Wichtige TippsHund aus dem Tierschutz im Ausland adoptieren – darauf kommt es an
Köln/Athen – Seit Ausbruch der Pandemie entscheiden sich mehr und mehr Menschen für einen Hund aus dem Tierschutz aus Ost- und Südeuropa, der Türkei oder Weißrussland. Die Gründe dafür sind vielfältig: Weil die Verhältnisse unter denen die Tiere dort leben, noch dramatischer sind als in Deutschland. Weil die Wartelisten der Züchter immer länger werden. Oder auch, weil die deutschen Tierheime trotz überfüllter Zwinger, sehr strenge Adoptionsauflagen haben. Doch über das erste Leben ihrer Hunde in deren Heimatland wissen nur wenige Halterinnen und Halter Bescheid. Und auch nicht, worauf bei einer Auslandsadoption zu achten ist. Eine, die sich ein sehr konkretes Bild davon gemacht hat, ist Britta Wittmann aus Köln. Die 43-jährige hat im Juni zehn Tage in einem griechischen Shelter, einem Heim für Hunde, die auf der Straße lebten, ausgeholfen.
Zunächst war da aber Tony, der schneeweiße Mischling, den Wittmann vor drei Jahren über eine örtliche Tierschutzorganisation aus einer Tötungsstation in der Türkei zu sich nach Köln holte. Tony war vier Jahre jung, schwach, seine Rückenwirbelgelenke zerstört. Wittmann durchforstet Literatur und wendet bei Tony die manuellen Techniken an, die sie in ihrem Arbeitsalltag als Sport-Physiotherapeutin auch bei Leistungssportlern und professionellen Tänzerinnen anwendet.
Dem Mischling geht es aufgrund des intensiven Trainings und der Therapie stetig besser. Im Gleichtakt mir der Bindung zu Tony wächst Wittmanns Wunsch, auch mit anderen Hunden zu arbeiten. 2020 beginnt sie eine Ausbildung zur Hundephysiotherapeutin, im Rahmen derer sie sich auch damit beschäftigt, mit welchen manuellen Techniken und Abläufen man gestressten, traumatisierten Angsthunden am effektivsten helfen kann. Nach ihrem erfolgreichen Abschluss beschließt Wittmann im Frühjahr, ihr Know-How in einem ausländischen Shelter einzubringen.
Schwarze Schafe unter den Tierschutz-Organisationen
Wittmann informiert sich auch auf der Facebook-Seite „Urlaub gegen Hand“, nimmt Kontakt zu 15 Vereinen auf, viele davon schreibt sie mehrfach an, bis sie eine Antwort erhält. „Das ist die Crux am Ehrenamt, dass den Aktiven schlichtweg die Zeit fehlt, sich mit solchen Anliegen zu beschäftigen", sagt Wittmann. Hinzukommt: „Nicht jede Organisation ist seriös, macht mit notleidenden Hunden ein Geschäft, präsentiert sie in den sozialen Medien, streicht Spendengelder ein und lässt die Hunde am Ende verelenden."
So erkennen Sie seriöse Tierschutzvereine
So erkennen sie, ob ein Tierschutzverein seriös ist
Vermehrt seit Ausbruch der Pandemie wird der Tierschutz im Ausland immer beliebter. Vor allem in den sozialen Medien tummeln sich Berichte oder Vermittlungsanzeigen von Tieren aus Süd- und Osteuropa. Dahinter verbergen sich mehr und mehr unseriöse Organisationen, die kranke Tiere vermitteln, falsche Papiere ausstellen, oder wichtige Informationen verheimlichen. Auch zum Leidwesen der vielen seriösen Organisationen, die durch Corona und die Folgen des Ukraine-Krieges um dringend benötigte Spendengelder ringen, mit deren Hilfe sie die Tiere im Ausland versorgen und für die Vermittlung vorbereiten. Miriam Balders, Vorstandsmitglied des Vereins "Stray - einsame Vierbeiner e.V." erklärt, worauf Sie achten sollten, wenn Sie ein Tier aus dem Ausland adoptieren oder einen Tierschutzverein (finanziell) unterstützen möchten:
Die Homepage/Internetpräsenz sollte transparent sein, alle nötigen Informationen, wie ein Impressum, einen Nachweis der Gemeinnützigkeit, eine Satzung, den Sitz des Vereins, die Vorstellung des Teams enthalten (die Ansprechpartner sollten leicht zu finden sein) und detailliert über das Prozedere der Vermittlung informieren. Die Vereinsführung sollte den Paragraph 11 und Sachkundenachweise besitzen. Und: Ein eingetragener Verein muss auf Nachfrage Spendenquittungen ausstellen können.
Die zu vermittelnden Hunde sollten mindestens 15 Wochen alt sein, früher kann ein Tier gar nicht ausreisefähig sein, dafür benötigt es eine Grundimmunisierung, eine Tollwutimpfung, einen Chip und einen Pass, bzw. ein EU-Heimtierausweis, auf dem das Alter, die Chipnummer, die Grundimmunisierung und die Tollwutimpfung vermerkt sein müssen.
Kontaktaufnahme: Ein aufklärendes, persönliches Anfangsgespräch zu allen Abläufen und Formalitäten ist ein Muss, alle Fragen sollten dabei beantwortet werden können. Auch sollte der Verein zwingend eine Vorkontrolle vor Ort durchführen, um zu schauen, ob die vom Adoptanten angegeben Voraussetzungen wirklich erfüllt sind: Wenn schon Tiere im Haushalt leben, wie verhalten die sich? Wie ist die Wohnsituation? Wie gehen die Besitzer mit den Tieren um? Passt der Hund dorthin? Miriam Balders etwa kennt alle die von ihr vermittelnden Hunde persönlich, weiß um deren Vorgeschichte und Gesundheitszustand. Auch nach der Adoption sollten Nachkontrollen angeboten werden.
Die Vermittlungsgebühr sollte nicht viel mehr als 300 aber auch nicht weniger als 200 Euro betragen.
Die Homepage
Die Homepage/Internetpräsenz sollte transparent sein, alle nötigen Informationen, wie ein Impressum, einen Nachweis der Gemeinnützigkeit, eine Satzung, den Sitz des Vereins, die Vorstellung des Teams enthalten (die Ansprechpartner sollten leicht zu finden sein) und detailliert über das Prozedere der Vermittlung informieren. Die Vereinsführung sollte den Paragraph 11 und Sachkundenachweise besitzen. Und: Ein eingetragener Verein muss auf Nachfrage Spendenquittungen ausstellen können.
Alter der Hunde
Die zu vermittelnden Hunde sollten mindestens 15 Wochen alt sein, denn früher ist ein Tier gar nicht ausreisefähig. Dafür benötigt es eine Grundimmunisierung, eine Tollwutimpfung, einen Chip und einen Pass, bzw. einen EU-Heimtierausweis, auf dem das Alter, die Chipnummer, die Grundimmunisierung und die Tollwutimpfung vermerkt sein müssen.
Das Adoptionsverfahren
Ein aufklärendes, persönliches Anfangsgespräch zu allen Abläufen und Formalitäten ist ein Muss, alle Fragen sollten dabei beantwortet werden können. Auch sollte der Verein eine Vorkontrolle vor Ort durchführen, um zu schauen, ob die vom Adoptanten angegeben Voraussetzungen wirklich erfüllt sind: Wenn schon Tiere im Haushalt leben, wie verhalten die sich? Wie ist die Wohnsituation? Wie gehen die Besitzer mit den Tieren um? Passt der Hund dorthin? Miriam Balders etwa kennt fast alle der von ihr vermittelnden Hunde persönlich, weiß um deren Vorgeschichte und Gesundheitszustand. Auch nach der Adoption sollten Nachkontrollen angeboten werden. Auch wichtig: Dass die Organisation über die optimale Sicherung des Hundes aufklärt, dass der Hund in der ersten Zeit nur mit einem gut sitzenden Sicherheitsgeschirr und Halsband geführt wird.
Die Schutzgebühr
Die Vermittlungs- beziehungsweise Schutzgebühr sollte nicht mehr als 400 aber auch nicht weniger als 200 Euro betragen.
Stray-einsame Vierbeiner e.V.
Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Mettmann wurde 2008 gegründet, um notleidende Tiere aus Süd- und Osteuropa, vor allem alte, verletzte, misshandelte und ausgesetzte, zu betreuen, pflegen und zu vermitteln. Derzeit umfasst das aktive Team 36 ehrenamtliche Mitglieder, die gemeinsam mit 15 Tierschützerinnen und Tierschützern in Griechenland, Rumänien und Bulgarien insgesamt rund 400 Hunde betreuen und pflegen. Meist handelt es sich um Hunde, die in vermeintlichen städtischen oder privaten „Tierheimen" untergebracht, dort aber sich selbst überlassen wurden, um verletzte Tiere ohne Besitzer, die in der Klinik oder bei Veterinären landeten oder von Tierschützern aufgefunden wurden.
www.stray-einsame-vierbeiner.de
Doch dann kommt der Anruf von Miriam Balders. Die 48-jährige Euskirchenerin ist Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Tierschutzvereins „Stray. Einsame Vierbeiner e.V.“ mit Sitz in Mettmann und sehr interessiert an Wittmanns Hilfsangebot. „Es war schnell klar, dass das die richtige Organisation ist. Überzeugt hat mich vor allem auch, dass Miriam und andere Vereinsmitglieder regelmäßig nach Griechenland fliegen, um vor Ort nach dem Rechten zu schauen.“
80 Tiere in der Hunde-Pension bei Athen
Nach vier Telefonaten, in denen Wittmann und Balders gemeinsam sondieren, wo und wie ihre Hilfe am effektivsten einzusetzen ist, und alle nötigen Informationen ausgetauscht sind, bucht Britta Wittmann den Flug nach Athen. Eine dreiviertel Autostunde von der griechischen Hauptstadt entfernt, im Örtchen Avlonas, bringt „Stray" in einer Hunde-Pension viele seiner Tiere unter, primär die medizinischen Notfälle. Derzeit leben und arbeiten auf dem 6000 Quadratmeter großen Gelände – von morgens 6 bis abends 22 Uhr – zwei engagierte Tierschützerinnen mit derzeit 80 Hunden: Ourania Stravolemou („Ranja“) 53, und Kalliopi Voulgareli („Polly“), 54.
Als Britta Wittmann drei Monate später vor deren eisernen Eingangstor steht, kann sie noch nicht ahnen, mit wie vielen wertvollen Erfahrungen und Erkenntnissen sie zehn Tage später nach Köln zurückkehren wird. Wie sehr selbst Straßenhunde domestiziert, auf den Menschen bezogen und liebesbedürftig sind zum Beispiel. Oder wieviel Aufwand und welche Kosten sich hinter einer Hunde-Adoption aus dem Tierschutz verbergen.
16 Stunden am Tag im Einsatz für notleidende Hunde
Ranja und Polly empfangen Britta Wittmann herzlich und erklären ihren Tagesablauf: aufstehen, Hunde füttern, medizinisch versorgen, trainieren, Zwinger säubern, Hunde zur Siesta in den abgedunkelten Schlafraum lotsen, Wäsche waschen, gärtnern, einkaufen, Organisatorisches wie die Vermittlungskorrespondenz und Abrechnungen erledigen, verletze Hunde zur Tierärztin bringen, Hunde aufwecken, trainieren, versorgen, füttern, für die Nacht vorbereiten.
Die Aufgabenteilung der beiden Tierschützerinnen ist streng geregelt: Ranja kümmert sich um die freilaufenden Hunde und die medizinische Versorgung, um die Vermittlung und Finanzen. Polly, die Hundeflüsterin, ist zuständig für die Resozialisierung der Hunde, sprich: Sie bereitet die Tiere, die sie alle beim Namen kennt und auch ihre Vorgeschichte, auf die Vermittlung vor, indem sie mit ihnen Bindung und Vertrauen, Leinenführigkeit und Grundkommandos trainiert und die nötigen Reisevorbereitungen trifft.
50 Prozent weniger Spenden durch Corona und Ukraine-Krieg
Das alles hat seinen Preis, umso mehr, als dass „Stray" nicht in erster Linie Welpen aufnimmt, „sondern vor allem auch alte, kranke und verletzte Tiere, die beides sind: kostenintensiv und schwer vermittelbar", sagt Miriam Balders und rechnet vor: Allein 200 Euro pro Hund für den Transport ins Ausland, die Kosten für Impfungen, Wurmkuren, den Pass und die Kastration, für die medizinische Behandlung und Unterbringung. „Da kommen locker 1000 Euro zusammen, die mit der Schutzgebühr von 430 Euro inklusive Transportkostenanteil bei Weitem nicht gedeckt sind. Und dann gibt es ja noch die Hunde, die für immer auf dem Freigelände leben und versorgt werden müssen", sagt Balders und äußert ihre größte Sorge: Dass die Spenden, die sich seit Ausbruch der Pandemie und infolge des Ukraine-Krieges halbiert haben, nicht mehr ausreichen werden.
Neben den sinkenden Spenden hat Balders Verein, wie alle anderen seriösen Tierschutzorganisationen, mit nachlassendem Vertrauen zu kämpfen, das den schwarzen Schafen der Branche zu verdanken sei. Balders: „Vor allem in den sozialen Medien tummeln sich Berichte oder Vermittlungsanzeigen von Tieren aus Süd- und Osteuropa. Dahinter verbergen sich mehr und mehr unseriöse Organisationen, die kranke Tiere vermitteln, falsche Papiere ausstellen oder wichtige Informationen verheimlichen."
Britta Wittmann wird in den Tagesablauf auf dem Gelände, auf dem sie auch in einem alten Caravan gastiert – bestens bewacht von Hund Evjenios - eingebunden, so wie sie es sich zutraut und es den Ablauf nicht stört. Genießt es, dass von früh bis spät nur um eines geht: die bestmögliche Versorgung der Hunde. Behandelt Tiere, die wie die beinamputierte Sheba ihre Nähe zulassen, mit Pfotenreflex- und osteopathischen Techniken, säubert die Zwinger, hilft beim Füttern, der Pflege und der Gartenarbeit. Und erfährt von Schicksalen, „die mich nicht unberührt ließen."
Wie das von Sheba, einer Hündin, die sich mit 15 Monaten beim Sprung über eine Mauer am Bein verletzt, diese Behinderung nicht akzeptieren kann und beginnt, das betroffene Körperteil selbst zu zerstören. Tierschützer sammeln das verletzte Tier Jahre später auf und bringen es in eine Klinik, wo Veterinäre das Bein amputieren müssen. Wittmann: „Sie war eine sehr aktive Hündin, die nach dem Unfall nicht mehr so konnte, wie sie wollte. Das machte sie depressiv. Jetzt hat sie bei Ranja und Polly einen Platz gefunden, wo es so viel mehr als nur Futter gibt: Liebe und Sicherheit."
Mehr Anerkennung für die Tierschutzarbeit vor Ort
Bleibt die Frage, welche Erfahrung für Britta Wittmann die wertvollste war. Beruflich wie privat. „Ich habe live erleben dürfen, dass es für die Heilung noch viel mehr braucht als eine Diagnose und Behandlungstechniken“, sagt Wittmann. Und meint damit etwa den komplexen und langwierigen Prozess der Vertrauensbindung, den es braucht, bis sich ein traumatisierter Angsthund überhaupt anfassen lässt. Viel wichtiger sei ihr aber der neu gewonnene tiefe Respekt für die intensive Tierschutzarbeit, die mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung verdient hätte. „Nachdem ich erlebt habe, was Ranja und Polly leisten, frage ich mich, warum das anderswo in der Regel ehrenamtlich geschieht und man keinen fair bezahlten Beruf daraus macht", sagt Wittmann.