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„Weihnachtsgeschenk“ der JustizMitglied des Remmo-Clans darf Immobilien behalten

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Dresden: Die Angeklagten im Prozess um den Juwelenraub im Grünen Gewölbe Anfang des Jahres

Dresden: Die Angeklagten im Prozess um den Juwelenraub im Grünen Gewölbe Anfang des Jahres

Ein Clan-Mitglied darf acht Immobilien behalten, das Gericht sieht keine Nachweise für Straftatfinanzierung. Die Staatsanwaltschaft kritisiert die Entscheidung.

Wenn ein 18-jähriger Mann beginnt, Immobilien zu kaufen wie Altersgenossen die jeweils neuesten Smartphone-Modelle, ist das Erstaunen groß. Wenn der Jugendliche zudem über kein nennenswertes Einkommen verfügt und einer einschlägig bekannten Großfamilie angehört, ist größtmögliches Misstrauen angebracht.

Das Berliner Landgericht lehnte in dieser Woche gleichwohl die Einziehung von acht Immobilien des inzwischen 27-jährigen Mannes ab, der zum deutsch-arabischen Remmo-Clan gehört. Es sei „nicht nachweisbar, dass die Immobilien mit Geldern aus Straftaten finanziert worden seien“, teilte die Kammer mit. Es könne „nicht ausgeschlossen werden“, dass die Bezahlung aus legalen Quellen erfolgt sei.

Angeblich Millionensummen von Verwandten erhalten

Der damals noch Jugendliche gab an, Millionensummen von Verwandten aus dem Libanon erhalten zu haben. Die Ankläger gehen hingegen davon aus, dass der Clan-Spross ab 2015 begann, mit der Beute aus Straftaten einzelne Wohnungen und Häuser zu kaufen. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft auch umgehend Revision eingelegt.

Die dem Mann jetzt vom Gericht zumindest vorläufig zugestandenen Immobilien gehören zu den insgesamt 77 Wohnungen, Häusern, Grundstücken und einer Kleingartenkolonie, die in einer spektakulären Aktion im Sommer 2018 konfisziert worden sind. Es war bundesweit der erste große Schlag gegen Clan-Straftaten im Land und sollte den Verfolgungsdruck auf die Organisierte Kriminalität erhöhen.

Die ausgeraubte Vitrine im Juwelenzimmer des Historischen Grünen Gewölbes im Residenzschloss in Dresden.

Leergeräumte Vitrinen: Mitglieder des Remmo-Clans brachen 2019 in das Historische Grüne Gewölbe im Dresdner Residenzschloss ein und stahlen Juwelen im Wert von 117 Millionen Euro.

Die Staatsanwaltschaft ging bei der Beschlagnahme davon aus, dass die Immobilien mit Geldern aus Raub, Diebstahl, Drogenhandel und Betrug gekauft wurden. Mehrere Angehörige der rund 500-köpfigen Großfamilie Remmo, von denen ein großer Teil in Berlin lebt, waren zuletzt am Einbruch im Grünen Gewölbe in Dresden beteiligt, bei dem im November 2019 Juwelenschmuck im Versicherungswert von fast 117 Millionen Euro entwendet wurde. Im Februar 2020 wurden drei Mitglieder des Remmo-Clans wegen des Raubs einer Goldmünze im Frühjahr 2017 aus dem Berliner Bode-Museum zu Haftstrafen verurteilt. Die 3,75 Millionen Euro teure Münze ist nie wieder aufgetaucht. Verschwunden sind auch jene 9,1 Millionen Euro, die bei der Sprengung der Safes einer Berliner Sparkasse 2014 erbeutet wurden; ein Familienmitglied wurde dafür verurteilt.

Obwohl die Anklage nach Paragraf 437 der Strafprozessordnung („das selbstständige Einziehungsverfahren“) nicht nachweisen muss, aus welcher Tat welche Vermögenswerte stammen, fielen von den 77 beschlagnahmten Immobilien bislang lediglich zwei rechtskräftig an den Staat. Zwar muss der verdächtige Immobilienbesitzer das Missverhältnis zwischen seinem Vermögen und seinem offiziellen Einkommen erklären. Dennoch scheint es für die Gerichte zumeist kaum möglich, die Spur aus dem Ausland stammender Geldflüsse zu verfolgen – zumal Angehörige des Remmo-Clans in der Regel von den renommiertesten Anwälten vertreten werden.

Clanmitglieder bauen Macht übr Jahrzehnte aus

Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) kennt das Problem. „Bei den jetzigen Beweisregeln ist es schwierig, die Vermögensverhältnisse nachzuweisen, auch mit welchen Mitteln die Immobilien erworben wurden“, erklärte die frühere Vizepräsidentin des Bundesamtes für Verfassungsschutzes im Sommer. Sie sprach sich für eine „Beweiserleichterung im OK-Bereich für Vermögen“ aus. „Insbesondere die rechtmäßige Herkunft des Geldes muss feststehen.“

Passiert ist indes seitdem nichts. Immerhin gibt es seit einigen Jahren regelmäßige Razzien und es besteht ein elektronisches Hinweisgebersystem zur Korruptionsbekämpfung. Viele Verantwortliche in der Stadt sind inzwischen aufgewacht, und geben auch zu, folgenschwere Fehler gemacht zu haben. Über Jahrzehnte konnten kriminelle Mitglieder der Clans ihre Macht in der Hauptstadt ausbauen und sich recht ungestört in einer bequemen Parallelgesellschaft einrichten, die den Rechtsstaat und die Normen des Zusammenlebens ablehnt. Längst erweisen sich diese gefestigten Familienstrukturen sowohl für die Aufklärungsarbeit der Ermittler als auch für die Integration als schwierigstes Hindernis.

Die Berliner Justiz hatte sich schon einmal an dem Remmo-Spross, der jetzt die acht Immobilien wieder verwalten darf, die Zähne ausgebissen: ein Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche musste 2020 mangels Beweisen für die Verwendung von Beute- oder Schwarzgeld eingestellt werden.