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„I'm blue da ba dee da ba di“Wie ein Ohrwurm entsteht – und wie er wieder verschwindet

Lesezeit 3 Minuten
Blaue Kopfhörer liegen auf rotem Untergrund

Keine Kopfhörer auf den Ohren, aber das Lied ist trotzdem omnipräsent: Der Ohrwurm hat zugeschlagen.

Je nach Musikgeschmack können Ohrwürmer ganz schön lästig werden. Unser Kolumnist erklärt, wie sie entstehen. Und wie man sie wieder loswird.

Natürlich kenne ich Ihren Musikgeschmack nicht. Aber versuchen wir es trotzdem: „We don't need no education!“. Es ist wahrscheinlich, dass Sie diese Zeilen nicht lesen konnten, ohne gleichzeitig die Melodie mitzudenken. Nicht? Dann so: „Ein bisschen Frieden, ein bisschen Träumen…“

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“. ...

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Muss man nicht schön finden, kennt man aber, wenn man nicht sehr jung ist. Die Beispiele machen überdeutlich, wie eng Ton und Wort im Gehirn miteinander verknüpft sind. Aber es geht noch weiter: Wenn Sie Pech haben oder Glück, je nach Geschmack, dann haben Sie jetzt gerade fahrlässig einen Ohrwurm in ihr Gehirn gelassen. Wenn nicht, summen Sie eines dieser Lieder ein bisschen vor sich hin. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ohrwurm entsteht, ist groß.

Aber was sind Ohrwürmer überhaupt? Sie sind Melodiefetzen oder längere Musikteile, die uns das Gehirn immer wieder vorspielt, ohne dass wir es wollen. Mehr noch: Je mehr man sich darüber ärgert, desto hartnäckiger verbeißen sich die Ohrwürmer im Gehirn. Das kann Stunden, in Einzelfällen sogar Tage dauern. Immer wieder kommt die gleiche Melodie.

Eingängige Wiederholungen in der Melodie: Achtung, hohe Ohrwurmgefahr

Lieder sind umso gefährlicher, je eingängiger deren Melodie ist. Steigt sie erst langsam an, um dann wieder abzufallen, ist sie riskant. Wiederholen sich in der Melodie kleine Passagen immer wieder: Ohrwurmgefahr. Warum passiert das? Die plausibelste Erklärung ist eine evolutionäre: Wer eine in der Natur gehörte Melodie oder ein Geräusch immer wieder im Kopf wiederholt, der kann sich diese leichter einprägen. Was etwa bei Tierlauten oder Vogelgesang hilfreich sein kann.

Vielleicht sind Ohrwürmer aber auch einfach nur sinnlose Verschaltungen im Gehirn. Man weiß es nicht. Interessant ist aber, dass ein Ohrwurm umso wahrscheinlicher ist, je weniger beschäftigt das Gehirn ist. Wer im Entspannungsmodus Musik hört, wird sie sich eher einprägen, als wenn er oder sie gleichzeitig andere Dinge tut. Schon das Kauen eines Kaugummis kann einen Ohrwurm verhindern oder unwahrscheinlicher machen, wie eine Studie zeigte.

Summen oder überschreiben? Was gegen den Ohrwurm hilft

Wenn es doch passiert und nervt: Wie kriegt man den Ohrwurm wieder weg? Eine Möglichkeit wäre es, ihn mit einer anderen Melodie gleichsam zu überschreiben. Funktioniert oft. Manchmal hat man damit aber einfach einen Ohrwurm durch einen anderen ersetzt.

Eine zweite Möglichkeit wäre es, den Melodieteil, der sich im Kopf festgesetzt hat, aktiv zu summen und das Lied damit zu Ende zu bringen. Dahinter verbirgt sich der naheliegende Gedanke, dass das Gehirn keine unvollständigen Dinge erträgt und sie zu ergänzen versucht. Damit wäre der Ohrwurm der Versuch, die Melodie abzuschließen. Auch diese Methode funktioniert oft.

Letztlich sind Ohrwürmer ein unverstandenes, oft ärgerliches, aber immer faszinierendes Phänomen. Schön sind auch ihre Namen: von Ohrbohrern oder Ohrkaugummi ist auch die Rede. Oder auch von einem Klebeton, auch wenn der natürlich aus vielen Tönen besteht: Ohrwürmer kleben wie Kaugummi im Gehirn.