AboAbonnieren

Immer mehr BetroffeneMediziner erklärt, warum draußen Spielen Kurzsichtigkeit vorbeugt

Lesezeit 3 Minuten
Ein knapp sechs- bis siebenjähriges Kind, das eine Brille trägt, spielt auf einem Spielplatz

Wenn Kinder viel draußen spielen, sind sie natürlich nicht gänzlich geschützt vor einer Sehschwäche. Aber die Gefahr einer Kurzsichtigkeit kann dadurch verringert werden.

Die Zahl Kurzsichtiger steigt, vor allem unter jungen Menschen. Magnus Heier erklärt, warum draußen spielen die Augen schützen kann.

Man könnte von einer Epidemie sprechen – obwohl das Wort eigentlich für Infektionswellen reserviert ist. Aber die Zahlen sind überaus irritierend: über eine Milliarde Menschen weltweit sei kurzsichtig. Weit mehr als früher. Sie sehen in der Nähe scharf (sind kurzsichtig), in der Weite unscharf.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“. ...

mehr

Was medizinisch Myopie genannt wird, folgt einem einfachen Prinzip: Die Brechkraft der Augenlinse ist etwas zu stark. Vor allem aber ist der Augapfel zu stark gewachsen und damit etwas zu lang – es geht um Bruchteile von Millimetern. Beides führt dazu, dass das Bild eines weit entfernten Horizonts zu stark gebrochen wird – und der Punkt maximaler Schärfe nicht auf der Netzhaut liegt, sondern ein wenig davor (bei Weitsichtigkeit ist es umgekehrt: Das Bild wäre hinter der Netzhaut scharf).

Beides lässt sich durch eine entsprechende Brille leicht korrigieren. Sie hat den charmanten Vorteil, das Auge zu schützen. Aber sie nervt.

„Du sollst nicht so viel lesen, geh nach draußen!“

Aber warum gibt es plötzlich so viele kurzsichtige Menschen? Warum steigt der Anteil Jugendlicher drastisch? Warum gilt die Kurzsichtigkeit plötzlich als Zivilisationskrankheit? Früher galt der Satz: „Du sollst nicht so viel lesen, geh nach draußen“. Und immer schon die Warnung vor zu viel Fernsehen. Heute würde man in der Warnung den Fernseher durch das Smartphone ersetzen.

Natürlich ist nicht das Buch selbst gefährlich. Aber die „Naharbeit“ – womit auch immer – wohl schon. Schon vor 150 Jahren hatte man beobachtet, dass die Kurzsichtigkeit in der Stadt viermal häufiger sei als auf dem Land. Und dass kurzsichtige Eltern häufiger auch kurzsichtige Kinder haben.

Das Auge stellt sich auf seine Aufgaben ein

Tatsächlich liegt ein Teil des Problems auf den Genen, aber vermutlich sind sie nicht der entscheidende Punkt. Noch wichtiger ist wohl tatsächlich das Verhalten. In Südostasien sind bis zu 90 Prozent aller Studenten kurzsichtig (die Zahlen unterscheiden sich je nach Quelle leicht). In Deutschland sind die Zahlen (noch) weniger drastisch. Aber sie steigen überall.

Der Hauptgrund ist vermutlich einfach die Tatsache, dass das wachsende Auge sich auf die Anforderungen einstellt. Und wenn Kinder wenig im Freien sind und stattdessen im Haus vor dem PC, dem Handy, dem Fernseher, aber auch dem Buch sitzen, dann stellt sich das Auge eben genau auf diesen Abstand ein. Tatsächlich wird das Wachstum des Augapfels von der Netzhaut mitgesteuert. Auch das Sonnenlicht scheint eine Rolle zu spielen, das Wachstum des Augapfels zu beeinflussen. Das führt nicht allein zu Kurzsichtigkeit. Es erhöht auch noch das Risiko, später andere Augenkrankheiten zu bekommen, vor allem Schäden an der Netzhaut.

Die Konsequenz ist überaus einfach und logisch: Kinder müssen raus! Vor allem kleine Kinder bis zum Alter von sechs bis acht Jahren. Aber natürlich auch danach. Täglich mindestens zwei Stunden. Dies ist gut für Körper und Geist – vor allem aber kann das Risiko für Kurzsichtigkeit und Folgeerkrankungen im Freien erheblich gesenkt werden. Ein lächerlich einfacher, aber entscheidender Tipp.