Ein Plakat für Sevillas Semana Santa entzweit Spanien. Ist der abgebildete Jesus wirklich zu sexy? Der verantwortliche Künstler reagiert empfindlich.
Plakat sorgt für Debatte in SpanienWie sexy darf ein Jesus-Bild sein?
Madrid Wie sexy darf eine Christus-Darstellung sein? Diese Frage entzweit das südspanische Andalusien, wo die Frömmigkeit besonders tief verwurzelt ist. Der Stein des Anstoßes ist das offizielle Plakat für die berühmte Semana Santa, die heilige Osterwoche, in Sevilla.
Plakat zur Karwoche in Sevilla erhitzt die Gemüter
Auf dem Plakat sieht man einen leicht bekleideten und athletischen Jesus, der nicht mit leidendem, sondern mit sinnlichem Gesichtsausdruck in die Welt schaut. Konservativen Katholiken geht das zu weit: Sie laufen Sturm gegen diese „Sexualisierung“ und sehen einen Akt der Gotteslästerung. „Wir fordern den sofortigen Rückzug des Plakats“, heißt es in einem Aufruf für eine Unterschriftenkampagne auf der Plattform Change. Das Werbebild repräsentiere nicht den tiefen Glauben und die religiöse Hingabe in Sevilla.
In wenigen Tagen unterschrieben bereits Tausende. Auch in den sozialen Netzwerken kocht die Empörung über die mutmaßliche „Verweiblichung“ und „homosexuelle“ Darstellung von Jesus hoch. Das Plakat sei „eine Schande“ und gleiche eher einer Werbung für eine Gay-Pride-Veranstaltung als für die Osterwoche.
Shitstorm im Internet zum Jesus-Plakat
Der Shitstorm trichtet sich gegen die örtliche Vereinigung der Laienbruderschaften, die für die Organisation der religiösen Osterprozessionen in Sevilla zuständig ist. Aber sie trifft auch den international bekannten Künstler Salustiano García, der dieses Jahr von den Bruderschaften beauftragt worden war, das Werbeplakat für die Semana Santa zu entwerfen.
Künstler: Botschaft der Spiritualität, Liebe und des Respekts
Der 59 Jahre alte García versteht die Aufregung um sein -Werk nicht: „Das ist ein Christus des 21. Jahrhunderts. Das Bild ist eine Botschaft der Spiritualität, der Liebe und des Respekts.“ Er wundert sich über die heftigen Beschimpfungen: „Das ist nicht sehr christlich.“
Als Inspiration für sein modernes Jesus-Gemälde diente dem Künstler nach eigenem Bekenntnis sein 27 Jahre alter Sohn Horacio, der ihm Modell gestanden habe. Auch wenn das Ergebnis des Porträts vor lippenstift-rotem Hintergrund an frühere Bilder des österreichischen Travestiekünstlers Cornchita Wurst erinnert. Wurst wurde 2014 international bekannt durch seinen Sieg im „Eurovision Song Contest“ in Kopenhagen.
In einer Online-Umfrage der spanischen Tageszeitung „Abc“ zeigten sich die Leser hinsichtlich des Werkes gespalten: 52 Prozent bekannten, dass ihnen das Plakat überhaupt nicht gefällt. 48 Prozent waren von dem Werk angetan, wenn auch unbedingt nicht als Aushängeschild für die „Heilige Woche“. José Luis Sanz, der konservative Bürgermeister Sevillas, gehört zu den Verteidigern des umstrittenen Bildes: „Ich finde es gut“, sagt Sanz. „Es ist mal etwas anderes.“
Sevillas Erzbischof José Ángel Sáiz Meneses, der von den Plakat-Gegnern aufgefordert wurde, ein Machtwort zu sprechen, versucht derweil, die Wogen zu glätten. Statt weiteres Öl ins Feuer zu gießen, schickte er über den Kurznachrichtendienst X folgende Botschaft an die Gläubigen: „Lasst uns schlicht Christus betrachten, mächtig in Taten und Worten.“ Weil der Shitstorm gegen das Plakat auch ihn traf, ließ der Bischof zugleich die Kommentarfunktion seines Kontos auf dem Netzwerk X abschalten.
Währenddessen hat der Streit um das Plakat längst dafür gesorgt, dass Sevillas Semana Santa, die vom 24. bis 31. März dauert, in aller Munde ist. In der Woche werden auch dieses Jahr wieder mehr als 70 Prozessionen durch die Stadt ziehen. Viele Teilnehmer werden dann schwere Holzkreuze und Marienfiguren durch die Gassen schleppen – ein Spektakel, das Hunderttausende Besucher anziehen dürfte.