Multi-Aufsichtsrätin und Grünen-Mitglied Simone Menne fordert von Unternehmen mehr Haltung.
Aufsichtsrätin rät„Firmen sollten sich klar gegen die AfD positionieren“
Simone Menne sitzt im Aufsichtsrat von Henkel, Siemens Energy und der Deutschen Post AG, ist Kuratorin einer Kunststiftung, Mitglied der Grünen und beteiligt sich an der Initiative „WirSindPartei“. Mit Hannah Petersohn sprach die Ex-Lufthansa-Finanzchefin über politisches Engagement von Unternehmern.
Frau Menne, Sie werben für den Eintritt in eine demokratische Partei. Warum machen Sie das?
Es hat mir nicht mehr gereicht, nur zur Wahl zu gehen. Ich bin jetzt seit drei Jahren Parteimitglied bei den Grünen. Es ist enorm wichtig, dass sich Menschen, die unternehmerisch tätig sind, demokratisch engagieren. Wir werden gesehen und gehört.
Für Demokratie zu werben, ist das eine, für eine Partei zu motivieren, aber doch etwas anderes?
Nur für die Demokratie auf die Straße zu gehen, hat keinen nachhaltigen Effekt. Den gibt es nur, wenn man sich parteipolitisch engagiert. Wir müssen Menschen dazu bringen, sich zum Teil des Ganzen zu machen. Zu viele belassen es dabei, die Politik zu kritisieren. Das ist wohlfeil.
Wie könnten Unternehmen die Belegschaft zu politischem Engagement motivieren?
Manche Unternehmen geben ihren Angestellte ein bestimmtes Stundenkontingent für ihr ehrenamtliches Engagement. Unternehmen könnten auch AfD-Politiker einladen, um eine Diskussion in Gang zu bringen: „Wie wollen Sie den Fachkräftemangel beheben? Wo ist unser Markt, wenn wir aus der EU austreten?“. So entlarven sie Politiker wie Björn Höcke.
Allerdings haben weder Entlarvung noch die Skandale dazu geführt, dass AfD-Sympathisanten es sich anders überlegt haben.
Aber wir können doch nicht nichts tun! Mit der Aufklärungsarbeit aufzuhören, wäre das Gefährlichste überhaupt. Wir sind in einer Situation, in der jeder etwas tun muss. Ich glaube auch nicht, dass wir damit alle Wahlsiege der AfD verhindern können. Aber wir bringen Menschen zum Nachdenken und können vielleicht doch einige umstimmen.
Sie sind Aufsichtsrätin verschiedener Firmen. Ist da eine Parteizugehörigkeit nicht problematisch?
Ich habe meine Parteimitgliedschaft nicht vorher mit den Unternehmen besprochen. Außerdem gibt es auch viele Unternehmer, die Mitglied bei der CDU sind, aber niemand redet darüber. Ich werde oft gefragt: „Wie kannst Du Aufsichtsrätin sein und für die Grünen?“ Als wäre das ein Widerspruch. Ich nehme an, dass Unternehmer mit CDU-Parteibuch nicht gefragt werden, warum sie bei der CDU sind.
Ihre Grünen-Mitgliedschaft steht Ihrer Funktion als Aufsichtsrätin also nicht im Weg?
Natürlich muss ich bei meinen Entscheidungen im Aufsichtsrat abwägen, für welche Werte ich stehe und ob sich diese Werte mit der Firma, in der ich Aufsichtsrätin bin, vereinbaren lassen. Das würde ich aber auch machen, wenn ich kein Parteimitglied wäre.
Welche Unternehmen wären für Sie ein No-Go?
Solche, die Atomkraftwerke bauen oder den Klimawandel leugnen.
Sollten sich Unternehmen selbst auch politisch positionieren?
Ja. Es ist wichtig, dass sich Unternehmen und Vorstandsvorsitzende klar gegen die AfD und deren Programm positionieren, weil diese keine demokratischen Werte vertreten. Es muss und sollte keine Positionierung für eine einzelne Partei geben, darüber müssen Mitarbeiter selbst entscheiden.
Sie sollten sich eindeutig gegen die AfD aussprechen?
Sie sollten Stellung zu bestimmten programmatischen Punkten dieser Partei beziehen. Wir müssen den Menschen klarmachen, dass ein EU-Austritt für unsere Wirtschaft schädlich wäre, dass es dem Wirtschaftswachstum schaden würde, wenn keine Migranten mehr ins Land kämen.
Haben manche Unternehmen die Sorge, dass eine kritische Haltung nachteilig für ihren künftigen Erfolg sein könnte?
Wer schweigt, überlässt das Regime jenen, die laut und nationalistisch sind. Das wäre der Beginn dessen, was im Nationalsozialismus passiert ist. Viele haben damals stillgehalten und profitiert.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie bislang für Ihr Engagement?
Ich habe keinerlei Anfeindungen erlebt. Ich verstehe mich auch gut mit Unternehmern, die sich in einer anderen demokratischen Partei engagieren. Uns eint eine gemeinsame Wertebasis. Wir müssen uns zu Koalitionen zusammenschließen, über Parteigrenzen hinaus.
Die Ampel-Koalition ist allerdings nicht gerade ein Beispiel dafür, dass das gut funktionieren kann.
Das ist eine Katastrophe. Demokratische Parteien dürfen sich nicht gegenseitig rhetorisch abwerten, in der Hoffnung, die eigene Partei dadurch zu stärken. Damit geben wir der AfD Auftrieb. Wir haben doch gemeinsame Grundwerte: Wir sind uns bei vielen Themen uneinig wie beim Bürgergeld, aber wir sind uns einig, dass es eine soziale Absicherung geben muss.
Warum nimmt die Angriffslust der Parteien immer mehr zu?
Politiker wollen Sichtbarkeit und Schlagzeilen. Die bekommen sie, wenn sie etwas sagen, das aufrührerisch klingt. Am nächsten Tag sind sie stolz auf die Klicks, aber sie übersehen, dass die Glaubwürdigkeit der Politik leidet. So sinkt das Vertrauen, die Menschen wenden sich ab.