- Viele Wissenschaftler setzen große Hoffnungen auf künstliche Immunisierung gegen Covid-19 – durch einen Impfstoff.
- Funktionieren könnte dieser auf ganz unterschiedliche Arten. Die internationalen Impfstoff-Projekte verfolgen verschiedene Ansätze, unterscheiden sich teilweise grundlegend.
- Der Virologe Florian Klein erklärt, wie die unterschiedlichen Impf-Technologien funktionieren – und wie der Zeitplan bis zu einer möglichen Zulassung aussieht.
Köln – Um die globale Corona-Pandemie zu bewältigen, wird seit Monaten in einer beispiellosen internationalen Kraftanstrengung an möglichen Impfstoffen geforscht. Mindestens 195 Impfstoff-Projekte sind in Arbeit, rund 40 befinden sich in der entscheidenden Phase-III-Studie. Besteht ein Impfstoff diesen Härtetest, fehlt bis zum Einsatz nur noch Zulassung der Behörde.
Medizinisch funktionieren die Mittel unterschiedlich, doch alle dienen dem selben Zweck: Immunität gegen SARS-Cov-2, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslöst. „Bei den aktuell getesteten Impfstoffen lassen sich verschiedene Ansätze unterscheiden“, sagt Prof. Florian Klein, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Köln. Er selbst forscht an der Reproduktion von Corona-Antikörpern, die schon vor einer möglichen Impfstoff-Zulassung einen kleinen Teil der Patienten immunisieren könnte. Der Virologe erklärt, mit welchen Methoden geforscht wird – und wie vielversprechend diese sind.
Inaktivierte Coronaviren
Bei dieser Methode werden Coronaviren indirekt genutzt. „Man verabreicht ein echtes Virus, das entweder – zum Beispiel durch Chemikalien – inaktiviert oder durch Zellkultur-Methoden abgeschwächt wurde“, so Florian Klein. Diese Technik kommt bei dem in Deutschland üblichen Masern-Impfstoff zum Einsatz. Im Fall von Covid-19 werden „Impfstoffe dieser Art aktuell insbesondere in China untersucht“, erklärt Klein. Ein Projekt des staatseigenen „Wuhan Institute of Biological Products“, in dem mit inaktivierten Coronaviren gearbeitet wird, macht Forschern Hoffnung. Der dort entwickelte Impfstoff befindet sich derzeit in der finalen Phase-III-Studie und wird in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain getestet.
Virusproteine
Bei der zweiten Methode handelt es sich um „Impfstoffe, die auf einem Protein-Baustein des Virus basieren“, sagt Florian Klein. „Hierbei verabreicht man ein Protein, das man auch an der Virus-Oberfläche findet. Eine Immunreaktion kann sich dann gezielt gegen dieses Protein und somit auch gegen das Virus entwickeln.“ In Australien, Kuba und China wird derzeit an Virusproteinen geforscht, bislang hat es keines der Projekte in die finale Studienphase geschafft.
„Das Prinzip wendet man heutzutage bereits vielfach an, etwa bei der Impfung gegen das Hepatitis B-Virus“, erklärt Klein. Auch Grippe-Impfstoffe bestehen oftmals aus Virusproteinen. Doch der „Verband Forschender Arzneimittelhersteller“ (vfa) schränkt die Hoffnung auf einen schnellen Protein-Impfstoff ein: „Möglicherweise ist es bei anderen Impfstoffen leichter, schnell große Mengen von Impfeinheiten zu produzieren.“
Vektor-Impfstoffe
Bei Vektor-Impfstoffen setzen Forscher auf „die Anwendung eines anderen und nicht krank-machenden Virus, um die genetische Information einiger Teile von SARS-CoV-2“ in den Körper zu bringen, sagt Klein. Grundsätzlich sind hierbei zwei Ansätze denkbar: Es kann versucht werden, die genetischen Informationen „in Körperzellen einzubringen und auf der Oberfläche dieser Zellen zu präsentieren“ - oder denselben Effekt „über eine harmlose Vermehrung auf der Oberfläche des ungefährlichen Virus“ auszulösen. Die ersten Ergebnisse aus Studien mit Vektor-Viren stimmen Wissenschaftler zuversichtlich, gleich vier Impfstoff-Kandidaten dieser Kategorie befinden sich in der finalen Studienphase. Besonders auf der zwischenzeitlich unterbrochenen Studie des Unternehmens „AstraZeneca“, die gemeinsam mit der Universität Oxford durchgeführt wird, liegen große Hoffnungen, das Mittel wird derzeit in Brasilien und den USA getestet. Doch auch das deutsche Unternehmen Janssen konnte ebenso wie Projekte in Russland und China mit möglichen Vektor-Impfstoffen gegen SARS-Cov-2 Labor-Erfolge verzeichnen.
Nukleinsäure-Impfstoffe
Impfstoffe, die auf Nukleinsäure basieren, „ähneln von der Idee her den Vektor-Impfstoffen“, erläutert Florian Klein: „Allerdings wird die genetische Information von SARS-CoV-2-Untereinheiten hier nicht über ein Transporter-Virus, sondern durch eine spezielle Formulierung, zum Beispiel durch kleinste fetthaltige Partikel in die Körperzellen eingeschleust.“ Das prominenteste Beispiel ist der Nuklein-Impfstoff der Mainzer Firma Biontech, der aktuell gegen Covid-19 entwickelt wird. Teilweise ist das Mittel bereits in Phase-III-Studien, erste Labor-Ergebnisse zur Wirksamkeit sehen vielversprechend aus. Die Methode ist vergleichsweise neu, es gibt „bislang keinen zugelassenen Impfstoff, der auf dieser Technologie basiert“, so Klein.
Und dann?
Sollten die drei Studien-Phasen die gewünschte Wirkung des jeweiligen Impfstoffes belegen und unerwartete Nebenwirkungen ausschließen, fehlt bis zum Einsatz lediglich eine Genehmigung durch die zuständige Behörde. „Das in Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut und die europäische Arzneimittelbehörde EMA prüfen auf Grundlage von Studien- und Produktionsdaten vor allen Dingen die Sicherheit, Wirksamkeit und die Qualität der Impfstoffe. Alle diese Punkte müssen für eine Zulassung erfüllt sein“, sagt Klein.
Parallel zu den Studien bereiten viele Firmen die Impfstoff-Produktion bereits vor, sodass etwa das Unternehmen Biontech nach Plan „bis Mitte 2021 bis zu 250 Millionen Impfstoffdosen hergestellt“ haben wird, so Klein. Dennoch werde „ein Impfstoff“ im Fall der Zulassung „nicht direkt für alle Menschen zur Verfügung stehen“. Es sei daher „sinnvoll, bereits jetzt die Verteilung und das Vorgehen bei noch begrenztem Impfstoff zu planen.“ Auch, wenn Stand heute nicht ganz klar ist, wann und ob überhaupt ein Impfstoff gegen SARS-Cov-2 zur Verfügung stehen wird.