Schwindel zu diagnostizieren, kann kompliziert sein. Doch in den meisten Fällen reichen zwei Fragen, erklärt der Arzt Dr. Magnus Heier.
Neurologe erklärtWarum vielen Menschen morgens nach dem Aufstehen schwindelig wird
Die Schwindeldiagnostik ist eigentlich kompliziert. Ist es eher ein Drehschwindel wie im Karussell oder ein Schwankschwindel wie auf einer Schaukel? Oder ist es ein diffuser Schwindel ohne präzise Zuordnung? Gibt es Begleitsymptome wie Übelkeit oder Erbrechen? Ist das Sehen verändert? Nimmt der Betroffene Medikamente? Welche?
In den meisten Fällen ist es jedoch ganz einfach. Denn dann reichen zwei Fragen, und die Verdachtsdiagnose steht fest: Frage 1: Wird der Schwindel durch Lageänderungen ausgelöst – etwa beim morgendlichen Aufstehen? Frage 2: Dauert er nur wenige Sekunden, maximal eine Minute und ist dann schon wieder vorbei? Wenn beide Fragen bejaht werden, dann besteht der Verdacht auf einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel – diese Schwindelform ist gutartig und anfallsartig. Und vor allem: Sie ist gut behandelbar.
Im Innenohr befindet sich ein Organ zur Bewegungserkennung
Und auch die Ursache ist bekannt, wenn auch kompliziert: Im Innenohr, links und rechts, befindet sich ein Organ zur Bewegungserkennung. Es funktioniert wie ein gefülltes Wasserglas: Wenn das Glas gedreht wird, dreht sich das Wasser zunächst nicht mit. Im Innenohr gibt es statt Glas je drei winzige, mit Flüssigkeit gefüllte Schläuche in drei Ebenen (sehr, sehr winzig!). In das Innere ragen kleinste Sinneshärchen. Bewegt sich der Schlauch relativ zum Wasser, bemerken die Sinnesorgane und damit das Gehirn, dass sich der Kopf bewegt. Ob er sich dreht, ob er nach vorn oder hinten kippt, ob er zur Seite kippt. So bemerken wir Bewegungen mit geschlossenen Augen. Und das System funktioniert gut, auch weil es zwei Systeme in beiden Ohren gibt, deren Informationen das Gehirn abgleichen kann.
Selten können sich allerdings kleinste Kristalle in diesen Bogengängen bilden. Wenn der Kopf bewegt wird, folgen sie der Schwerkraft und schweben langsam nach unten. Dabei reizen sie die empfindlichen Sinneshärchen – und lösen eine schwere Schwindelattacke aus. Aber nur so lange, bis das Kristall am Boden angekommen ist. Dann ist Ruhe. Bis zur nächsten Bewegung. Besonders drastisch sind die Schwindelattacken zumeist morgens, beim Aufstehen, nach langer Ruhe. Die gleiche Bewegung am Abend löst eher weniger heftigen Schwindel aus, vermutlich, weil das Gehirn sich über den Tag etwa adaptiert hat.
Erfolgreichste Behandlung des gutartigen Lagerungsschwindels ist Lagerungstraining
Und darin liegt auch die Chance einer Therapie: Das Gehirn kann lernen, die falschen Signale zu ignorieren. Dabei sind Medikamente gegen Schwindel allerdings nicht hilfreich, im Gegenteil. Auch das „Einrenken“ einer vermeintlich ausgerenkten Wirbelsäule ist sinnlos und kann sogar gefährlich sein. Die erfolgreichste Behandlung des gutartigen Lagerungsschwindels ist Lagerungstraining am bekanntesten das nach Brandt. Auch zum „Ableiten“ der Kristalle. Zumeist lässt sich der Schwindel damit nach zwei bis drei Wochen beenden, zumindest aber mindern. Am Anfang steht die präzise Diagnose beim Hausarzt oder Neurologen – dann die schnell erfolgreiche Behandlung.