Trotz Warnungen: Mit dem Enkeltrick bringen Betrüger Menschen zu hohen Geldzahlungen. So auch eine 69-jährige Sozialarbeiterin. Wir schildern ihren tragischen Fall.
„Opfer meines Kopfkinos geworden“Wie Betrüger mit dem Enkeltrick immer wieder absahnen
Die Nachricht erwischte sie kalt. „Hallo Mama, hier ist A.“, trägt Angela Stech (Name von der Redaktion geändert) den Beginn der Chatnachrichten vor. Zwei Jahre ist das her, doch die Erfahrung prägt sie bis heute.
Was damals im Jahr 2022 folgte, war die Betrugsmasche, vor der die Polizei verstärkt warnt. Bei der angeblichen Tochter soll das eigentliche Smartphone kaputt sein, ebenso brauche sie einen neuen Computer. Dringend. Etwa 1700 Euro soll die Mutter ihrer Tochter pumpen.
Angela Stech ist fit, arbeitet mit 69 Jahren noch als Sozialberaterin. „Aber ich bin voll drauf hereingefallen.“ So wie Tausende andere jedes Jahr. Dabei hätte Stech den Betrug schnell durchschauen können, wie sie im Nachgang sagt. Die Nummer kam aus den Niederlanden, ihre angebliche Tochter siezte sie in einer Nachfrage.
Der richtige Moment für den Enkeltrick
Doch das alles war in dieser Situation nicht verdächtig und es zeigt, dass trotz aller Prävention die Täter Erfolg haben können – wenn sie nur den richtigen Moment erwischen. „Ich hatte den Kopf grad mit ganz anderen Dingen voll und war völlig durcheinander“, sagt Stech. Dazu komme, dass ihre Tochter als Juristin arbeitet. Und die Täter den richtigen Namen in der ersten Nachricht nannten. Kein „Rate mal, wer hier ist?“, wie es ebenfalls gern versucht wird. Der Name war unterbewusst ein wichtiges, Vertrauen erweckendes Detail, mit dem die Betrüger selbst Profis hinters Licht führen.
Wenige Monate nach Stech wurde der Fall des ehemaligen niedersächsischen Justizministers Christian Pfeiffer bekannt, der bei einem sogenannten Schockanruf beinahe 50000 Euro verloren hätte. Den Kriminologen überzeugten die Täter durch die Erwähnung des „kleinen roten Autos“, mit dem seine Tochter einen tödlichen Unfall verursacht haben sollte, wie Pfeiffer auf einer Pressekonferenz erzählte.
Gerade solche Schockanrufe kommen aus Sicht des Opferhilfe Vereins Weißer Ring aktuell besonders häufig vor. „Auch wenn die Mehrzahl der Angerufenen den Täuschungsversuch eines Schockanrufs bemerken, fallen auch lebenserfahrene und ,coole' Menschen immer wieder auf die Masche herein“, teilt der Verein mit.
Nicht nur der finanzielle Schaden schockiert
Neben dem finanziellen Schaden litten die Opfer noch auf ganz andere Weise: Betroffene berichteten, dass sie nach der falschen schlimmen Nachricht „blass werden, zu zittern beginnen, es folgen Schweißausbrüche, Ängste, unendliche Ängste, schneller Herzschlag, gefolgt von Weinkrämpfen, der Kreislauf versagt, der Körper wird nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt und im Kopf herrscht eine Leere, totale Leere“, schildert der Weiße Ring. Sogar an Traumakliniken mussten Betroffene schon vermittelt werden.
Bei Stech war hingegen gar keine ausgedachte Geschichte nötig. Nur der Druck, der von ihrer angeblichen Tochter kam. „Ich bin Opfer meines Kopfkinos geworden.“ Sie sei extra 20 Minuten zur Bank gefahren, um die Überweisung zu tätigen.
Heute redet sie mit anderen über diese Erfahrung. „Ich bin nicht allein in dem Club“, sagt sie. Ein Bekannter, selbst ein gebildeter Mann, sei noch in Latschen ins Auto gestiegen, um den Betrügern 10000 Euro zu überweisen. „Dieses Geld hat er nie wieder gesehen.“
„Zum Schluss gab es dann noch die Nachricht. ,Danke, Mama, ich ich liebe dich!' Mit einem Herz-Emoji.“ Und ausgerechnet das hatte das Betrugsopfer dann doch entscheidend irritiert. „Meine Tochter hat noch nie solche Emojis geschickt.“
Sie ahnte: Das war Betrug. Und verlor keine Zeit. Nicht die Polizei, sondern die Bank wurde als allererstes verständigt. „Die Mitarbeiterin war kurz vor Feierabend, hat aber sofort alles stehen und liegen gelassen, um sich zu kümmern“, lobt die Sauerländerin.
Glück im Unglück beim Einkeltrick
Angela Stech hatte Glück: Am nächsten Morgen meldete die Bank Vollzug. Die rund 1700 Euro waren wieder da. „Die Überweisung ging auf ein inländisches Konto, das war der Vorteil“, sagt sie. Auch Anzeige erstattete sie, doch die sei eingestellt worden. Die Strafverfolgung fällt schwer. Landauf, landab setzt die Polizei auf Prävention.
Zweimal sei sie seitdem wieder angeschrieben worden, auch mit anderen Betrugsmaschen. Klar sei sie jetzt noch mehr sensibilisiert, sagt Angela Stech. „Doch ganz ehrlich: Ich kann nicht sicher sagen, ob ich nicht wieder hereinfalle, wenn man mich mal auf dem falschen Fuß erwischt.“