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Fall Gypsy Rose BlanchardWie aus einer Mörderin ein Medienphänomen wurde

Lesezeit 3 Minuten
Star und Täterin: Gypsy Rose Blanchard.

Star und Täterin: Gypsy Rose Blanchard.

Im Zuge der Ermittlungen um den Todesfall Dee Dee Blanchard offenbarte sich ein dunkles Geheimnis - und machte die Tochter der Verstorbenen zur Sympathieträgerin.

Louisiana Wohl selten ist einer verurteilten Mörderin so viel Sympathie entgegengeschlagen. Die 32-jährige Gypsy Rose Blanchard, die für die Anstiftung zum Mord an ihrer Mutter acht Jahre im Gefängnis saß, wird in den USA gerade zum Star. Viele ihrer Fans und auch einige Medien begegnen Blanchard allerdings äußerst unkritisch.

Um die Aufregung um die Amerikanerin zu verstehen, muss man zurück ins Jahr 2015 gehen. Im Juni dieses Jahres wurde die Mutter der damals 24 Jahre alten Gypsy Rose Blanchard, Dee Dee Blanchard, ermordet. Im Zuge der Ermittlungen offenbarte sich ein dunkles Geheimnis. Jahrelang hatte Dee Dee Blanchard ihre Tochter der Welt als schwer krank präsentiert.

Mutter hielt die Tochter künstlich krank

Sie saß wegen einer Muskelschwäche im Rollstuhl, obwohl sie gesund war. Gypsy Rose wurden die Haare abrasiert, um ihre angebliche Leukämie-Erkrankung glaubhaft zu machen. Sie wurde mittels Medikamenten künstlich krank gehalten, sodass ihr die Zähne ausfielen. Ihre Mutter zwang sie, sich über eine Sonde ernähren zu lassen und Sauerstoffflaschen zu nutzen, wie etwa der Spiegel berichtete.

Vor Gericht offenbarte die junge Frau eine tragische Geschichte.

Vor Gericht offenbarte die junge Frau eine tragische Geschichte.

In ihrem Eifer brachte Dee Dee Blanchard Ärzte dazu, Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln. Auch wenn die Mutter nie untersucht wurde, sind sich Experten einig, dass sie am sogenannten Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom gelitten haben muss. Bei dieser seltenen psychischen Erkrankung machen Eltern ihre Kinder absichtlich krank. Mutmaßlich wollen sie so Aufmerksamkeit oder Anerkennung finden. Im Fall von Gypsy Rose Blanchard spendeten bekannte Wohltätigkeitsorganisationen wie das Ronald McDonald House Geld an das vermeintlich schwer kranke Kind. Das Mädchen soll selbst nicht gewusst haben, ob es an Leukämie erkrankt war oder nicht. Allerdings war ihr durchaus bewusst, dass sie selbstständig laufen und sich ernähren konnte.

Gypsy Rose Blanchard vor Gericht

Gypsy Rose Blanchard vor Gericht

Als Gypsy Rose Blanchard älter wurde, widersetzte sie sich eigenen Aussagen zufolge häufiger ihrer Mutter. Diese reagierte darauf mit Beschimpfungen und Schlägen. 2013 lernte die zu diesem Zeitpunkt 22-jährige Blanchard über eine Dating-Plattform den 26-jährigen Nicholas Godejohn kennen, der ihr erster Freund wurde. Ihm gegenüber offenbarte sie zum ersten Mal, dass ihre Krankengeschichte eine Lüge war. Und ihn stiftete sie 2015 an, ihre Mutter zu töten. Erst jetzt wurden der Betrug und Missbrauch öffentlich bekannt.

Blanchard und ihr Freund wurden wegen Mordes festgenommen. Blanchard einigte sich 2016 mit der Staatsanwaltschaft auf einen Deal, bekannte sich für Mord zweiten Grades schuldig, und wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die jahrelange Misshandlung durch ihre Mutter wirkte sich strafmildernd aus. Godejohn wurde 2019 zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt.

Reflektierte Täterin

Der Fall wird im Zuge des True-Crime-Hypes immer wieder aufgegriffen: 2017 erscheint der Film „Mommy Dead and Dearest“, 2019 die Serie „The Act“ und erst am 5. Januar 2024 die Doku-Serie „The Prison Confessions of Gypsy Rose Blanchard“, für die Blanchard im Gefängnis interviewt wurde. Ende des vergangenen Jahres richtete Blanchard Konten bei Instagram und Tiktok ein, wo ihr aktuell über acht beziehungsweise neun Millionen Menschen folgen. Sie bezeichnet sich dort als „Öffentliche Person, Rednerin und Autorin“. Was bei der Betrachtung ihrer Auftritte auffällt, ist eine recht einseitige Sicht mancher Fans und Journalisten auf den Fall. In dieser Wahrnehmung ist Blanchard das klare Opfer, das sich aus einer Notlage befreit hat. Dabei wird ausgeblendet, dass sie ihre Mutter umbringen ließ und als verurteilte Mörderin auch Täterin ist.

Blanchard selbst betrachtet ihre Tat durchaus reflektiert. Sie erklärte, dass der Mord falsch war und sie es bereue, sich nicht an ihren Vater gewandt zu haben. „Es gibt immer einen anderen Weg. Man kann alles tun, aber man sollte nicht diesen Weg einschlagen“, wird sie zitiert. Gleichzeitig erklärte sie, dass sie bei einer weiteren Verfilmung gerne von der Schauspielerin Millie Bobby Brown dargestellt werden möchte.