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Internet-Videos als BerufMarcel Althaus alias „MarcelScorpion“ ist ein Vollzeit-YouTuber

Lesezeit 5 Minuten

Am Anfang verdiente Marcel Althaus sein Geld mit Videospielen, mittlerweile gewährt er auch Einblicke in sein Leben. (Foto: Benjamin Stöß)

Auf seinem Gewerbeschein steht "selbstständiger Medienproduzent". Mit seinen eigenen Worten gehört er zur "ersten Generation der Vollzeit-Youtuber". Für die jungen Leute von heute hat er den Status eines Rockstars: Marcel Althaus (21) aus Düsseldorf, unter seiner Fangemeinde besser bekannt als "MarcelScorpion". Sein Markenzeichen auf Fotos: kritischer Blick, gerunzelte Stirn. Monatseinkommen: Zwischen 7000 und 12 000 Euro brutto, abzüglich Steuern und Krankenversicherung. Geld ist für ihn kein Tabuthema: "Was ich verdiene, habe ich auch schon in einem Video erzählt. Genauso weiß ich auch, was meine Kollegen auf dem Konto haben." Die jungen Leute tauschen sich aus. Auch über die Agenturen, die sie managen und Werbeverträge, die sie abschließen.

Marcel verdient seinen Lebensunterhalt damit, dass er Videos für die Internetplattform Youtube produziert. Das Berliner Medienunternehmen Divimove, bei dem er unter Vertrag steht, hat in seiner Kartei weitere 1700 professionelle Youtuber aus verschiedenen Ländern Europas. Marcel ist "Gamer" ("Spieler" auf deutsch), das heißt, die Mehrzahl seiner Videos dreht sich um ein bestimmtes Computerspiel.

Divimove hat aber auch andere Internetstars unter Vertrag: Die einen produzieren Videos über Trends aus dem Bereich Schönheit und Mode, andere unterhalten ihre Fans mit kurzen Webserien oder Musik. Nach eigenen Angaben ist das Medienunternehmen "Europas größtes Talent-Netzwerk" in der Branche. Divimove betreut die Youtuber, organisiert Events und kümmert sich um Werbeverträge.

Beim Computer-Spielen sich selber filmen

So hat Marcel Zeit, sich hauptsächlich um die Produktion seiner Videos zu kümmern. Das heißt, während er spielt, zeichnet er die Sequenzen auf Video auf und schneidet sie zu einem kurzen Film. Anschließend vertont er die Ausschnitte mit eigenen Kommentaren. Dafür steht in seinem Arbeitszimmer neben einem Rechner, drei Monitoren und Spielkonsolen auch ein Mikro wie im Tonstudio.

Dazu produziert er so genannte "Lifestyle-Videos" über und aus seinem Leben - mal mit seiner Freundin Lena, mit der er vor Kurzem zusammen gezogen ist, mal mit einem Youtube-Kollegen. Mehr als 500 000 Abonnenten verfolgen seinem Kanal mittlerweile. Täglich kommen mehr als 1000 dazu. "Gestern war kein guter Tag", erzählt Marcel. Da waren es weniger. Unter jungen Leuten zwischen 14 und 17 Jahren löst der Internetstar Begeisterungsstürme aus. Zuletzt bei einem Treffen zwischen Youtubern und Fans in Berlin. Ein Video zeigt, wie sich 5000 Leute vor eine Bühne drängen und immer wieder Marcels Namen rufen. Es herrscht Stadionatmosphäre. Sogar Fans aus der Schweiz und Österreich seien angereist, so Divimove. "Danach haben wir mehrere Stunden Autogramme gegeben. Jeder sollte eins bekommen", erklärt der junge Mann.

Marcel weiß, dass es viele Menschen gibt, die nicht ernst nehmen, was er beruflich macht. Vorurteile, wie er habe ständig Urlaub oder spiele doch nur, kennt er nur zu gut. Urlaub hatte er tatsächlich in diesem Jahr bisher eine Woche: "Wenn ich wegfahre, muss ich die Videos vorproduzieren." Etwa zehn Videos pro Woche nimmt er auf, teilweise erscheinen sie auf seinem Kanal zu festen Zeiten. Immer Dienstags-, Donnerstags- und Sonntagsabends um 18 Uhr. Für ein Video braucht er zwischen drei und acht Stunden.

Wer nichts produziert, ist raus

Mal eine Zeit lang nichts zu veröffentlichen, ist in der Branche undenkbar: Wer nichts produziert, ist raus, sagte einer seiner Kollegen bereits in einem Interview und spricht damit auch einen gewissen Druck an, unter dem die Internetstars arbeiten. "Das Internet vergisst schnell", sagt Marcel. "Selbst wenn ich ins Krankenhaus müsste, wäre auf jeden Fall die Kamera mit dabei."

Seit zwei Jahren ist der 21-Jährige professioneller Youtuber. Davor hat er Abitur gemacht und ein duales Studium begonnen. In das Studium war eine Ausbildung bei einer Bank integriert. "Ich wusste eigentlich direkt, das das nichts für mich ist", erinnert sich Marcel. Dann habe er ein Praktikum beim Radio gemacht, nebenher immer gespielt. "Als mir klar wurde, dass mein Youtube-Kanal mehr Abonnenten hat, als der Radiosender Zuhörer, wusste ich, was ich in Zukunft mache."

Jetzt ist er selbstständig. Auf der einen Seite lebt er seinen Traum, auf der anderen Seite muss er sich einen Steuerberater suchen und täglich E-Mail-Anfragen für Werbeaufträge durchsehen. Divimove unterstützt ihn zwar, aber Marcel beschäftigt sich auch selbst mit dem Thema Vermarktung: "Es gibt viele Youtuber, die werben für alles, Hauptsache es bringt Geld. Damit ist man irgendwann nicht mehr glaubwürdig. Warum sollte ich Werbung für Waschmittel machen?" Solche externen Werbeverträge sind für Marcel allerdings nicht Haupteinnahmequelle.Mit Werbung, die vor seinen Videos läuft, generiert Marcel den Großteil seines Einkommens. Je öfter sein Video geklickt wird, desto mehr zahlen die Firmen. "Für fünf Millionen Aufrufe gibt es etwa 2200 Dollar", erklärt Marcel. Darüber hinaus gibt es Kappen und T-Shirts mit seinem Logo zu kaufen. Die zweite große Einnahmequelle. Eine der schwarzen Kappen trägt er selbst.

Autogramme auf der Straße

Während der Fotograf ihn an seinem Schreibtisch ablichtet, spielt Marcel eine Sequenz des Spiels, das ihn so bekannt gemacht hat - ein sogenannter Ego-Shooter, bei dem der Spieler in die Rolle eines Soldaten schlüpft und kämpft. "Oh nein. Das war jetzt echt knapp. Was ist denn mit der Waffe los?" Dann hat er einen guten Lauf: "Das war perfekt. Bei einem meiner nächsten Videos werde ich die Szene verwenden. Und dann erzähle ich, dass ich dabei interviewt wurde."

Auch wenn ihn Leute auf der Straße ansprechen und Autogramme von ihm wollen - richtig berühmt fühlt er sich trotzdem noch nicht. Seine Erfahrungen bisher mit klassischen Medien sind überschaubar: Ein Interview bei der Bravo, eins bei Bild. "Über eine Einladung von Stefan Raab würde ich mich freuen", verrät er. Doch in den nächsten Tagen ist der Terminkalender gut gefüllt: Die Gamescom in Köln beginnt. Ein Geschäftstermin für alle "Vollzeit-Youtuber".