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Hautkrankheit, GendefektMenschen mit seltenen Krankheiten - so leiden Betroffene

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Concetta Tatti leidet an „Juvenile Dermatomyositis“.

Nach der Entbindung legen die Schwestern Hannelore Rüsch einen kerngesunden Jungen in den Arm. Der Nachzügler der Familie, Florian, war ein Wunschkind, erzählt die Mutter. Und doch ist etwas anders als bei den Geschwistern: Der Kleine bewegt sich zunächst relativ wenig, fängt später an zu sprechen. Sorgen machen sich die Familie nicht. „Wir hielten Florian für einen Spätzünder.“ Dass ein extrem seltener Gendefekt die Ursache für seine verzögerte Entwicklung ist, zeigt sich Jahre später. Der Tag der seltenen Erkrankungen am Montag soll auf die Belange von Betroffenen wie Florian aufmerksam machen.

Erkrankung nur im Vergleich zu Altergenossen bemerkt

Dessen seltene Erkrankung bemerkte Familie Rüsch nur, weil die Kluft zwischen ihm und den Altersgenossen immer größer wurde und sie ihn testen ließen. Erst hieß es: geistige Behinderung. Dann stellten Experten der Frankfurter Uniklinik sogenannte partielle Trisomie 7 als Ursache fest. Florian sei dem damaligen Befund nach einer von fünf bekannten Fällen weltweit, so die Mutter. „Wir konnten das gar nicht fassen.“ Dennoch habe die Diagnose sie auch erleichtert: „Es war dann klar, dass wir keine Schuld hatten.“ Früher habe sie sich gesorgt, Florian habe womöglich im Mutterleib Schaden genommen.

Als völlig gesundes Kind kommt auch Concetta Tatti zur Welt. Ihr Leben ändert sich schlagartig mit drei Jahren. „Meine Beine fühlten sich an, als hätte mir jemand Blei unter die Füße gebunden“, erzählt die heute 40-Jährige. Sie will nicht laufen, schläft nicht mehr durch, der Körper schmerzt, sie fiebert, hat glühende Flecken im Gesicht. Nach Untersuchungen bei mehreren Ärzten und in verschiedenen Kliniken wird auch bei ihr eine seltene Erkrankung diagnostiziert: Juvenile Dermatomyositis, eine entzündliche Erkrankung von Haut und Muskeln, bei der das Immunsystem den Körper bekämpft.

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Concetta Tatti hat 15 Assistentinnen, die sich schichtweise um das Wohlergehen der lebensfrohen Italienerin kümmern.

Betroffene Mutter: „Wir standen eigentlich immer alleine da“

Florian, inzwischen 13, sehe man seine Krankheit auch heute nicht an, sagt Hannelore Rüsch. Er besuche eine Förderschule, sei geistig so weit wie ein Erstklässler. Seine Kindergarten-Freunde sind jetzt Teenies. In der Klinik sagte man den Rüschs, dass Florian ein Leben lang auf Hilfe angewiesen sein werde. „Wir standen eigentlich immer allein da“, sagt Rüsch. Verbittert wirkt sie nicht: Sie bezeichnet ihren Sohn lachend als „Überraschungspaket“. Er habe Kinder mit Downsyndrom als Freunde gefunden. Andere Betroffene leben in den USA.

Wer eine seltene Erkrankung hat, fühle sich oft verloren. Das berichten viele Menschen, die mit Patienten zu tun haben. Unentwegt wird online recherchiert, nach anderen Betroffenen, nach Therapieoptionen. Während Hannelore Rüsch ihre Erfahrungen in einem Buch bündelte, gründete Concetta Tatti in München eine Selbsthilfegruppe.

Groß geworden im Krankenhaus

Fremdbestimmt zu werden, davon hat Tatti genug. Noch heute ist ihr das Trauma durch den Ausbruch der Krankheit anzumerken, der sie von heute auf morgen „komplett pflegebedürftig“ machte. „Ich bin im Kinderkrankenhaus groß geworden.“ Sie schildert schmerzhafte Abschiede von der Mutter, das Alleinsein in der Klinik und Unverständnis über das, was mit dem eigenen Körper passiert.

Bei auf Dauer unklaren Beschwerden geht es für Betroffene von Experte zu Experte. „Aus Unkenntnis werden dann oft Diagnosen zugeschrieben, die das vorliegende Krankheitsbild aber nicht erfassen“, sagt Christine Mundlos, die an der Charité für das Selbsthilfe-Netzwerk Achse e.V. Mediziner und Therapeuten berät. „Ärzte können und müssen nicht alle Erkrankungen kennen, sollten sich dieses Nichtwissen aber auch einmal eingestehen. Und dann im Sinne des Patienten agieren“, sagt sie. Schnell werde bei unklarer Diagnose eine psychosomatische Ursache angenommen, was den Leidensdruck weiter erhöhe.

Diagnose nur durch innovative Diagnostik

„In 90 Prozent der Fälle sind es nicht Ärzte, sondern Patienten, die bei uns anrufen, mailen oder vor der Tür stehen“, sagt Prof. Annette Grüters-Kieslich vom 2011 gegründeten Berliner Centrum für seltene Erkrankungen der Charité. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen mit unklaren Symptomen sei manchmal eine innovative Diagnostik vonnöten, um eine Diagnose stellen zu können. Erwachsene fühlten sich dagegen oft nicht gut von ihren Ärzten verstanden, so Grüters-Kieslich. „Ihnen gerecht zu werden, auch wenn sie nicht in ein Zentrum für seltene Erkrankungen gehören, ist die große Herausforderung.“

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Probleme mit Ärzten kennt Concetta Tatti nur zu gut. Oft fühle sie sich wie „der besonders schwierige und aufwendige Fall“, für den sich keiner auf Dauer verantwortlich fühle. Mit 1,46 Metern und 28 Kilo Gewicht sei sie „gefangen im Körper eines 9-jährigen Kindes“. Sie steht damit zwischen zwei Disziplinen - dabei hat die Erwachsenenmedizin kaum Erfahrung mit Fällen wie ihrem, weil Betroffene bisher meist nicht ihr Alter erreichten.

Im Notfall in eine auf Erwachsene spezialisierte Klinik eingeliefert zu werden, könne lebensbedrohlich sein, fürchtet sie: Mit ihren dünnen Armen und Beinen ist sie auf medizinische Instrumente in Kindergröße angewiesen. Ansonsten sei sie es, die endlich wieder über ihr Leben bestimmen könne, freut sich Tatti: Ihr Fach-Abi, eine Ausbildung zur Mediendesignerin und den Führerschein hat sie gemacht. 15 Assistentinnen kümmern sich schichtweise um sie - organisiert von Tatti selbst. (dpa)