In Zeiten steigender Mieten wächst das Interesse an Genossenschaftswohnungen. Wir geben ein Überblick zum Thema.
Mieten statt KaufenWas die Vorteile einer Genossenschaftswohnung sind und wie man rankommt
Mieter in Deutschland geben im Durchschnitt rund ein Viertel ihres Einkommens fürs Wohnen aus. Bei Singlehaushalten, Geringverdienern und in der Großstadt ist der Anteil noch höher, wie eine aktuelle Erhebung des Statistischen Bundesamtes zeigt.
Die Mietbelastung sei dramatisch, kommentierte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, die Entwicklung. „Es ist ein Alarmzeichen, dass der Anteil der Einkommen, der für Wohnkosten aufgewendet werden muss, in den vergangenen Jahren noch weiter gestiegen ist.“
Es geht um mehr als nur eine günstige Miete
Glücklich schätzen kann sich da, wer in einer Genossenschaftswohnung lebt: 5,80 Euro kostet hier im Schnitt der Quadratmeter Wohnfläche. Zum Vergleich: 2022 lag die durchschnittliche Bruttokaltmiete in Deutschland laut Statistischem Bundesamt bei 8,70 Euro je Quadratmeter.
Die geringe Miete ist bei Genossenschaften nicht der einzige Vorteil: „Das wichtigste Argument für eine Genossenschaftswohnung ist das Dauermietrecht, letztlich sogar lebenslanges Wohnrecht“, sagt Tobias Just von der Irebs Immobilienakademie der Uni Regensburg. Der Grund: Die Genossenschaft kann den Mietern nicht wegen Eigenbedarf kündigen.
Denn Wohnungsbaugenossenschaften gelten als Mittelweg zwischen Eigentum und Miete. Dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) zufolge sind die Mitglieder einerseits Miteigentümer der Genossenschaft und genießen deshalb eine größere Sicherheit. Andererseits sind sie flexibler als Wohnungseigentümer, da sie den Mietvertrag – der bei Genossenschaften Nutzungsvertrag heißt – ganz normal kündigen können, wie es heißt.
Genossenschaftswohnungen: Wie man rankommt
Etwa 2000 Wohnungsgenossenschaften gibt es in Deutschland, die rund 2,2 Millionen Wohnungen besitzen – was ungefähr 10 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestands ausmacht. Diese werden möglichst preisgünstig vermietet – an die Mitglieder der jeweiligen Genossenschaft.
Wer Mitglied werden will, muss zunächst Geschäftsanteile erwerben oder wie es bei den Genossenschaften heißt: zeichnen. Von bereits länger bestehenden Genossenschaften kosten diese laut GdW in der Regel 500 Euro bis 3000 Euro – bei neu gegründeten Genossenschaften auch um die 10000 Euro und mehr, da ihnen anfangs noch Kapital fehlt.
Wie viele Genossenschaftsanteile gekauft werden müssen, legt jede Genossenschaft selbst fest und hängt meist von der Wohnungsgröße ab: Je größer die Wohnung, desto mehr Anteile sind in der Regel fällig.
Dabei muss die Genossenschaft allerdings nicht jeden Interessenten aufnehmen, erklärt Immobilienexperte Just. „Ein Anspruch auf die Aufnahme besteht nicht.“ Zudem wird die Vergabe der Wohnungen zwar grundsätzlich nach der Dauer der Mitgliedschaft bestimmt; ob und wann eine Wohnung frei wird, ist dennoch ungewiss. „Da eine Genossenschaft häufig mehr Mitglieder als Wohnungen hat, kann es Wartelisten geben“, sagt Just.
Oft werden Wohnungen nach Bezug nicht wieder frei
Vor allem wer in einer Großstadt erst einmal eine Genossenschaftswohnung bekommen hat, zieht so schnell nicht wieder aus – nicht selten werden deshalb Wohnungen erst bei Sterbefällen frei. In eine Wohngenossenschaft einzutreten lohnt sich also in erster Linie für Menschen, die nicht häufig umziehen und die warten können. „Gerade weil Genossenschaften erschwingliche Mieten versprechen, können lange Wartezeiten genau dann entstehen, wenn der Bedarf an günstigem Wohnraum am größten ist“, so Just.
Mit dem Erwerb von Anteilen erhalten Mitglieder zudem ein Stimmrecht in den Versammlungen, während derer Geschäftsentscheidungen diskutiert und beschlossen werden. „Genossenschaften sind demokratisch konstituiert“, erklärt Just, „die Mitglieder bestimmen den Kurs der Genossenschaft.“ Überschüsse werden in der Regel für Neubau oder Sanierung reinvestiert, eine Gewinnmaximierung ist dem Experten zufolge nicht das Ziel. Dabei ist das Stimmrecht für jedes Mitglied gleich – egal, wie viele Genossenschaftsanteile er oder sie besitzt.
Es gibt auch ein Risiko
Neben dem Stimmrecht können mit der Mitgliedschaft – ähnlich wie bei Kleingärten und Vereinen – auch Pflichten einhergehen. So müssen die Mitglieder einer Genossenschaft beispielsweise regelmäßig Arbeiten für die Gemeinschaft leisten, wie etwa die Pflege von Grünflächen.
Zudem kann diese spezielle Form der Unternehmensbeteiligung auch ein gewisses Risiko bergen. „Im Falle von Fehlwirtschaften der Gesellschaft kann es passieren, dass Genossenschaftsmitglieder Kapital nachschießen müssen, falls sie dann nicht von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen“, warnt Just.