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Exklusiv im Wallraf-Richartz-MuseumAusstellung „1863·Paris·1874: Revolution in der Kunst – Vom Salon zum Impressionismus“ in Köln zu sehen

Lesezeit 5 Minuten
Auf dem Gemälde stehen Boote an einem Strand und Segelboote fahren über das Wasser. Mehrere Personen stehen zusammen.

Claude Monets „Der Strand von Sainte-Adresse“.

Dem Wallraf ist hier Großartiges geglückt: eine Präsentation, die man als puren Augenschmaus genießen kann.

Was hat Monsieur Monet bloß falsch gemacht? Mit gut zwei Metern Breite und 2,55 Metern Höhe zielt sein Ölgemälde „Frauen im Garten“ durchaus auf die Monumentalformate, die der Pariser Salon (siehe Info) so gern präsentierte. Zudem sind die ausladenden Kleider der Damen in Faltenfall und Muster höchst akribisch erfasst.

Also gut, im Hintergrund des Blattwerks kann man jenes verräterische Flirren entdecken, den hauchzarten Kokon des Lichts, in dem sich Konturen auflösen. Und das bukolisch-heitere Motiv – fürs akademische Dogma eher bildunwürdig, da man doch mythologische Szenen oder heroische Landschaften bevorzugte. Kurz, das Freiluftwerk wurde von der Jury abgelehnt und reiht sich in das Pantheon der „Refusés“ ein.

Die sensationelle Leihgabe des Musée d'Orsay dominiert den Mittelsaal des Wallraf. Und dort wird jener Bilderstreit inszeniert, der am 15. April 1874 zur Geburtsstunde des Impressionismus führte. Deren 150. Jahrestag würdigt das Pariser Museum mit einem spektakulären Rückblick, doch die Kölner Kollegen erzählen, exklusiv für Deutschland, mit 81 handverlesenen Exponaten nobelster Leihgeber womöglich die spannendere Geschichte.

Keine „unbefleckte Empfängnis“

Direktor Marcus Dekiert reizt die Erkenntnis, „wie sehr die Stile der Zeit ineinander verschränkt sind“, und Kuratorin Barbara Schaefer will jenen Nährboden durchleuchten, in dem die rebellische Saat dann 1874 aufging. Wobei sich die Geburt des Impressionismus eben nicht einer „unbefleckten Empfängnis“ verdanke.

Zurück zum Mittelsaal, in dem der Besucher als Juror herausgefordert ist. Warum wurden die „Frauen im Garten“ zurückgewiesen, aber nicht Alfred Sisleys flüchtiger gemalte „Edelkastanienallee“? Und warum bitte fand Gustave-Henri Colins farbsatter Realismus beim „Pelota-Spiel unterhalb der Stadtmauer von Hondarribia“ keine Gnade?

Bei Paul Cézannes Porträt von Antony Valabrégue (aus der National Gallery Washington) wirkt das Jury-Verdikt verständlicher: Die wie rohe Fleischbrocken gemalten Hände und die grob aufgespachtelten Farben spiegeln das kreative Ungestüm. Dabei sollte seinerzeit doch der Malvorgang hinter makelloser Bildoberfläche vergessen gemacht werden.

Dennoch widerspricht die Kölner Schau dem Klischee, dass die Salonjury mit traditionsverklebten Augen jede Avantgarde blockiert habe. Gewiss, die gezeigten Cinemascope-Akte wie Cabanels „Geburt der Venus“ oder Baudrys „Die Perle und die Welle“ bedienten den Zeitgeschmack.

Doch auch zwei ausdrucksstarke Provokationen hingen im Salon: Das Getty Museum leiht nun Jean-François Millets „Mann mit der Hacke“ aus. Man erblickt einen völlig erschöpften Bauern mit trostlos leerem Blick, offenem Mund und rissigen Lippen, ein Sisyphos, der vergebens auf Erlösung von der Plackerei wartet.

Präsentation, die man als puren Augenschmaus genießen kann

Das Gemälde wurde kontrovers diskutiert, ebenso wie „Der tote Torero“ von Édouard Manet. Die großformatige Stierkampfszene mit ungewöhnlicher Raumtiefe missfiel den Kritikern, woraufhin der Künstler die Leinwand zerschnitt. Nun ist keine Arena, kein Stier mehr zu sehen, nur der elegant, beinahe unblutig gestorbene Torero – ein Memento mori von tragisch-erschütternder Schönheit, das allein den Besuch lohnt.

Dieses Meisterwerk ist klug in jenem schmalen Kabinett platziert, das sich den Gräueln des Deutsch-Französischen Kriegs und der Pariser Kommune widmet: Manets Lithografie „Bürgerkrieg“ lässt über den Leichen noch Pulverdampf ahnen, während Narcisse Chaillous „Rattenverkäufer während der Belagerung von Paris“ drastisch an den Hungerwinter von 1871 erinnert.

Allerdings lag den Impressionisten, so Barbara Schaefer, Sozial- und Zeitkritik weniger am Herzen „als die Wiedergabe atmosphärischer Stimmungen“. Also all das, was konservative Zeitgenossen als „Kriegserklärung an das Schöne“ sahen, oder als „Skizzen, die man uns zu vollendeten Werken erklärt“.

Diesen puren Impressionismus spiegelt die ebenso rhythmisch wie sinnfällig gehängte Schau natürlich auch in wunderbaren Beispielen aus den sieben unabhängigen Ausstellungen nach 1874. Die Spontaneität des Malens vor dem Objekt merkt man Camille Pissarros laubflimmernder „Rast unter Bäumen von Pontoise“ ebenso an wie Gauguins magisch leuchtender Kirche bei Nacht oder Berthe Morisots „Hafen von Nizza“ mit den buntscheckigen Lichtreflexen im Wasser.

Großartiges geglückt

Wie unterschiedlich aber allein die Malweise eines Genies sein kann, zeigt sich bei Claude Monet: Schwerelos pastellhaft hingetupft wirkt seine „Sommer“-Szenerie, fast erdrückend kompakt hingegen „Die grüne Welle“.

Übrigens: Nur Pissarro nahm an allen acht Impressionisten-Ausstellungen teil, Manet hingegen – obwohl Leitstern der Avantgarde – an keiner. Er setzte stets auf die Anerkennung des Salons…

Dem Wallraf ist hier Großartiges geglückt: eine Präsentation, die man als puren Augenschmaus genießen kann, intensiver aber als präzisen Querschnitt durch die Konfliktlinien und ästhetischen Verflechtungen einer aufregenden Kunstepoche.

Vom 15. März bis 28. Juli, Di bis So 10–18 Uhr, jeden 1. u. 3. Do 10–22 Uhr. Obenmarspforten.

Katalog bei Wienand (288 S.), im Museumsshop 32, im Buchhandel 38 Euro.

www.wallraf.museum


Entscheidende Daten

Schon 1796 wurde der an die Pariser Akademie der Schönen Künste angedockte Salon zur jährlichen Ausstellung. Er war Publikumsmagnet und wichtiger Faktor von Karrieren. Die Akademie stellte auch die Jury, die von politischer Beeinflussung nicht frei war. Dies führte zu wachsendem Protest der abgelehnten Künstlerinnen und Künstler.

1863 verfügte Napoleon III., diesem Zorn ein Ventil zu geben und den „Salon des Refusés“ abzuhalten. Der blieb jedoch einmalig und gab indirekt den Anstoß zu den in Eigenregie veranstalteten Konkurrenzveranstaltungen zum Salon.

Am 15. April 1874 fand am Pariser Boulevard die erste Schau der später als Impressionisten bekannten Maler statt. Von den 30 Teilnehmern sind zwar rund zwei Drittel in Vergessenheit geraten, doch bis 1886 folgten sieben weitere Ausgaben. (Wi.)