Im Interview mit Frank Überall erklärt Sprecherin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn, auf was man achten sollte.
Expertin gibt RatWie sollte man sich im fortgeschrittenen Alter gesund ernähren?

Regelmäßig Gemüse verschiedener Sorten zu essen ist eines der Rezepte für eine gute Ernährung.
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Was verändert sich in unserer üblichen Ernährung, wenn wir älter werden?
Der Verbrauch an Kalorien, der sogenannte Grundumsatz, sinkt mit zunehmendem Lebensalter. Wir brauchen also weniger Energie, aber trotzdem viele Nährstoffe. Je älter wir werden, umso wichtiger ist es, darauf zu achten, dass wir vermehrt Lebensmittel brauchen, die viele Nährstoffe liefern und nicht so energiereich sind.
Zudem arbeitet der Magen-Darm-Trakt im Alter anders?
Die Verdauungsleistung sinkt im Alter. Häufig haben Menschen auch Verdauungsbeschwerden oder Schleimhautschädigungen im Magen oder eine Gastritis, wodurch Nährstoffe wie Calcium, Eisen nicht mehr so gut aufgenommen werden. Das gilt auch für das wichtige Vitamin B 12, hier funktionieren beispielsweise die Rezeptoren oft nicht mehr so gut wie in jüngeren Jahren.
Was sind denn Lebensmittel, auf die sich ältere Menschen konzentrieren sollten?
Reich an Nährstoffen ist natürlich viel Gemüse und Obst, aber auch Vollkorn- und Getreideprodukte. Weil wir im Alter aber auch zunehmend Muskelmasse abbauen, ist es wichtig, in dieser Lebensphase nicht nur genug Vitamine und Mineralstoffe zu sich zu nehmen, sondern vor allem auch Proteine. Wir empfehlen Menschen ab 65 Jahren täglich ein Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht aufzunehmen. Dabei spielen tierische Lebensmittel eine wichtige Rolle, die Bioverfügbarkeit der Proteine ist besonders gut. Optimal ist eine durchdachte Kombination von tierischen und pflanzlichen Proteinen.

Antje Gahl, Sprecherin Deutsche Gesellschaft für Ernährung
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Das heißt, mit der richtigen Ernährung kann dem altersbedingten Abbau der Muskeln entgegengewirkt werden?
In der Tat. Deshalb ist es sinnvoll, morgens zum Frühstück mal ein Müsli aus Vollkornflocken mit Milch, Joghurt oder Früchten zu essen oder Vollkornbrot mit Quark und Marmelade. Mittags kann man hochwertige Proteine zum Beispiel durch einen Eintopf aus Hülsenfrüchten zusammen mit einem Vollkornbrot oder Kartoffeln mit Kräuterquark zu sich nehmen. Oder mit einem Auflauf aus Nudeln mit Gemüse, der mit Käse überbacken ist.
Wer nicht mehr so gut kauen kann, ist mit einem Kartoffelpüree gut bedient. Das kann auch proteinreichen Erbsen oder Linsen ergänzt werden. Das sieht dann auch optisch gut aus und wertet ein solches Gericht geschmacklich auf. Auch bei Vollkornbrot kann das fein gemahlene Brot häufig leichter gegessen und verdaut werden.
Solche Gerichte gibt es auch fertig abgepackt im Supermarkt. Davon raten Sie aber eher ab?
Man kann durchaus mal Fertiggerichte essen, das sollte aber nicht die Regel sein. Wir sprechen da von stark oder hoch verarbeiteten Lebensmitteln. Als Faustformel gilt: Je länger die Zutatenliste ist, umso ungesünder ist in der Regel das Gericht. In den fertigen Zubereitungen ist häufig viel Zucker, Fett und Salz enthalten, damit der Geschmack, die Komposition und die Haltbarkeit stimmen. Eine in Plastik eingeschweißte Roulade mit Kartoffelpüree und Rotkohl enthält meist viele Hilfsstoffe. Das regelmäßig zu essen ist definitiv nicht so gesund wie selbst frisch zu kochen.
Und wenn man dazu keine Zeit, Kraft oder Lust hat?
Man kann auch mal zu einem Doseneintopf oder Tiefkühlgericht greifen. Aber auch in diesem Bereich bitte nicht zu kompletten Fertiggerichten, sondern zu einer Gemüsemischung oder einer leckeren Asia-Wokpfanne mit wenigen Zusatzstoffen. Aber auch das lieber nicht jeden Tag.
Sie sprachen schon den Zucker an – der kann gerade im Alter durchaus gefährlich werden?
Nicht nur im Alter – man sollte sein ganzes Leben lang so wenig Zucker wie möglich essen. Dabei geht es nicht um Zucker, der auf natürliche Weise zum Beispiel in Milch enthalten ist. Aber jeder Zucker, der Lebensmitteln extra zugesetzt wird, ist problematisch. Und den findet man reichlich zum Beispiel in fertigen Soßen oder in Ketchup. Und natürlich in Süßigkeiten.
Aber Ernährung darf doch auch Spaß machen?
Die Vorliebe für Süßes ist uns angeboren. Je älter wir werden, desto eher präferieren wir sogar noch das Süße. Viele greifen dann zum Beispiel zu süßen und farbigen Getränken. Aber da gibt es auch sinnvolle Alternativen: Wir sollten möglichst nicht die Limonade trinken, sondern Durstlöschen auch mal Wasser oder ungesüßte Kräuter- und Früchtetees trinken. Man kann mal eine Schorle zu trinken: Ein Teil Saft, drei Teile Wasser – das hat dann nicht so viel Zucker und schmeckt trotzdem gut.
Rein vegane Ernährung wird von Experten zuweilen als riskant beschrieben – warum?
Veganer müssen darauf achten, ihren Nährstoffbedarf hinreichend zu decken. Da ist auch eine sorgfältige Lebensmittelauswahl erforderlich. Kritische Nährstoffe, die Veganern oft fehlen, sind Vitamin B 12 und Jod. B 12 kommt nur in tierischen Lebensmitteln vor, und auch bei Jod haben wir außer Fisch nicht viele Quellen. Auch Eisen, Kalzium und Zink braucht unser Körper. Deshalb sollte man sich immer ausgewogen und abwechslungsreich ernähren.
Was bedeutet das für Veganer konkret?
Viel Obst und Gemüse ist gut, aber eben verschiedene Sorten. Man sollte nicht nur Paprika essen, sondern das mit Hülsenfrüchten wie Bohnen und Linsen variieren. Auch Sojabohnen sind hervorragend, auch in verarbeiteten Produkten wie Tofu. Die liefern Veganern wichtige Proteinquellen, B-Vitamine und Eisen. Und bei den Omega-3- Fettsäuren, die wir sonst über fette Seefische oder pflanzlichen Öle bekommen, können Nüsse und Ölsaaten das ausgleichen. Also sollten Veganer eher Raps-, Walnuss- oder Sojaöl verwenden statt Kokosfett.
Ganz gleich ob konventionell oder vegan – viele ergänzen ihre Ernährung mit Pillen aus dem Drogeriemarkt oder der Apotheke. Ist das sinnvoll?
Das ist grundsätzlich nicht so eine gute Idee. Man sollte wirklich immer versuchen, sich abwechslungsreich zu ernähren und nur dann ergänzen, wenn eine Unterversorgung vorliegt. So erreicht man tatsächlich die notwendige Nährstoffdichte, also dass wir die vielen Nährstoffe aufnehmen, die wir brauchen. Auch im Alter kann man sich durchaus mit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung bedarfsdeckend ernähren. Man sollte nicht wahllos nach dem Gießkannenprinzip Multivitamintabletten nehmen.
In bestimmten Fällen kann das aber schon hilfreich sein?
Beim altersbedingten Knochenabbau können Calcium und Vitamin D helfen. Bei Über-65Jährigen ist das Risiko in diesem Bereich höher als mit Mitte 50, da steigt auch die Gefahr, an Osteoporose zu erkranken. In solchen Fällen kann es angezeigt sein, im Bedarfsfall ganz gezielt ein Supplement oder eine Tablette einzunehmen, wenn über die Ernährung nicht genug aufgenommen wird.
Wie stellt man das fest?
Wem es nicht gut geht, lässt sich ärztlich durchchecken. Wenn eine Unterversorgung oder ein Mangel an Vitaminen oder Mineralstoffen festgestellt wird, kann dazu gezielt ein Präparat verschrieben werden.
Und wenn es noch nicht so weit ist, dass man Krankheitssymptome spürt?
Dann kann man sich bei einem qualifizierten Ernährungsberatergezielt und individuell Empfehlungen abholen und einen Ernährungsplan aufstellen lassen. Dies wird in der Regel nicht von den Krankenkassen bezahlt, das muss man tatsächlich aus eigener Tasche leisten.
Zum Schluss noch eine Frage zum bevorstehenden Osterfest: Wie sieht es mit den Ostereiern aus – nicht nur, aber auch bei älteren Menschen?
Natürlich darf man auch zu Ostern mal mehr Eier essen. Eier enthalten Cholesterin, und das kann bei hoher Aufnahme bei einigen Menschen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen. Aber wer keine Probleme mit dem Cholesterinspiegel hat, der braucht nicht auf Ostereier zu verzichten. Man muss ja nicht gleich ein ganzes Zehnerpack essen.