Die Spitzenlast im Winter kann laut Lewis „kaum mehr gedeckt werden“. Durch mehr Wärmepumpen zur Versorgung der deutschen Haushalte sowie eine Zunahme von Elektromobilität steige der Strombedarf.
Düsseldorfer EnergiekonzernUniper-Chef erwartet rapide steigenden Strombedarf
Der Chef des verstaatlichten Düsseldorfer Gas- und Stromkonzerns Uniper, Michael Lewis, erwartet einen aufwändigen und kostspieligen Umbau von Deutschlands Energieversorgung. „Ich bin nicht sorgenlos, was die Sicherheit unserer Versorgung mit Strom und Wärme betrifft“, sagte Lewis vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf. „Damit es kein böses Erwachen gibt, müssen wir vorausschauend handeln.“ Der frühere Eon-Manager Lewis, der seit einem halben Jahr Uniper führt, mahnt schnelle Entscheidungen der Bundesregierung an, damit Deutschlands Energiekonzerne beginnen, neue Gaskraftwerke zu bauen.
„Es gibt ein erhebliches deutsches Defizit an sicherer Versorgungsleistung mit Strom. Vor allem hier brauchen wir einen Plan“, sagt Lewis. Deutschland benötige neue Kraftwerke, die „ausreichend flexibel“ seien, „um im Falle der sogenannten Dunkelflauten die Stromversorgung sicherzustellen“, also dann, wenn aufgrund einer Wetterlage nicht genug Energie aus Wind und Sonne zur Verfügung stehe.
Die Spitzenlast im Winter kann laut Lewis „kaum mehr gedeckt werden“. Durch mehr Wärmepumpen zur Versorgung der deutschen Haushalte sowie eine Zunahme von Elektromobilität steige der Strombedarf. „Die Spitzenlast steigt weiter an durch die Elektrifizierung des Wärmesektors. Stichwort: Wärmepumpe.“ Die meisten Studien gingen von einer Erhöhung des Strombedarfs um 40 Prozent bis zum Jahr 2030 aus.
Uniper-Chef sieht nur zwei Möglichkeiten
Es gebe daher nur zwei Optionen, so Lewis: entweder neue Gaskraftwerke oder der Weiterbetrieb alter Kohlekraftwerke. „Es gibt keine andere Möglichkeit. Wir haben alle unsere Kernkraftwerke stillgelegt.“ In vergangenen Sommer hatte Uniper angekündigt, mehrere Kraftwerke schon im Frühjahr 2024 vom Netz nehmen zu wollen, unter anderem die Anlage „Staudinger 5“ im Großraum Frankfurt am Main, „Heyden 4“ im Weserbergland sowie „Scholven C“ in Gelsenkirchen. Dazu kommt es nun nicht.
Die Bundesnetzagentur hat entschieden, dass die Kohlekraftwerke weiterhin für eine stabile Versorgung benötigt werden. Alle Steinkohlekraftwerke, die in den nächsten drei Jahren stillgelegt werden sollten, müssen als Reserve bereitgehalten werden, teilweise bis in die 2030er-Jahre hinein. Damit seien entsprechende Emissionen des Klimagases Kohlendioxid (CO2) verbunden, so der Uniper-Chef. Ein Kohleausstieg im Jahr 2030 sei aufgrund der Gegebenheiten kaum realistisch: „Es ist schwer vorstellbar, dass wir genug Gaskapazität bis 2030 aufgebaut haben.“
Uniper hat unlängst angekündigt, in den kommenden sechs Jahren mehr als acht Milliarden Euro in den Aufbau einer klimafreundlichen Energieversorgung zu investieren. Falls aber Planungssicherheit in Deutschland fehle, werde das Geld verstärkt ins Ausland fließen – nach Großbritannien, Schweden und in die Niederlande, wo Uniper ebenfalls aktiv ist.
Die Investitionen müssten sich für die Unternehmen rechnen, sagt Lewis. Daher sei die Bundesregierung gefordert und müsse finanzielle „Anreize“ für den Bau von Gaskraftwerken geben, die später auf Wasserstoff umgestellt werden könnten. „Ohne festen Rahmen für die Vergütung wird niemand in Deutschland in neue Gaskraftwerke investieren.“
Das von Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium habe schon vor Monaten eine „Kraftwerksstrategie“ angekündigt. „Bis heute liegt sie noch nicht vor. Das ist für die gesamte Branche sehr frustrierend“, so Lewis. „Wir warten nur auf das Signal, um loszulegen. Wir wollen investieren.“ Die Zeit dränge. „Der Bau eines neuen Gaskraftwerks dauert rund fünf Jahre.“
„Bogen nicht überspannen“
Der Umbau der deutschen Energieversorgung werde viele Milliarden Euro in den kommenden Jahren kosten. „Auf den Staat, die Bürger und die Unternehmen kommen gigantische Summen zu“, sagt der Uniper-Chef. Der Staat allein könne das erforderliche Geld nicht aufbringen. „Das geht nur, wenn private Investoren mitmachen und eine angemessene Rendite bekommen.“
Es stehe viel auf dem Spiel für Deutschlands Wirtschaft, so Lewis. „Die Energiewende in Deutschland und in unseren anderen Kernmärkten ist gescheitert, wenn wir unsere Industrie opfern und unseren Wohlstand aufs Spiel setzen.“ Die Energiewende dürfe „nicht als Kosten-Tsunami daherkommen“. Schon heute sei Deutschland „ein Hochpreisland“ für Energie. „Wir dürfen den Bogen nicht überspannen.“