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Ahr-Winzer„»Et hätt noch immer jot jejange« hat uns über vieles hinweggeholfen“

Lesezeit 4 Minuten
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Die Weinberge bei Mayschoß im Ahrtal im Oktober 2021. 

Matthias Baltes von der Winzergenossenschaft Mayschoß im Gespräch über die schwierige Zeit nach der Flut, die großartigeHilfe beim Wiederaufbau und der Weinlese, den zaghaften Neuanfang des Tourismus und über das, was sich in der Region nach dem Hochwasser ändern sollte

Herr Baltes, die Winzergenossenschaft wurde im Jahre 1868 gegründet. Gibt es in den letzten 150 Jahren ein Ereignis, das mit der Flut im Juli vergleichbar wäre?

Matthias Baltes: Die Ortshistoriker berichten von diversen Hochwassern, aber keines war so verheerend wie dieses Jahr. Was die Schäden, aber vor allem die Todesopfer betrifft. Selbst in den zwei Weltkriegen wurde die Region nicht so hart getroffen wie heuer.

Zur Person

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Der gebürtige Mayschosser Matthias Baltes ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender der Winzergenossenschaft Mayschoß, der ältesten Kooperative der Welt. Hier versammeln sich 466 Mitglieder, die zusammen 150 ha Weinberge bewirtschaften. Bislang wurde über die Hälfte der Weine direkt an Touristen oder in der Region verkauft.

Wie ist die Genossenschaft konkret betroffen?

Wir haben massivste Sachschäden zu beklagen. Die Gebäude müssen entweder kernsaniert oder abgerissen werden. Etwa 10 Prozent der Rebflächen haben wir verloren, ebenso ca. 15 Prozent der Flaschen- und Fassweinbestände.

Macht es als Tourist überhaupt Sinn in die Gegend zu fahren?

Auf jeden Fall. Wir freuen uns sehr über jeden, der uns besucht. Übrigens nicht nur die Winzer, sondern auch die Handwerker vom Bäcker bis zum Metzger oder die Gastronomen, die bereits wieder geöffnet haben, heißen jeden herzlich willkommen. Wir haben immer mit und von dem Tourismus gelebt. Davon hängt unsere Zukunft ab. Auch deshalb haben nicht nur wir uns zügig überlegt, wie und wo wir unseren Gästen wieder eine schöne Zeit bieten können. Damit man wieder zu uns kommt. Es geht hier nicht um Katastrophentourismus, sondern darum, diese schöne Region erleben zu können.

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Weinlese im Flutjahr – dank vieler Helfer könnte der Wein eingebracht werden.

Wo kann man denn derzeit Wein kaufen?

Viele Winzer, deren Vinothek zerstört wurde, haben einen Lagerverkauf errichtet. Ebenso gibt es im Rahmen des Projekts „Wandern für den Wiederaufbau“ diverse Weinstände in den Weinbergen. Unsere Verkaufsstelle in Walporzheim hat wieder geöffnet. Dort sind auch die Straßen so weit intakt, dass man diese gut anfahren kann. Auf den Internetseiten der Winzer, aber auch beim Ahrtal Tourismus, bekommt man aktuelle Informationen dazu.

Was macht die Ahr Ihrer Meinung nach einzigartig?

Erst einmal unsere Kulturlandschaft. Die teilweise terrassierten Schiefersteilhänge sind ein besonderer Anblick. Weinwandern hier ist einmalig. Dann natürlich die Typizität der Weine. Spätburgunder, der auf Schieferböden wächst und dadurch eine ganz eigene Charakteristik bekommt. Aber es ist auch das rheinische Gemüt der Leute hier. Das merkt man nun auch in dieser schwierigen Zeit. Wir halten zusammen und das im Kölschen Grundgesetz verankerte „Et hätt noch immer jot jejange“ hat uns über die vielen schwierigen Momente hinweggeholfen. Hier werden schon wieder kleine Weinfeste gefeiert. Es ist diese rheinische Lebenslust, die uns ausmacht.

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Konnten Sie die Lese nun gut einbringen?

Das Jahr war sehr regenreich und es gab enormen Pilzdruck. Die Hilfe unter anderem von Winzerkollegen aus ganz Deutschland, die direkt nach der Katastrophe kamen und unsere Weinberge fachgerecht pflegten, konnte das Schlimmste verhindern. Mit den vielen freiwilligen Lesehelfern konnten wir nun alles per Hand lesen und dementsprechend faule Trauben aussortieren. Das hat sehr gut geklappt und wir sind dankbar, dass wir zumindest in dieser Hinsicht einen positiven Jahresabschluss erwarten.

Wie blicken Sie in die Zukunft?

Mittlerweile positiv. Wir in der Winzerschaft, aber auch Handwerker, Hoteliers und Gastronomen überlegen bereits, wie wir aus diesem Schicksalsschlag eine Chance machen können. Früher war die Ahr und gerade der Ort Mayschoß für den „Sauftourismus“ bekannt. Das hat sich in den letzten Jahren gewandelt, aber wir wollen noch besser werden. Die Ahr soll eine qualitative Urlaubsregion werden, mit guter Infrastruktur, Wanderwegen, Hotels mit Wellnessangeboten und Gastronomen, die besonderen Genuss bieten. Wir Winzer wollen mit ansprechenden Vinotheken, Verkostungen, Events und vor allem mit unseren besonderen Weinen einen Beitrag leisten, die Ahr als hochwertige Genussregion zu etablieren.