AboAbonnieren

Experte erklärtWie funktioniert Heilfasten und kann man damit abnehmen?

Lesezeit 4 Minuten
Eine Mitarbeiterin serviert in der Buchinger-Wilhelmi-Klinik in Überlingen eine Tasse Suppe. (Archivbild)

Das Heilfasten setzt auf eine extrem kalorienarme Ernährung mit Suppen, Säften und Tee.

Viele Menschen nutzen die Fastenzeit, um gesünder zu leben. Dabei lohnt es sich, die Erkenntnisse des medizinischen Heilfastens zu beachten.

Ein Glas Wasser statt Feierabendbier, ein Apfel statt eine Tüte Chips, Gemüse statt Fleisch: Die Fastenzeit ist eine gute Gelegenheit, ungesunde Essgewohnheiten zumindest für einige Wochen abzulegen und auf die eigene Gesundheit zu achten. Doch auch außerhalb der Zeit, die von Christentum oder Islam zum Fasten auserkoren wurde, ist es möglich Verzicht zu üben. Was man dabei von den Erkenntnissen des Heilfastens lernen kann, sagt Raimund Wilhelmi, langjähriger Leiter der Fastenklinik Buchinger Wilhelmi in Überlingen am Bodensee.

Was ist Heilfasten überhaupt und wie wird es praktiziert?

Das Heilfasten soll der körperlichen und seelischen Reinigung dienen. In der Klinik beginnt es mit einem Entlastungstag. Als Erstes wird die Kalorienzufuhr reduziert. Am ersten richtigen Fastentag muss zunächst abgeführt werden. „Anschließend gibt es von da an nach der Mittagsruhe einen Tee mit Honig, mittags einen Fruchtsaft und abends eine Suppe. Insgesamt nehmen die Patienten an diesen Tagen nur circa 300 Kalorien zu sich“, sagt Raimund Wilhelmi. Alle Lebensmittel stammen aus biologischem Anbau, auf Fleisch wird komplett verzichtet. Nach den Fastentagen folgen drei bis vier Aufbautage, in denen die Patienten ganz langsam wieder ans Essen herangeführt werden.

Wie lange wird gefastet?

„Die originale Buchinger-Kur, so wie sie mein Großvater empfohlen hat, ging drei Wochen lang. Darin enthalten ein Obsttag zu Beginn und die sogenannten Aufbautage am Ende. Heute ist der Durchschnittsaufenthalt zwei Wochen“, sagt Wilhelmi. Zum Fastenprogramm gehören tägliche Wanderungen. Daneben können sich Patienten im Swimmingpool und beim Yoga körperlich betätigen. Ernährung und Bewegung werden von psychologischer Betreuung ergänzt.

Was wird durch das Heilfasten erreicht?

Das Ziel des Heilfastens ist, dass der Körper, „die eigenen Fettreserven aufisst“, wie es Wilhelmi ausdrückt. Dadurch, dass er kaum noch Kalorien aufnimmt, greift der Körper beim Stoffwechsel auf die eingelagerten Fettreserven zurück und baut sie ab. Ein schneller Gewichtsverlust ist die Folge. Doch mit dem Fasten verbessere sich nicht nur das Gewicht, auch Stimmung und Wohlbefinden heben sich.

Raimund Wilhelmi auf einem Stuhl mit blauen Samt.

Kennt sich mit Heilfasten aus: Raimund Wilhelmi.

Kann Fasten auch zu Hause gelingen?

Um mit Fasten ein paar Pfunde loszuwerden und dem eigenen Körper etwas Gutes zu tun, müsse man nicht in eine seiner Kliniken gehen, versichert Wilhelmi. Grundsätzlich könne man auch zu Hause fasten. Dort sei es lediglich schwieriger, der Versuchung etwas Ungesundes zu essen aus dem Weg zu gehen.

Von vielerorts beworbenen und oft teuren Abnehmpillen, -spritzen und -pulvern hält der Experte unterdes wenig. Das gilt auch für Fastenmethoden, die einen kompletten Stopp der Nahrungsaufnahme oder eine nur schwach reduzierte Kalorienmenge vorschlagen.

Ist Fasten noch angesagt oder sind die Menschen nach den Pandemiejahren fastenmüde?

„Wir merken, dass seit der Pandemie das Bewusstsein für die eigene Gesundheit insgesamt stark zugenommen hat“, berichtet Wilhelmi. Die Patienten kämen längst nicht mehr nur zur Reduzierung ihres Übergewichts in die Kliniken. Stattdessen gehe es ihnen darum, auf längere Sicht ihre Gesundheit zu erhalten.

Wie kann man statt oder nach dem Fasten sein Gewicht reduzieren?

„Wenn Sie nicht fasten wollen, ist es sicher gesund, möglichst nicht zu viele Kalorien in Form von frischen, qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu sich zu nehmen, sich dabei regelmäßig zu bewegen und vielleicht durch eine Art von Meditation seelisch im Gleichgewicht zu bleiben“, sagt Wilhelmi. „Wenn Sie vom Sport alleine abnehmen wollen, müssen Sie wirklich viel Sport machen. Aber wenn Sie nur nichts essen und sonst im Bett liegen, ist das auch nicht gut, weil Ihre Muskeln nicht trainiert werden.“ Wer vor allem sein Gewicht halten und nicht zunehmen möchte, dem empfiehlt Wilhelmi die Methode des Intervallfastens. Bei der man 16 Stunden keine Nahrung zu sich nimmt, etwa früh zu Abend isst und das Frühstück streicht.


Raimund Wilhelmi (74) hat 34 Jahre lang die Klinik Buchinger Wilhelmi am Bodensee geleitet. Das deutsche Unternehmen Buchinger Wilhelmi hat über vier Generationen hinweg die Methode des Heilfastens entwickelt und immer weiter angepasst. Heute betreibt es neben der Klinik in Süddeutschland eine im spanischen Marbella.

Bildband: Buchinger Wilhelmi, Pioniere des Fastens – Portrait einer Familie

Bildband zur Geschichte des Fastens nach Buchinger Wilhelmi

Zum Weiterlesen: Buchinger Wilhelmi, Pioniere des Fastens – Portrait einer Familie, Verlag Kettler, 186 Seiten, 59 Euro