für einen Verbleib in der Ampel wollen die Liberalen in der Koalition mit SPD und Grünen ihre Handschrift sichtbarer werden lassen. Die FDP müsse „in der Koalition besser und durchsetzungsstärker werden“, forderte der Vize-Parteivorsitzende Wolfgang Kubicki im Deutschlandfunk. Er appellierte an die Koalitionspartner, das Land reformfähig zu machen. Dies richte sich insbesondere an die Grünen, die eine Reihe gemeinsamer Vorhaben gestoppt und torpediert hätten. Ein Aufweichen der Schuldenbremse, Steuererhöhungen und ein Tempolimit seien mit der FDP nicht zu machen. Diese Punkte seien im Koalitionsvertrag vereinbart, sagte Kubicki. „Wer den Koalitionsvertrag nicht mehr zur Grundlage gemeinsamer Politik machen will, der löst diese Koalition auf. Das muss allen klar sein.“
Vize-Fraktionschef Konstantin Kuhle sagte, die FDP müsse mit Beharrlichkeit für Inhalte eintreten, die aus ihrer Sicht richtig seien. „Dazu gehört im neuen Jahr neben einer soliden Haushalts- und Finanzpolitik auch die Reform der sozialen Sicherungssysteme, etwa durch die im Koalitionsvertrag vorgesehene Aktienrente.“ Das Ergebnis zwinge die Partei weiter zu konzentrierter Sacharbeit in der Koalition. Kuhle gestand aber auch ein, dass sich viele FDP-Mitglieder unwohl fühlten mit der Politik der Regierung. Für dieses Stimmungsbild solle man Respekt haben.
FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann wertete das Befragungsergebnis als Ansporn. „Das Ergebnis zeigt uns, dass die Mitglieder der Auffassung sind, dass wir noch mehr freidemokratische Politik um- und durchsetzen sollten“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Die Mehrheit finde, „dass wir weiter in der Regierung unserer Verantwortung nachkommen sollen“. (dpa/afp)