Die Corona-Pandemie ist noch in vollem Gange, da kündigt sich schon die nächste Krankheitswelle an: Die Grippesaison steht schon fast in ihren Startlöchern.
Zuletzt meldeten sich Kinderärzte und auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu Wort und betonten, wie wichtig eine Grippeimpfung gerade in diesem Corona-Jahr sei.
Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, erklärt, warum es eine gute Idee ist, sich gerade in der Pandemie gegen die Grippe impfen zu lassen.
Köln – Bereits zu Beginn der Pandemie gab es Stimmen, die eine Grippeimpfung in Corona-Zeiten unbedingt befürworteten. Nun, da der Sommer langsam endet und sich damit die Grippesaison nähert, rückt das Thema wieder in den Vordergrund. Erst kürzlich rieten deutsche Kinderärzte Eltern dazu, ihre Kinder gegen Influenza impfen zu lassen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte gegenüber der „Welt am Sonntag“, wie wichtig eine Grippeimpfung in diesem Jahr sei. Wir haben Thomas Preis, den Vorsitzenden des Apothekerverbandes Nordrhein gefragt, was er von einer Grippeimpfung hält.
Sollte man sich vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie gegen die Grippe impfen lassen?
Ja, „unbedingt empfehlenswert“ sei das, sagt Thomas Preis. Es sei schlimm, wenn man an beiden Infektionen, also der Grippe und Covid-19, gleichzeitig oder kurz hintereinander erkranken würde. „Das würde jeden Körper sehr stark belasten.“ Bereits eine der beiden Infektionen schwäche den Körper und mache ihn so quasi zur „leichten Beute für andere Erkrankungen.“ Heißt: Wer an der Grippe erkrankt, ist geschwächt. Und somit anfälliger für das Coronavirus.
Wie hilft eine Grippeimpfung in der Corona-Pandemie?
Gegen eine Infektion mit Coronaviren direkt kann eine Grippeimpfung nichts ausrichten. Indirekt kann sie jedoch doppelt helfen, die Pandemie auszubremsen. Zum einen schützt sie den Körper vor einer Infektion, die es Coronaviren leichter macht, sich im Körper festzusetzen. Zum anderen schützt man mit einer Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Je weniger Immunsysteme einer Gesellschaft sich mit der Grippe beschäftigen müssen, desto stärker sind sie gegen Coronaviren.
Gibt es andere positive Nebeneffekte, wenn sich in diesem Jahr mehr Menschen gegen die Grippe impfen lassen?
Die gibt es. Denn auch das Gesundheitssystem, dessen Überlastung es in einer Pandemie unbedingt zu verhindern gilt, profitiert davon, wenn möglichst wenig Menschen die Grippe haben. „Die Grippe und Covid-19 haben häufig die gleichen Symptome: Hohes Fieber und trockener Husten. Wenn Grippe-Erkrankte nun zum Arzt gehen, würde dies eine umfangreiche Untersuchung nach sich ziehen, da es sich sowohl um eine Grippe, als auch um eine Covid-19-Erkrankung handeln könnte. Das belastet die die niedergelassenen Ärzte immens“, erklärt Thomas Preis. Deshalb hoffe er, „dass es in diesem Jahr keine starke Grippesaison gibt. Das ist mit Hinblick auf die Corona-Pandemie ganz wichtig. Denn eine starke Grippesaison würde nicht nur die Menschen selbst, sondern auch das Gesundheitssystem zusätzlich zu dieser Pandemie ganz enorm belasten.“
Wer sollte sich zuerst impfen lassen?
Das sind zunächst die Menschen, die, wie auch bei der Corona-Pandemie, zur Risikogruppe gehören. Menschen, die älter als 60 Jahre sind und chronisch Kranke zum Beispiel. „Aber auch Menschen, die in ihren Berufen viel Kontakt zu anderen Menschen haben, beispielsweise in Geschäften, im öffentlichen Nahverkehr oder als Lehrer arbeiten“, gehörten dazu, so Thomas Preis. Er bedauert, dass es in den vergangenen Jahren eine viel zu geringe Durchimpfung gegeben habe. „Nur etwa 35 Prozent derjenigen, die sich impfen lassen sollten, haben dies auch getan.“
Wie sieht es mit Kindern aus?
Kinder werden oft nur gegen die Grippe geimpft, wenn sie besonders anfällig für Viruskrankheiten sind. Allerdings gebe es nun erste Bestrebungen, auch bei Kindern großflächig gegen die Grippe zu impfen, sagt Thomas Preis. Denn auch die Kleinsten können Viruskrankheiten übertragen. Durch großflächigere Impfungen solle vermieden werden, dass ältere, besonders gefährdete Familienangehörige oder andere Menschen erkranken.
Wann sollte man sich impfen lassen?
„Ende September, Anfang Oktober“ solle man sich gegen die Grippe impfen lassen, sagt Thomas Preis. Denn die Impfung gegen die Grippe hält nur für einen gewissen Zeitraum. „Nach sechs Monaten lässt die Schutzwirkung nach. Da darf man nicht zu früh, aber auch nicht zu spät dran sein.“ Da es in jedem Jahr einen neuen Impfstoff gibt, müsse die Impfung auch jährlich aufgefrischt werden. Thomas Preis rät, schon jetzt einen Termin mit dem Arzt auszumachen.
Kann es zu Engpässen kommen, wenn sich in diesem Jahr besonders viele Menschen gegen die Grippe impfen lassen wollen?
Mitte September beginnt die Auslieferung der Impfstoffe. Die Bestellung liegt aber schon einige Monate zurück. Am Anfang eines Jahres geben die Arztpraxen ihre Vorbestellungen an die Apotheken, die leiten sie weiter an die Hersteller. Als dies 2020 geschah, war die Corona-Pandemie bereits im Gang. „Zudem wurde die Bestellfrist verlängert, es wurden 10 bis 20 Prozent mehr Impfstoff bestellt als in den Vorjahren. Auch die Bundesregierung hat Sondermengen eingekauft. Deshalb gehen wir davon aus, dass es zumindest im ersten Schritt zu keinerlei Engpässen kommen wird“, sagt Thomas Preis.
Wie kann man sich sonst gegen die Grippe schützen?
In der Corona-Pandemie sind die Hygieneregeln, Mund-Nase-Bedeckungen und das Abstand halten plötzlich wichtig geworden. Doch diese Regelungen helfen nicht nur gegen Coronaviren, sondern auch gegen andere Viruserkrankungen. Die Erkältungs- und Grippewelle sei am Anfang dieses Jahres deutlich eher geendet, „weil durch die Hygieneregeln und den Lockdown die Menschen sehr gut auf Hygiene und Abstand geachtet haben“, sagt Thomas Preis. So hat sich die Gesellschaft nicht nur vor einer Infektion mit Covid-19, sondern auch vor Grippe und Erkältung geschützt.