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Baubranche sucht AlternativenKann Beton eigentlich auch klimafreundlich sein?

Lesezeit 4 Minuten
Beton ist als Baustoff nahezu unverzichtbar. Die eingesetzte Menge am Bau ließe sich aber reduzieren.

Beton ist als Baustoff nahezu unverzichtbar. Die eingesetzte Menge am Bau ließe sich aber reduzieren.

Ansätze wie Karbonbeton, Gradientenbeton und „smarter“ Beton können dabei helfen, CO2-Emissionen signifikant zu reduzieren.

Bei der Herstellung von Zement, dem Grundstoff für Beton, wird jährlich dreimal so viel CO2 freigesetzt wie durch den weltweiten Flugverkehr. Die Emissionen müssen also dringend runter. Damit Deutschland seine Klimaziele erreicht, braucht es Alternativen am Bau. Erste Projekte deuten an, dass die Zukunftsaussichten gar nicht so schlecht sind: Mit der richtigen Herangehensweise lassen sich Gebäude mit weniger Energie- und Materialaufwand errichten. Vor allem drei Konzepte scheinen vielversprechend zu sein: Karbonbeton, Gradientenbeton und intelligenter, also „smarter“ Beton.

Idee 1: Karbonbeton

Der Bau mit Beton hat eine sehr lange Tradition, schon die Römer bauten etwa das Colosseum oder das Pantheon damit. Heute wird er vor allem in Verbindung mit Stahl verwendet. Dadurch wurden Wolkenkratzer erst möglich. Bei Stahlbeton gibt es allerdings ein gewichtiges Problem: Um Rost zu vermeiden, werden die Stahstreben mit riesigen Betonmengen ummantelt.

Zement wird in einem aufwendigen Prozess hergestellt: Kalkstein wird abgebaut, zermahlen und bei bis zu 1450 Grad gebrannt. Das ist extrem energieintensiv. Wie sich Kosten und Material einsparen lassen, zeigt ein Projekt aus Sachsen: Als Weltpremiere setzten die Macher hinter dem „The Cube“ genannten Gebäude auf Kohlefaser statt Stahl. Der Vorteil ist, dass Karbon nicht rostet. Dadurch wird deutlich weniger Beton benötigt, weil das Material nicht vor Korrosion geschützt werden muss. Die Projektleiter rechnen vor, dass sich so die Hälfte der Betonmenge einsparen ließe, was folglich auch den CO2- Ausstoß halbieren würde.

Dafür müssten aber erstmal die eigenen Kosten sinken – denn aktuell liegt der größte Nachteil der Technik noch in unwirtschaftlichen Preisen begründet. Ein Kilogramm Stahlbeton kostet in der Herstellung etwa 1 Euro, ein Kilo des Hightech-Stoffs Carbonbeton dagegen 16 Euro.

Idee 2: Gradientenbeton

Um Ressourcenschonung geht es auch beim Gradientenbeton. Am Institut für Leichtbau der Universität Stuttgart wird unter anderem daran geforscht. Mit dieser Betonvariante ließen sich rund 50 Prozent des Materials auf der Baustelle einsparen. Der Clou: Bestimmte Stellen zum Beispiel von tragenden Wänden aus Beton sollen gezielt dort verdichtet werden, wo die Last am größten ist. Andere Bereiche, die dagegen kaum beansprucht werden, sollen durch Hohlräume und Variationen beim Gemisch mit weniger auskommen. Durch diese Optimierung des Innenraums von Bauteilen werden keine überflüssigen Bereiche mit Beton zugekleistert. Bauteile würden so ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit behalten – bei gleichzeitiger Reduktion von Masse und Gewicht.

Laut dem Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Felix Pakleppa, lassen sich auch bei der Zementherstellung Ressourcen sparen. „Viele Firmen sagen mir: Vielleicht müssen wir den Zement nicht länger auf 1450 Grad erhitzen, sondern 1100 oder 1200 Grad könnten bereits ausreichen“, so Pakleppa, der ohnehin dafür wirbt, sich vom übertriebenen Perfektionismus im Bau zu verabschieden.

Idee 3: „Smarter“ Beton

Der Baugewerbe-Chef betont, dass die Branche künftig auf mehr Digitalisierung setzt. Durch die dreidimensionale Vorplanung von Gebäuden, Straßen oder Tunneln lassen sich Fehler schon erkennen, bevor sie auf der Baustelle tatsächlich auftreten – als würde einen jemand beim Kuchenbacken warnen, wenn man 200 Gramm Mehl zu viel genommen hat, bevor das Ergebnis fehlschlägt. Dafür braucht es sogenannte digitale Zwillinge. Die sind ein wichtiger Bestandteil von Industrie 4.0, der Hightech-Strategie der Bundesregierung, sprich der intelligenten Vernetzung von Maschinen.

Wenn Beton „smart“ wird, könnten sogar Brücken zukünftig zielgenauer saniert werden. Wie das funktioniert, erklärt Philipp Hagedorn vom Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Uni Bochum: „Digitale Zwillinge einzelner Bauteile zeigen an, wo sich etwaige Schwachstellen im Material befinden. Wo früher ganze Brücken gesperrt oder in letzter Instanz gesprengt werden mussten, könnte der Verkehr künftig weiterfließen und die Bauten könnten länger stehenbleiben als bisher.“

Ein hemmender Faktor ist bis dato noch die Tatsache, dass Beton keinen Strom leitet. Neuere Forschungsergebnisse haben jedoch gezeigt, dass er durch Zugabe von Kohlenstoff leitfähig gemacht werden kann. Gut möglich also, dass bald mehr digitale Zwillinge an Deutschlands Rechnern entstehen – und unsere Autobahnbrücken den Menschen länger erhalten bleiben.