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AnlageexperteWas bringen Demografiefonds und Aktien wirklich?

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - ILLUSTRATION - Figuren von Menschen in verschiedenem Alter sind am am 09.03.2012 an dem Gebäude des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin in der Glinkastraße auf eine Scheibe aufgeklebt.

Figuren von Menschen in verschiedenem Alter an dem Gebäude des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin (Symbolbild)

Die Annahme, dass Babyboomer in Rente mehr konsumieren, habe sich als falsch herausgestellt, was Branchen-Experten überrascht.

Der demografische Wandel gilt normalerweise als eines der größten Probleme unserer Gesellschaft. Was aber, wenn sich mit ihm Geld verdienen ließe? Das zumindest versprechen sogenannte Demografiefonds oder -aktien.

Das Prinzip ist leicht erklärt: Weil die Lebenserwartung steigt und es immer mehr ältere Menschen geben wird, verändert das die Nachfrage und damit auch die Märkte. Ältere brauchen eher Pharmazeutika, Prothesen und Pflege. Gleichzeitig seien, so die landläufige These, viele von ihnen länger fit und damit reiselustig und konsumfreudig. Warum also nicht in Branchen investieren, die damit ihr Geld machen?

Demografiefonds: Experte mahnt zu Vorsicht

„Da muss man vorsichtig sein“, sagt allerdings Investmentexperte Christian W. Röhl. Bislang sei man davon ausgegangen, dass die Babyboomer in der Rente so richtig anfangen zu konsumieren. Ihm zufolge galten deswegen Kreuzfahrt- und Golf-Aktien lange als Standard. Außerdem Gesundheits- und Finanzdienstleistungen, weil das angesparte Vermögen ja verwaltet werden muss.

„Als Klassiker gelten: Gesundheit, Finanzdienstleistungen und Reise/Freizeitthemen.“ So weit – so falsch. „Babyboomer ticken ganz anders, als man gedacht hat. Sie sind geiziger als angenommen und halten ihr Geld zusammen“, erklärt der Experte. Röhl nennt dafür drei Gründe:

Durch Corona hätten sich ältere Menschen auf wenige Kontakte, meist den engsten Familienkreis, beschränkt. Die Verkleinerung des Bewegungsradius sei über die Pandemie hinaus geblieben. Für Reisen wird demnach wesentlich weniger Geld ausgegeben als gedacht.

„Die Babyboomer nehmen das Langlebigkeitsrisiko stärker wahr, als es früher der Fall war“, sagt Röhl weiter. Soll heißen: Ihnen ist bewusst, dass sie länger leben und daher auch länger Geld benötigen könnten, als ursprünglich gedacht. Und schließlich würden Babyboomer stark an ihre Kinder denken, die es hinsichtlich ihrer Vermögens- und Eigentumsbildung nicht so leicht hätten wie sie. „Also halten sie sich mit dem Konsum etwas zurück, damit sie später auch mehr vererben oder auch jetzt schon etwas übertragen können“, so der Investmentexperte.

Investment in Altersheime ist heikel

Das heißt also: Der Erfolg sogenannter Demografiefonds ist nicht ausgemacht. Das habe sich zuletzt auch beim Investment in Altersheime gezeigt. Eigentlich müsste die Geldanlage erfolgsträchtig sein, denn die Anzahl der Pflegebedürftigen wird steigen. Wenn aber die Eigentümer der Immobilien nicht genug Miete einnehmen, um die Kredite zu decken und zugleich mit gestiegenen Baukosten konfrontiert sind, droht die Insolvenz. So geschehen bei der Primus Concept Gruppe.

„Eigentlich müsste das ja eine sichere Sache sein. Aber „müsste eigentlich“ funktioniert eben häufig nicht“, resümiert Röhl. Zumal Demografie nicht mit einer bestimmten Branche verknüpft sei: „Man hat ein sehr wolkiges Thema und dem versucht man bestimmte Aktien zuzuordnen“, kritisiert Röhl. Wer in einen Halbleiter-Fonds investiert, kann einfach herausfinden, ob die ausgewählten Unternehmen Halbleiter produzieren oder nicht.

Eine klare Antwort, wer letztlich vom demografischen Wandel profitiere oder nicht, gebe es nicht. „Anleger sollten diesem sehr weichen Thema nicht hinterherlaufen. Demografie ist nicht wie Technologisierung oder Digitalisierung ein großes Sektor- oder Disruptionsthema unserer Zeit.“

Wichtiger sei in puncto Demografie eher, dass es sich um einen Indikator dafür handele, wie sich eine Volkswirtschaft entwickele. Für Investoren seien Länder interessant, in denen es eine Volkswirtschaft mit günstiger demografischer Struktur gibt. „Wo also viele junge, im besten Fall gut ausgebildete Menschen auf weniger ältere Menschen kommen.“ Auch wenn nicht jeder junge Mensch in Indien eine hohe Qualifikation vorweisen könne, sei das Land angesichts seiner „gesunden Alterspyramide“ interessant.

Investmentexperte Röhl rät Anlegern, sich von dem Gedanken zu verabschieden, Demografie sei ein Trendthema wie Digitalisierung, in das man investieren könne. „Demografie ist kein Mega-, sondern ein Metatrend. Er bestimmt, wie Gesellschaften und Volkswirtschaften aussehen und sich künftig entwickeln.“

Das Thema Demografie lasse sich benutzen, um seine Investments zu steuern, um auf Volkswirtschaften aufmerksam zu werden. Aber man sollte sich davon lösen, bestimmte Unternehmen herauszufiltern, weil man glaubt, sie würden vom demografischen Wandel profitieren. „Dafür ist der demografische Wandel in all seinen Implikationen viel zu heterogen.“