Bei Swift bewegt sich alles in Superlativen. Als Sängerin löste sie sogar Elvis Presley in der Dichte der Charterfolge ab, und ihre aktuelle Stadiontour ist die weltweit größte überhaupt.
„Eras Tour“Taylor Swift versetzt Gelsenkirchen in einen Ausnahmezustand
„Schön, Euch zu sehen“, ruft Taylor Swift auf Deutsch in die kreischende Menge. Der Ruhrpott bebt beim lange erwarteten Top Event des Sommers. In der Gelsenkirchener VELTINS-Arena gibt der US-Megastar das erste von sieben Deutschlandkonzerten ihrer „The Eras Tour“. Allein drei davon finden „Auf Schalke“ statt. Für das augenzwinkernd in „Swiftkirchen“ umbenannte Gelsenkirchen ein ordentlicher Wirtschafts-Push. Mit vielen Aktionen umgarnt die Stadt die „Swifties“, wie sich die meist jungen und weiblichen Fans der 34-jährigen Sängerin nennen. Manche haben mehrere Hundert Euro für ihr Ticket gezahlt und sind weit angereist. Oft kleiden sie sich so glitzernd wie ihr Idol oder setzen sich rosa Cowboyhüte auf.
Bei Swift bewegt sich alles in Superlativen. Als Sängerin löste sie sogar Elvis Presley in der Dichte der Charterfolge ab, und ihre aktuelle Stadiontour ist die weltweit größte überhaupt. Allein die Bühne der VELTINS-Arena ist ein starker Anblick. Von der Hauptbühne mit Riesen-Bildschirm führt ein erleuchteter Laufsteg zu zwei kleineren Bühnen. Die Stimmung der etwa 57.000 ins Stadion gekommenen „Swifties“ ist von Anfang an enthusiastisch. Auf ihre Fans kann Swift bauen. Sie sind eine eingeschworene Gemeinschaft und tragen sie von Erfolg zu Erfolg.
Ihre Show startet sie mit einem politischen Song. In „Miss Americana & The Heartbreak Prince“ vom Album „Lover“ (2019) prangert sie das vergiftete Klima in den USA an. Doch die Nummer wird nur kurz angespielt, sodass erst das folgende „Cruel Summer“ richtig zündet. Auf ihrer sechsten Welttour singt sich Swift erstmals durch alle elf Alben ihrer Karriere – 45 Songs feuert sie in fast dreieinhalb Stunden ab. Auch das ein Superlativ.
Swift erzählt gerne ganze Geschichten
Der Titel „Eras“ meint dabei nichts anderes als die Ären ihrer Laufbahn. Um diese auch optisch voneinander zu unterscheiden, gleitet sie nach jedem Album-Set per Aufzug unter die Bühne und kommt neugekleidet woanders wieder heraus: Dabei trägt sie knappe, vampartige, lässige oder glamouröse Outfits. Mal hängt sie sich eine farbige Gitarre um, mal hält sie ein Glitzer-Mikro in der Hand. Eine aufwendige Licht- und Pyrotechnik samt im Publikum verteilten Leuchtarmbändern taucht jedes Set in eine neue Atmosphäre. Bewegliche Bühnenelemente wachsen aus dem Boden und lassen Bilderwelten entstehen, so ein mehrstöckiges Bürogebäude bei „The Man“ und einen riesigen Märchenwald bei „Cardigan“. Swift erzählt gerne ganze Geschichten.
Dass Swifts Anfänge in der Country-Musik liegen, hört man nur ihren frühen Alben an. Der bald gesungene Song „Love Story“ von ihrer zweiten Platte „Fearless“ (2008) gehört dazu, auch wenn er zugleich in Richtung Pop driftet. Danach wurde ihr Stil elektronischer und dancetauglicher, auch Hip-Hop und R&B-Elemente frischten ihn auf. Mit hartem Synth-Intro startet etwa „…Ready For It?“. Nun sind auch die 14 Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne gefordert. Eine sechsköpfige Band und vier Backgroundsängerinnen tragen Swift durch eine atemraubend durchchoreografierte Show, in der jede Pose sitzt.
„Überraschungssongs“ hat Swift immer dabei
Nach Auszügen aus dem sechsten Album „Reputation“ (2017) geht es erst einmal ruhiger weiter. Mit „Folklore“ und „Evermore“ legte Swift im Corona-Jahr 2020 zwei eher balladeske Alben vor, die sie in einem Block miteinander kombiniert. Ihre Qualitäten als Sängerin und Songschreiberin kommen hier noch deutlicher heraus. Swift kann auch ohne große Show überzeugen, so im von Mundharmonika und Akustikgitarren begleiteten „Betty“. Nach dieser Erholungsphase rüttelt sie ihr Publikum mit älteren Tophits wie „Shake It Off“ und „Blank Space“ durch die nur noch tosende VELTINS-Arena.
Auch zwei „Überraschungssongs“ hat Swift immer dabei, in denen sie sich nur auf der Gitarre oder auf dem Klavier begleitet. Sie wechseln von Konzert zu Konzert. Diesmal sind es zwei Mashups der Songs „Superstar“ und „Invisible String“ sowie „Slut!“ und „False God“. Ihre textsicheren Fans singen sie natürlich mit.
Swift veränderte die Setlist ihrer laufenden „Eras“-Tour nach dem im Frühjahr 2024 veröffentlichten elften Album „The Tortured Poets Department“. Auch Songs des Indie-beeinflussten Projekts kamen nun hinein. Da sie darin über eine schwermütige Zeit in ihrem Leben singt, konnte sie die Nummern aber kaum ans Ende stellen.
Daher erklingen zuletzt Auszüge aus dem Vorgängeralbum „Midnights“ (2022). In dessen Hit „Anti-Hero“ geht Swift streng mit sich selbst und ihrem Ruhm ins Gericht. Eine Heldin sei sie nicht, heißt es darin. Eher sieht sie in sich ein von Narzissmus geprägtes „Monster oben auf dem Hügel“. Und dem Publikum singt sie entgegen: „Es muss ganz schön anstrengend sein, immer eine Anti-Heldin anzufeuern“. Dazu winkt und nickt sie schelmisch in die Menge. Kritisiert die Selfmade-Milliardärin damit auch ihr Jet-Set-Leben samt Privatjet und Luxusvillen? Es sind solche ironischen Selbstbespiegelungen, die Swifts Rang als Pop-Ikone abrunden.
Auch politisch bei Stimme
Taylor Swift ist nicht nur ein Popstar, sondern mittlerweile auch eine vielgehörte politische Stimme. 2018 mischte sie sich in die Senatswahlen im Bundesstaat Tennessee ein, in dem sie aufgewachsen ist. Offen stellte sie sich gegen die republikanische Kandidatin und den damaligen US-Präsidenten Donald Trump, dem sie Rassismus vorwarf. Schon lange macht sie sich für Frauenrechte stark und prangert im Lied „Champagne Problems“ falsche gesellschaftliche Erwartungen an die Ehe an. Ihre Unterstützung für die LGBTQ+-Community manifestierte sie im Song „You Need To Calm Down“.