Bei den illegalen Grenzübertritten zeichnet sich zwar ein Trend nach unten ab, doch warnt die Agentur Frontex vor einer Verlagerung der Fluchtrouten.
Rundschau-Debatte des TagesDroht der Kollaps beim EU-Grenzschutz?
Die Europäische Union setzt beim Schutz ihrer Außengrenzen maßgeblich auf die Grenzschutzagentur Frontex. Doch der Unterhalt für die Ausstattung der Grenzschützer ist teuer. Vor allem Personal ist für das Erfüllen der verschärften Asylpolitik nötig. Bei Frontex zumindest gibt man sich deshalb bereits alarmiert – und formuliert einen klaren Anspruch. Droht ein verstärkter Außengrenzschutz der EU im Rahmen der verschärften Asylpolitik zu scheitern?
Die europäische Grenzschutzagentur warnt davor, die mit der Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik verbundenen Erwartungen nicht erfüllen zu können. Mit einem jährlichen Budget von knapp einer Milliarde Euro ist Frontex zwar schon heute die finanzstärkste EU-Agentur. Laut Exekutivdirektor Hans Leijtens übersteigt die Nachfrage der Mitgliedsstaaten aber bei weitem die Ressourcen der Agentur. „Ich bin versucht zu sagen, wir nähern uns zunehmend einer gefährlichen Situation“, warnte Leijtens im Ausschuss für Justiz und Inneres des EU-Parlaments.
Grenzschutz in Zahlen
Derzeit ist die EU-Grenzschutzagentur eigenen Angaben zufolge mit gut 3000 Beamten an 23 Operationen vor Ort beteiligt. Dabei geht es um den Schutz von mehr als 60.000 Kilometern Seegrenzen und 15.000 Kilometern Landgrenzen. Zudem hat Frontex die Mitgliedstaaten 2024 bei der Rückführung von bislang rund 40.000 Menschen in ihre Heimatländer unterstützt.
Aufrüsten an den EU-Grenzen
Im vergangenen Jahr belief sich das Frontex-Budget auf 922 Millionen Euro, bis 2027 soll es schrittweise auf 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2027 wachsen. Mit diesen Mitteln werden unter anderem der Einsatz von Personal an den EU-Außengrenzen, technische Ausrüstung, IT-Systeme und operative Maßnahmen im Rahmen von Grenzschutzrollen und Migrationsmanagement finanziert. Soeben wurde die Anschaffung von Drohnen im Wert von rund 400 Millionen Euro ausgeschrieben. Im mehrjährigen Finanzrahmen der EU von 2021 bis 2027 sind gut 5,6 Milliarden für Frontex vorgesehen. Und danach?
Sorge vor Kürzungen
Direktor Leijtens drängte im Innenausschuss des EU-Parlaments auf mehr technische Ausrüstung und eine Debatte über „operative Konzepte“ sowie eine mögliche Überarbeitung der europäischen Rechtsvorschriften, um die Agentur flexibler zu machen. Es gehe darum, Bedürfnisse zu identifizieren und Prioritäten zu setzen. Es scheint, als wolle man bei Frontex möglichen Kürzungen vorbauen. Das passt ins Gesamtbild, nachdem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen anlässlich ihrer Wiederwahl im Juli Pläne zur Verdreifachung der Zahl der Frontex-Grenzschutzbeamten von 10.000 auf 30.000 präsentiert hat. Einen Zeitplan dafür gibt es allerdings noch nicht.
Weniger illegale Grenzübertritte
Zur aktuellen Lage an den EU-Außengrenzen heißt es aus der Frontex-Zentrale in Warschau auf Anfrage unserer Redaktion: „Tatsächlich sind die irregulären Grenzübertritte in diesem Jahr um rund 36 Prozent zurückgegangen, vor allem auf wichtigen Routen wie dem westlichen Balkan und dem zentralen Mittelmeer. Aber die Migrationsströme ändern sich ständig, und wir beobachten einen Anstieg der Ankünfte über die Kanarischen Inseln“.
Künftig benötige man mehr Mittel für die Ausweitung der operativen Präsenz im Ausland, den Kauf von Drohnen, Überwachungsausrüstung, Flugzeugen und Hubschraubern. „Wir sind immer auf der Suche nach Innovationen, um nicht nur zu reagieren, sondern immer einen Schritt voraus zu sein“, sagte Frontex-Sprecher Kryzstof Borowski.
Kein Anspruch auf Schutz
Nach einer Anerkennung als Flüchtling außerhalb Deutschlands haben enge Familienangehörige hierzulande laut einem Gerichtsurteil keinen Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz nach dem Asylgesetz. Das entschied das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster laut Mitteilung am Dienstag. Der Flüchtlingsschutz bezieht nur Familienangehörige von Ausländern ein, denen in Deutschland selbst der Flüchtlingsstatus gewährt wurde. Damit kippte das OVG ein vorangegangenes Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts.
Im konkreten Fall ging es um die Klage einer aus Syrien stammenden und in Köln wohnhaften Mutter sowie ihrer beiden minderjährigen Kinder. Der Ehemann und der Vater der Kinder ist ein Syrer, der sein Heimatland 2013 verließ und über die Türkei nach Bulgarien reiste. Dort wurde er als Flüchtling anerkannt. Von Bulgarien aus reiste er weiter nach Deutschland und stellte hier einen weiteren Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ab. Der Mann sollte nach Bulgarien abgeschoben werden. Hierzu kam es aber nicht. Das Verwaltungsgericht Köln wies das Bamf an, ein Abschiebeverbot für Bulgarien wegen dort drohender menschenrechtswidriger Behandlung festzustellen. Das Bamf erkannte schließlich den subsidiären Schutzstatus des Manns an, lehnte aber den Flüchtlingsstatus ab. Er erhielt eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Seine Ehefrau und seine Tochter reisten 2015 nach Deutschland und stellten hier einen Asylantrag. Der Sohn wurde 2017 in Köln geboren. Das Bamf gewährte den Klägern nur subsidiären Schutz. (afp)