HochwasserschadenKein Elementarschutz – wann die Versicherung trotzdem zahlen muss
Köln/Landshut – Nur wer eine Elementarversicherung hat, kann darauf setzen, dass seine Versicherung den Schaden durch das Hochwasser übernimmt. Das trifft nur auf jeden zweiten in Deutschland zu, ein Großteil der Menschen ist nicht versichert. Doch auch ohne Elementarschutz haben Betroffene eine Chance auf Entschädigung, erklärt Wladimir Simonov, seit 15 Jahren Versicherungsmakler und heute als Berater für Vermittler und Versicherungsgesellschaften tätig.
Entscheidend sei, ob und wie der Vermittler sie zu dem Thema Elementarschäden beraten habe. Worauf es ankommt, wie Betroffene vorgehen und wer Chancen hat, erklärt der Versicherungsexperte im Interview.
Wann kommt die Versicherung für Schäden durch das Hochwasser auf?
Wladimir Simonov: Entscheidend ist der Elementarbaustein bei Hausrat- und Gebäudeversicherung. Die Hausratversicherung zahlt das, was im Haus oder in der Wohnung ist, zum Beispiel Möbel, Kleidung. Und die Wohngebäudeversicherung für das Haus selbst. Wenn man dort die Klausel für Elementarschäden nicht mit eingeschlossen hat, hat man im Schadenfall juristisch gesehen keinen Anspruch auf Entschädigung. Allerdings kommt es drauf an, wie man beraten wurde und ob es überhaupt zu einer Beratung gekommen ist.
Gibt es eine Chance auf Schadensersatz, auch wenn man keinen Elementarschutz eingeschlossen hat?
In einigen Fällen haben Versicherte einen Schadensersatzanspruch wegen Fehlberatung. Um den Tarif ein bisschen günstiger zu machen, hat der Versicherungsvermittler vielleicht davon abgeraten, Elementarschäden mit abzusichern. Oder er hat den Kunden nicht richtig aufgeklärt oder einfach selbst entschieden. In solchen Fällen gibt es Hoffnung für den Verbraucher auf eine Entschädigung.
Wann liegt ein solcher Maklerfehler vor?
Die Versicherungsvermittler sind gesetzlich dazu verpflichtet, eine Beratungsdokumentation zu erstellen über den Verlauf des Beratungsgesprächs. Vor Vertragsabschluss muss das dem Kunden ausgehändigt werden und er sollte es unterschreiben. Wenn da zu Elementarschaden nichts vermerkt ist, wird es für den Vermittler schwierig, zu beweisen, dass der Kunde das nicht wollte.
Elementarversicherung – mehr Infos
3 Tipps: Elementarversicherung abschließen
1. Alte Verträge prüfen und aufstocken: „ Jeder, der aktuell in Deutschland keine Elementarschadenversicherung hat, sollte aktiv werden und das in seiner Hausrats- und Gebäudeversicherung einschließen.“
2: Makler statt Onlineabschluss: „Nicht online vergleichen, sondern zu Vermittlern gehen und Angebote einholen. Die arbeiten enger mit den Gesellschaften zusammen und man hat bessere Chancen, noch einen Versicherungsschutz zu bekommen oder einen besseren.“
3. Nach einem Schadensfall: „Auch wenn man schon einen Schaden hatte, ist es möglich, noch einen Schutz zu bekommen. Allerdings kann es sein, dass das teurer wird und wahrscheinlich wird ein Selbstbehalt notwendig.“
Das Wichtigste auf einen Blick
BeratungsdokumentationMakler und Versicherungsvermittler sind gesetzlich dazu verpflichtet, den Verlauf eines Beratungsgesprächs zu dokumentieren. Vor Vertragsabschluss sollte der Versicherte diese Dokumentation unterschreiben und sie muss ihm ausgehändigt werden.
MaklerhaftungDie Pflichten eines Versicherungsmaklers sind weitreichend und im Einzelfall haftet er selbst für Schäden, erklärt Rechtsanwältin Kathrin Pagel, Partnerin der Kanzlei Michaelis im Fachmagazin „Asscompact“: „Wichtig sind die Dokumentation des Beratungsprozesses und die Aushändigung der Dokumentation vor Vertragsschluss“. Wenn es keine Beratungsdokumentation gibt, sie nicht von dem Versicherten unterschrieben wurde oder zu dem Thema Elementarschäden nichts drin steht oder nicht tatsächlich darüber geredet wurde, ist sie laut Simonov angreifbar.
Verträge prüfenAuch bei alten Verträgen oder Adressen, die laut Versicherung nicht mit Elementarschutz versicherbar sind, lohnt es sich, die Unterlagen zu prüfen.
Wenn jetzt ein Elementarschaden von mehreren Hunderttausend Euro eingetreten ist und es gibt keine Beratungsdokumentation oder da steht zu dem Thema nichts drin, dann haben Versicherte meiner Ansicht nach auf dem juristischen Weg gute Chancen, sich das Geld von der Versicherung zu holen.
Was ist das Problem bei alten Versicherungsverträgen?
Manche Menschen haben vor Jahren eine Versicherung abgeschlossen, in der Elementarschäden eingeschlossen waren. Und dann wurde der Schutz irgendwann mal bei einem Wechsel des Vermittlers oder der Versicherung herausgenommen. Wenn man ursprünglich eine Elementarschadendeckung hatte und die jetzt durch eine Umstellung nicht mehr hat, entsteht auf diesem Weg unter Umständen ebenfalls ein Schadensersatzanspruch.
Wieso hat man ausgerechnet bei nicht versicherbaren Häusern eine Chance auf Schadensersatz?
Es gibt manche Adressen in Deutschland, die sind nicht versicherbar gegen Elementarschäden. Das sind etwa ein bis zwei Prozent. Das nutzen manche Versicherer oder Vermittler aus und teilen mündlich mit, eine Adresse sei nicht versicherbar, weil sie sich den Aufwand sparen wollen. Dabei ist es in Wahrheit so, dass die Adresse grundsätzlich schon, aber teuer versicherbar wäre. Oder sie ist gegen Elementarschäden versicherbar, aber der Versicherer möchte das nicht unbedingt. Wenn man zum Beispiel schriftlich angefragt hat vor ein paar Jahren und einen Elementarschutz wollte, aber die Versicherung abgelehnt und Fehlinformationen weitergegeben hat, hat man aus meiner Sicht auch gute Chancen, dass der Versicherer zahlen muss. Auch das könnte einen Schadensersatzanspruch auslösen.
Wie sieht so eine Beratungsdokumentation aus?
Da gibt es keine vorgeschriebene Form, manche schreiben einen Freitext. In der Praxis gibt es bei verschiedenen Versicherungen maschinell vorgefertigte Formulare, wo die Kreuzchen schon automatisch gesetzt sind. Dabei hat man über die einzelnen Punkte nie gesprochen. Es kann sein, dass diese maschinell erstellten Formulare angreifbar sind ohne Kundenunterschrift. Und bei vielen Gesprächen gab es auch keine Beratungsdokumentation, obwohl das Pflicht ist.
Die Beratungsdokumentation dient dazu, dass der Vermittler seinen Rat belegen kann: Warum er zum Beispiel den Elementarschutz empfohlen hat oder nicht und wie der Kunde sich entschieden hat, ob er diese Deckung will oder nicht, aus welchen Gründen er sie nicht will. Und im Endeffekt als Beweis, bei Fragen der Haftung: Dass er sie gegebenenfalls vor Gericht vorweisen kann, um zu zeigen: Ich bin nicht schuld, der Kunde hat das so gewollt.
Was gilt für Versicherungen, die ich online abgeschlossen habe?
Wenn man eine Versicherung online abschließt und man klickt selbst den Elementarschutz nicht aktiv an, hat man auch keinen Schadensersatzanspruch. Und kaum Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Wenn man mit Beratern zusammenarbeitet, ist in Schadensfällen mehr möglich, etwa dass die Versicherung aus Kulanz leistet.
Zur Person
Foto: Alexej Testov
Wladimir Simonov, 1985 geboren, ist seit 15 Jahren Versicherungsmakler und berät inzwischen andere Finanzdienstleister zu Online-Marketing und Themen aus der Versicherungswirtschaft. Dabei kritisiert er regelmäßig Missstände in der Branche, etwa den heutigen Elementarschutz oder das Rentensystem.
Aber wenn man den Vertrag online abschließt, hat man „gekauft wie gesehen“ und niemanden, der einem helfen könnte oder den man wegen Fehlberatung in Haftung nehmen könnte. Das ist ein großer Nachteil daran, Versicherungen online abzuschließen, auch wenn es manchmal günstiger erscheint.
Wie sollten Betroffene vorgehen, wenn sie glauben, dass sie nicht richtig beraten wurden oder einen Fehler entdeckt haben?
Erstmal sollten sie intensiv das Gespräch suchen. Und signalisieren, dass sie sich nicht damit abfinden werden, wenn da keine Entschädigung kommt. Dann sollte man den Schaden schriftlich melden, sowohl bei der Hausrat- als auch bei der Gebäudeversicherung. Auch wenn die Versicherung sagt, der Betroffene sei nicht versichert.
Als dritten Schritt sollte man die Beratungsdokumentation prüfen und auch alle Anträge und Schreiben, die man vielleicht digital noch hat. Falls nichts zum Elementarschutz drinsteht, verbessert es die eigene Verhandlungsposition.
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Wenn man die Dokumentation nicht mehr hat, kann man sie nochmal anfordern. Viele Kunden haben gar nichts dazu bekommen oder es gibt keine Dokumentation. Zuletzt kann man noch die Verbraucherzentrale, Rechtsanwälte oder sogenannte Versicherungsberater einschalten, die auf Regulierung von Schadensfällen spezialisiert sind.
So gehen Sie vor:
1. Gespräch mit Vermittler und Versicherer suchen, Standpunkt deutlich machen
2. Schaden schriftlich bei der Versicherung melden, Frist für Abwicklung setzen
3. Beratungsdokumentation prüfen: Vorhanden, unterschrieben, steht etwas zum Thema Elementarschäden drin?
4. Kein Erfolg bei der Versicherung: Hilfe bei Verbraucherzentrale und/oder einem spezialisierten Juristen suchen, ggfs. vorher Mediation probieren.
Wo bekommen Betroffene Hilfe?
Erste Anlaufstelle sollte der eigene Versicherungsvermittler sein. Er hat ein Interesse daran, langfristig mit dem Kunden zusammen zu arbeiten. Wenn er Fehler eingesteht, kann er bei der Versicherung oft auf dem kurzen Dienstweg vermitteln und Kulanz erwirken. Wenn das fehlschlägt, sollte man sich an die Verbraucherzentrale oder entsprechend spezialisierte juristische Berater wenden, also Rechtsanwälte oder Versicherungsberater. Das ist ein Spezialbegriff aus der deutschen Versicherungswirtschaft, diese arbeiten in Versicherungsdingen wie ein Rechtsanwalt, dürfen aber nur außergerichtlich tätig werden. Auch eine Rechtsschutzversicherung könnte helfen; bei manchen Tarifen ist vorgeschrieben, dass man vorher eine Mediation versucht.
Wie stehen Ihrer Ansicht nach die Erfolgsaussichten?
Man sollte immer versuchen, eine Lösung zu finden, mit der alle Seiten leben können. Und erst später gucken, wie man da juristisch mehr Druck ausüben kann. Wenn man tatsächlich in eine juristische Auseinandersetzung geht, hängt es stark davon ab, ob man Beweise hat. Sonst riskiert man, vor Gericht zu scheitern und weitere Kosten.