Gerne wird Milchsäure für den Muskelkater verantwortlich gemacht. Doch die ist unschuldig, wie Dr. Magnus Heier erklärt.
Ob Wandern oder WettkampfsportWoher der Muskelkater wirklich kommt und wie er wieder verschwindet
Lanzarote ist eine wunderbare Insel. Sie lädt zu Wanderungen in atemberaubende Vulkanlandschaften ein. Den größten der Vulkane haben wir erwandert – und wurden mit einem grandiosen Blick belohnt. Der Rückweg war die Hölle. Erstens ging es überraschend steil bergab (was bergauf kaum, bergab aber stark auf Muskeln und Gelenke drückt). Zweitens war der Abstieg rutschig – über mehr als 400 Höhenmeter. Wir kamen verletzungsfrei an.
Der Muskelkater am nächsten Tag war enorm. Aber was genau tat da eigentlich weh? In der beliebtesten Erklärung taucht immer das Wort „Milchsäure“ auf. Milchsäure ist ein Zwischenprodukt im Stoffwechsel, sie kann sich beim Sport durch den Abbau von Zucker im Muskel anreichen. Das tut sie vor allem bei „anaeroben“ Sportarten, wenn dem Körper vorübergehend zu wenig Sauerstoff zur Verfügung steht – also vor allem beim Sprint, weniger beim Ausdauersport (und noch weniger beim Wandern!).
Milchsäure würde den Muskel übersäuern und dadurch die Schmerzen verursachen, heißt es. Komisch ist dabei, dass der Muskelkater immer verzögert auftritt – und dann bis zu einer Woche anhält. In dieser Zeitspanne ist die angeschuldigte Milchsäure aber längst abgebaut.
Viele kleine Verletzungen im Muskel
In Wirklichkeit sind es Mikroverletzungen des Muskels, die den Schmerz verursachen, kleinste Risse in den Muskelfasern. Die führen zu leichten Entzündungen und damit schließlich zu leichten Schwellungen. Und die tun weh. Und halten mehrere Tage an. So wie auch die Schmerzen. Typischerweise tritt Muskelkater vor allem auch bei ungewohnten Abbremsbewegungen auf. Insofern ist unsere Wanderung überaus typisch: Beim Bergwandern müssen die Muskeln beim Abstieg ständig abbremsen – auch wenn der Weg nicht so rutschig ist, wie unserer. Die Kräfte kommen von außen, weil das Eigengewicht nach unten drängt. Die Muskeln werden gedehnt, leicht überdehnt – und es kommt zu leichten Verletzungen.
Diese Art von Überdehnung kann auch passiv ohne jede Bewegung erfolgen: etwa in Flugzeugen, wenn der zu kurze Sitzabstand vor allem größere Passagiere zwingt, die Beine stundenlang „einzufalten“. Auch dadurch kann es zu Muskelkater kommen – den man aber nicht mit einer Thrombose verwechseln sollte! Gegen beides hilft es, vorbeugend häufiger aufzustehen, und sich die Beine zu vertreten.
Schmerzhaft, aber nicht schädlich
Muskelkater ist schmerzhaft, aber nicht schädlich. Man kann die Dauer verkürzen: etwa in einer heißen Badewanne oder in der Sauna. Durch Massagen eher nicht. Und ob viel Bewegung der schmerzhaften Muskelgruppen danach gegen den Schmerz hilft, ist umstritten. Möglicherweise hilfreich kann sein, die betroffenen Muskeln vor Sport oder Wanderung zu dehnen und aufzuwärmen.
Die gute und wenig überraschende Nachricht ist: Muskelkater entsteht vor allem in untrainierten Muskeln durch ungewohnte Bewegungen oder Belastungen. Nach drei, vier Wanderungen ist die Bewegung für die Muskulatur aber nicht mehr ungewohnt, der Muskel trainiert. Und dann bleibt auch der Muskelkater aus.