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„Mouse-Jiggler“ im EinsatzWenn der Streit über Arbeitszeit im Home-Office eskaliert

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Mal eben die Wäsche aufhängen und ein Mouse-Jiggler simuliert Präsenz: Das ist Betrug.

Mal eben die Wäsche aufhängen und ein Mouse-Jiggler simuliert Präsenz: Das ist Betrug.

Homeoffice-Mitarbeiter setzen „Mouse-Jiggler“-Techniken ein, um Arbeitspräsenz zu simulieren, doch dies kann als Arbeitszeitbetrug gelten.

Es ist eine vermeintliche Randnotiz aus diesem Sommer: Die drittgrößte Bank der USA, Wells Fargo, hat im Juni über ein Dutzend Mitarbeiter aus dem Investment- und Vermögensmanagement gefeuert – und zwar weil die offenbar sogenannte „Mouse-Jiggler“ im Home Office verwendet haben. Nur, was ist das und kann man deswegen wirklich gefeuert werden?

Was ist ein „Mouse-Jiggler“?

Ein „Mouse-Jiggler“ sorgt dafür, dass der Mauszeiger ständig in Bewegung bleibt. Das kann eine kleine rotierende Plattform, auf der man seine Maus ablegt, oder auch eine Software sein. Dadurch bleibt der Computer wach und Programme wie Microsoft Teams zeigen den Benutzer weiterhin als aktiv an. „Das ist ganz praktisch, wenn man zum Beispiel mal die Wäsche machen oder ein kurzes Mittagsschläfchen während der Arbeit machen will“, so ein Mitarbeiter im Projektmanagement eines mittelständischen Unternehmens, der anonym bleiben möchte.

Eine Angestellte im Tourismusmanagement erzählt, sie würde ihre Maus zuweilen an ihren Staubsaugerroboter hängen, um parallel anderen Dingen im Haushalt nachgehen zu können. Aus dem Grund, dass sie sonst ihre Arbeitszeit einfach abzusitzen habe – selbst wenn nichts mehr zu tun sei.

Es gibt auch Software, die Präsenz simuliert

Aber nicht nur professionelle oder selbstgebaute Mouse-Jiggler-Geräte kommen zum Einsatz, auch entsprechende Software ist beliebt: „Ich nutze ,Move-Mouse‘ eigentlich täglich, weil ich mich nicht die ganze Zeit vor meinem Chef rechtfertigen will“, erzählt eine weitere Informantin. Denn: Sobald sie in ihrem Arbeitsprogramm als inaktiv angezeigt wird, erhalte sie regelmäßig Kontrollanrufe von ihrem Chef – und das, obwohl sie einfach nur in Ruhe offline arbeiten will. Software wie „Move-Mouse“ oder auch „Auto-Clicker“ sorgen dafür, dass sich der Mauscursor bzw. der Mausklick wie von Geisterhand in bestimmten Intervallen aktiviert – auch das eine Möglichkeit, um Präsenz und Arbeitszeit im Home-Office zu simulieren. Auto-Clicker erfreut sich allein auf der Plattform chip.de beispielsweise einer enormen Beliebtheit und zählt dort bereits fast drei Millionen Downloads.

Wer sich im Bekanntenkreis oder in Internetforen umhört, wird schnell ähnliche Geschichten zu hören bekommen. Es ist auch nicht unbedingt verwunderlich: Schließlich arbeiten etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland zumindest gelegentlich im Home-Office – nicht alle werden es mit der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit immer allzu genau nehmen. Solche Mouse-Jiggling-Techniken sind allerdings in der Regel illegal, wenn sie beispielsweise dazu dienen, nebenbei im Haushalt noch schnell was zu erledigen.

Einsatz von solchen Hilfsmitteln ist Arbeitszeitbetrug

„Jede Sekunde, die man vorgibt zu arbeiten, aber tatsächlich nicht arbeitet, ist Arbeitszeitbetrug“, erklärt der Rechtsanwalt Isaak Schumann, der sich auf Arbeits- und Strafrecht spezialisiert hat. Dementsprechend handele es sich auch um einen potenziellen Kündigungsgrund. Natürlich kommt es aber auch immer auf die jeweilige Ausgestaltung des Arbeitsvertrags und das Verhältnis zum Arbeitgeber an. Auf der anderen Seite macht die physische Abwesenheit ihrer Mitarbeiter und womöglich auch die Existenz solcher Techniken offenbar einige Arbeitgeber nervös. Während der Pandemie und dem Boom des Home-Office stieg die Zahl der Online-Suchanfragen nach Kontroll- und Überwachungssoftware in Unternehmen, sogenannter Bossware, sprunghaft an.

Die Angst vor Mitarbeitern, die es sich im Home-Office womöglich allzu gemütlich machen, treibt bei den Arbeitgebern zum Teil wilde Blüten. „Eine durchschnittliche Arbeitnehmer-Observation wird immer von drei bis vier Detektiven gleichzeitig durchgeführt“, erzählt der Privatdetektiv Marcus Lentz von seiner Arbeit. „So eine Observation kostet 15 bis 20000 Euro – und das ist es den meisten Arbeitgebern auch wert.“ Lentz und sein Team überwachen regelmäßig im Auftrag von großen Dax-Unternehmen, bin hin zu kleinen Drei-Mann-Betrieben, Angestellte im Home-Office. So können die Privatdetektive beispielsweise überprüfen, ob der observierte Angestellte nebenbei einem zweiten Job nachgeht oder sich gar nicht im Home-Office aufhält und stattdessen Urlaub mit der Familie macht.

Der Einsatz dieses Mittels kann durchaus legal sein, erklärt Rechtsanwalt Isaak Schumann – zumindest unter gewissen Umständen: „Einen Privatdetektiv kann man bei begründetem Verdacht einer schweren arbeitsrechtlichen Verfehlung einsetzen“, erklärt Schumann. „Das ist ein massiver Eingriff in die persönliche Sphäre des Arbeitnehmers. Insofern müssen schon konkrete Anhaltspunkte bestehen.“ Beispielsweise wenn ein Kollege der Chefetage entsprechende Hinweise gibt oder der Mitarbeiter kaum noch erreichbar ist und die Arbeitsleistung drastisch nachgelassen hat. Was den Arbeitgebern in aller Regel aber verboten ist: Heimliche Screenshots von der Arbeit am PC, das systematische Tracking der Social-Media-Aktivitäten des Mitarbeiters und weitere Überwachungstechniken, die stark in die Privatsphäre der Angestellten eingreifen. Techniken, die in den USA nicht unüblich sind.