Ein deutsches Start-up will das Amazon des Bauens werden und bietet klimafreundliche Immobilien aus Holz an. Wir haben uns die Idee einmal genauer angesehen.
Deutsches Start-up „FlixHouse“Einfamilienhaus aus dem Online-Shop – ist das die Zukunft des Bauens?
Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Ein kleines Start-up aus Brandenburg hat die Lösung der Baukrise in Angriff genommen. Billiger, schneller und auch noch klimafreundlich soll der Traum vom Eigenheim verwirklicht werden können. Um bis zu 70 Prozent billiger als bisher.
Der Clou: Statt langes und teures Planen soll man sich sein neues Heim im Onlineshop aus standardisierten und industriell hergestellten Elementen konfigurieren und bestellen können: Bauherr per Smartphone.
Ob aus der Vision Wirklichkeit wird?
Das sollte sich bald zeigen. Nach jahrelangem Vorlauf werden Anfang Juli die ersten beiden FlixHouses bezogen. Marius Jast (57), einer der Mitentwickler, ist sicher: „Das wird ein ganz großes Ding.“ Aber der Reihe nach.
Um was für Häuser geht es eigentlich?
Das erste Flix-Haus wird nicht groß, 80 Quadratmeter Grundfläche, ein Geschoss, flaches Dach, vier Meter Höhe. Die Kundin hat zwei der drei Grundmodule ausgewählt. Mit Küche, Bad, Schlaf- und Wohnzimmer. Aufgestellt wird es Anfang Juli im bayerischen Hausen bei Ingolstadt. Auf den ersten Blick wird es sich wenig von Holzhäusern etablierter Anbieter wie WeberHaus oder Tiny House unterscheiden. Eine Übersicht gibt es bei fertighaus.de.
Eine FlixHouse-Besonderheit: Die vorgefertigten Module von den Wänden über Böden, Decken, Zwischendecks, Fenstern (oder Glasfront) und so weiter werden von verschiedenen Herstellern zum Baugrund geliefert und dort binnen weniger Tage wie Legosteine zusammengesteckt.
„Wer Kraft und Energie hat, kann es selbst aufstellen – unter Anleitung eines geprüften Bauleiters“, sagt Jast im Video-Call. „Aber man kann auch Montageteams dazubuchen.“
Mit einem Camping-Bungalow hat das nichts zu tun, sagt Jast. Die Wände sind aus Massivholz, mit allen Vorteilen für das Raumklima und für das Klima auf der Erde. Denn CO2 wird gebunden und nicht – wie bei Häusern aus Zement, Stahl und Beton – in die Atmosphäre gepustet. Jahrzehnte könne so ein Haus stehen und jederzeit auch ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden.
Was soll so ein Haus dann am Ende kosten?
Typ „Family Express L“ mit 80,4 Quadratmetern Nutzfläche wird erstmal ab 107554 Euro netto angeboten, „inklusive Transport und Endmontage“. Allerdings nur für FlixHouse-„Pioniere“. Um das Projekt in Gang zu bringen, haben sich die ersten Bauherren bereiterklärt, regelmäßig die Türen ihrer neuen Eigenheime für Interessenten zu öffnen.
Klar ist: Der Baustoff Holz ist teurer als Beton. „Trotzdem können wir mit Baukosten von 1600 Euro pro Quadratmeter bei einem Einfamilienhaus auskommen“, sagt Jast.
Im Durchschnitt liegen die Baukosten in Deutschland bei 5000 Euro. Woher dann die krasse Kostensenkung? „Das kann unsere Bau-Revolution möglich machen“, sagt Jast.
Was ist denn an der Bauweise so revolutionär?
Die Flix-Häusler nennen ihre Vision „Bauen 4.0“: An die Stelle schier endloser Planung und Genehmigung tritt die Hauskonfiguration im Webshop. In jahrelanger Entwicklung hat das FlixHouse-Team mit Architekten und Ingenieuren ein Baukasten-System ausgetüftelt und verfeinert, so dass sich daheim am Computer oder Smartphone das Eigenheim entwerfen lässt.
„Der Bauherr braucht nur noch einen Architekten, um den Bauantrag zu stellen und für die Anschlüsse zu sorgen“, sagt Jast. Die Baugenehmigungen kann man sich über die Plattform des Partners Construyo besorgen, „auch das falls erwünscht per Smartphone“.
Revolutioniert wird auch die Produktionskette. FlixHouse baut an einem Netz von Vertragspartnern, die die Objektelemente montagefrei fertigen und zum Baugrund schicken. Herzstück bilden Brettschichtholz-Produktionswerke, die die Vollholz-Wände, Böden und Zwischendecks exakt anfertigen, verpacken und versenden. „Vor Ort können dann die Fenster einfach eingehängt werden, es braucht keine Rahmen, keine Anstreicher, keine Fliesenleger. Denn alles muss nur ineinandergefügt werden“, erklärt Jast.
Und wie soll das umgesetzt werden?
FlixHouse will vollständig ohne Baufirmen, ohne eigene Fabriken und ohne Zwischenlagerung auskommen. Man will zu einer Art Amazon des Bauens werden: Der Kunde bestellt online, Jast und seine Leute sorgen für die Lieferung. Die bisherige Bauindustrie würde auf den Kopf gestellt. „Wir knacken nicht das Bauen selbst, sondern das System der industriellen Fertigung und der Bau-Organisation.“ Darin liegt in der Tat großes Sparpotenzial. Denn die Rohstoffe machen beim herkömmlichen System nur rund 10 Prozent der gesamten Baukosten aus.
Wer will so ein Haus denn haben?
Was sich erstmal bestechend anhören mag, ist in der trägen und von starken Lobbygruppen geprägten Bauindustrie schwer in Gang zu bringen. Die meisten Bauunternehmen gehören Banken und Investmentfonds, sie müssen Geld verdienen. „Sie haben kein Interesse, das Bauen billiger und einfacher zu machen“, behauptet Jast.
Ein erster Anlauf mit Musterhäusern vor drei Jahren floppte. Statt profitorientierte Investoren an Land zu ziehen, ist FlixHouse deswegen einen anderen Weg gegangen. Per Crowdfunding und mit Schnupper-Konditionen wurden 100 „Wohnpioniere“ gefunden. Der Partner Wohnpioniere hatte die Idee und betreut das Programm: Die große Bau-Revolution als Graswurzel-Bewegung. Die Premieren sind das Haus in Hausen und ein zweites im brandenburgischen Neuruppin, das am 4. Juli bezogen und dabei der Öffentlichkeit präsentiert werden wird. In den Einfamilienhäusern gibt es zweimal im Monat einen Tag der offenen Tür: Probewohnen für alle Interessierten in Ferienobjekten. „300 stehen auf der Wartliste“, sagt Jast.
Interesse bekundet hat auch der Bürgermeister der NRW-Kommune Bergneustadt, Matthias Thul. „Wir bauen eine Klimaschutzsiedlung“, sagt er . „36 Grundstücke sind ausgeschrieben, für die wir Familien suchen. Und die FlixHouse-Idee finde ich gut.“ Werbung dafür macht er nicht. „Was zählt, ist die Einhaltung der Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskriterien. Die erfüllen auch etliche andere Anbieter.“
Wird aus FlixHouse was richtig Großes?
Martin Gornig, Experte für Bauwirtschaft beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), mag keine einzelnen Projekte kommentieren. Er verweist auf viele Bemühungen zu seriellem Bauen aus vorgefertigten Komponenten und Standardhäuser. Und er wirft Fragen auf: „Wie kommt man an Bauvorlageberechtigung und Baugenehmigung? Wer steht für die Statik grade?“ Da klingt Skepsis mit.
„Das ist ein cooles Konzept, das kann sich im Bereich Einfamilienhäuser durchsetzen“, sagt dagegen Lewin Fricke. Er ist Sprecher von TriqBriq, ein Start-up aus Tübingen, das anders als FlixHouse keine ganzen Häuser, sondern „nur“ ein Stecksystem aus Holzziegeln entwickelt hat. In Braunschweig wird daraus gerade ein großer Edeka-Supermarkt gebaut.
Auch das Onlineshop-Konzept findet „Konkurrent“ Fricke „echt spannend“ und hält es bei einem eingeschränkten Auswahlsortiment für kleine Wohnhäuser für vielversprechend, weil es den ganzen Prozess so viel einfacher macht. „Wir haben uns selbst mal so ein Tool bauen lassen. Aber für große Häuser wird es schnell zu kompliziert.“
Viele arbeiten an der großen Baurevolution, die es braucht, um klimaschonend genug bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, es fehlen ja rund 400000 Wohnungen pro Jahr. Zu den vielversprechendsten Start-ups für größere Fertighäuser bis hin zu ganzen Wohnsiedlungen gehört Gropyus.
Davon ist das Brandenburger Start-up Flixhouse noch weit entfernt. Aber Jast glaubt an die Bau-Wende von unten: „Alle warten jetzt auf Ergebnisse und wollen sehen, ob es wirklich schneller und billiger geht. Das wird noch Zeit brauchen. Aber wenn wir es hinbekommen, wird das ein ganz großes Ding.“