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Männer über 40Midlife Crisis aber keine Wechseljahre

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Ein Rückgang der Libido und Erektionsstörungen hängen nicht unbedingt mit dem Testosteronwert zusammen.

Ein Rückgang der Libido, Erektionsstörungen oder eine nachlassende Tatkraft: Solche Beschwerden werden oft auf die Wechseljahre des Mannes geschoben. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Gabe des Sexualhormons Testosteron Herren im mittleren Lebensalter helfen kann. In Studien stellte sich aber heraus, dass die genannten Beschwerden nur bedingt mit dem Testosteronwert im Blut zusammenhängen. Experten mahnen daher, den Einsatz genau zu überprüfen, weil er nicht ohne Risiken ist.

Midlife Crisis aber keine Wechseljahre

Gleichwohl sinkt das Testosteron schleichend mit zunehmenden Jahren - und Männer durchlaufen um das 50. Lebensjahr eine Phase, in der ihnen körperliche und psychische Veränderungen zu schaffen machen. Aber kann man bei Männern überhaupt von Wechseljahren sprechen? „Nein“, meint Prof. Sabine Kliesch, Chefärztin für Klinische Andrologie am Universitätsklinikum Münster. „Wechseljahre, wie wir sie von Frauen kennen, die gibt es nicht bei Männern.“ Bei Frauen komme es zu einem abrupten Abfall an weiblichen Hormonen in der Lebensmitte. Das sei bei Männern nicht der Fall.

Mit 40 nimmt der Testosteronwert ab

„Etwa vom 40. Lebensjahr an nimmt jedoch der Testosteronwert im Blut des Mannes um jährlich 1,2 Prozent ab“, erklärt Kliesch, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Urologie. Diese Zahl beruht auf Schätzungen. Der Rückgang liegt am altersbedingten Abbau im Hoden oder in den Gehirnregionen, die den Hormonhaushalt steuern. Testosteron ist wichtig für den Muskelaufbau, die Knochendichte und die Bildung von roten Blutkörperchen. Auch beim Stoffwechsel im Fettgewebe sowie im Sexualleben und bei der Fortpflanzungsfähigkeit spielt es eine Rolle. „Ein Absinken des Testosterons im Blut allein macht aber noch keinen Mann krank“, betont Kliesch.

Eine europäische Studie, die Daten von mehr als 3200 Männern im Alter von 40 bis 79 Jahren analysierte, untersuchte vor einigen Jahren den Zusammenhang zwischen dem Hormon und körperlichen sowie seelischen Beschwerden. Die Autoren kamen zu dem Schluss: Nur drei Symptome aus dem sexuellen Bereich hatten - wenn überhaupt - eine direkte Verbindung mit zurückgegangenen Testosteronspiegeln. Dazu zählen Erektionsstörungen, weniger sexuelles Verlangen und seltenere morgendliche Erektionen.

Die Forscher regten an, dass das Vorliegen dieser drei Symptome plus ein Gesamt-Testosteronwert von weniger als elf Nanomol pro Liter (nmol/l) als Minimalkriterium für die Diagnose „Hypogonadismus des alternden Mannes“ gelten könne. Mit dem Fachbegriff bezeichnen Mediziner die verminderte Funktion der Geschlechtsdrüsen. Der Vorschlag sollte als Schutz vor Überdiagnosen und ungerechtfertigtem Testosteroneinsatz bei älteren Männern dienen.

Einfluss auf Adipositas und Diabetes

Als Norm für den Gesamtwert im Blut gelten derzeit laut Kliesch Werte von mehr als zwölf nmol/l, die kritische Marke liege bei weniger als acht nmol/l. Dann könne man von einem Testosteronmangel sprechen, der Effekte auf den gesamten Körper habe, wenn er lange bestehe und unbehandelt bleibe. „Ab einem Wert unter zwölf nmol/l werden wir aufmerksam, vor allem wenn Erkrankungen wie Fettstoffwechselstörungen, Adipositas oder Diabetes dazu kommen.“ Das Hormon beeinflusse diese Leiden - und diese wirkten sich wiederum auf den Testosteronspiegel aus. „Bei solchen Konstellationen kann es teilweise Sinn haben, mit Testosteron zu behandeln.“

„Bevor mit einer Therapie angefangen wird, muss ausgeschlossen werden, dass ein manifester Prostatakrebs oder auch Brustkrebs bei einem Mann vorliegt“, sagt Prof. Wolfgang Weidner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Andrologie. Auch müsse die Prostata regelmäßig untersucht werden und der Anteil der roten Blutkörperchen im Blut. „Testosteron regt die Blutbildung an, und es kann bei zu hohen Werten leichter zu Gerinnseln kommen mit einem höheren Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle.“ Weidner weist außerdem darauf hin, dass Kassen den Labortest zur Bestimmung des Hormonspiegels in der Regel nur übernehmen, wenn ein begründeter Verdacht auf Hypogonadismus vorliegt.

Nicht über die Psyche nachdenken

Der Psychologe Kurt Seikowski von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Leipzig wird regelmäßig von Männern gefragt, ob ihnen die Gabe von Testosteron helfen könnte. Seit mehr als 30 Jahren befasst er sich mit Beschwerden wie Depressionen, Schlaf- oder Konzentrationsstörungen bei Männern. Er bietet Einzelgespräche an, lehrt autogenes Training und vermittelt betroffene Männer in Selbsthilfegruppen.

Von Pillen hält er dagegen wenig: „Vor allem als der Boom mit Mitteln wie Viagra aufkam, herrschte fast schon Erleichterung bei Männern: Wir haben ja Medikamente, können stark bleiben und müssen nicht über unsere Psyche nachdenken“, kritisiert der Vorsitzende der Gesellschaft für Sexualwissenschaft. Zum Glück habe sich diese Denkweise geändert: Inzwischen akzeptierten die Männer eher, dass ab 40 ihre Leistungsfähigkeit abnehme und sie über Erholungspausen nachdenken müssten. Und sie hinterfragten mehr, ob sie sich auf Hormone oder andere Präparate einlassen sollten.

Vor allem Männer zwischen 48 und 55 Jahren beschreiben eine stark verminderte Lebenszufriedenheit, wie eine kleine Studie von Seikowski ergab. Freizeit und Hobby bereiteten mehr Probleme als sonst, und die Männer seien mit ihrer Partnerschaft, ihrer Sexualität und sich selbst unzufrieden. „In den Jahren danach haben sie sich jedoch meist wieder angepasst“, sagt Seikowski. Er finde daher den englischen Ausdruck „midlife crisis“ immer noch am passendsten, um die Situation zu beschreiben. (dpa)