AboAbonnieren

US-Studie gibt Entwarnung bei GerinnungshemmernFließen und Verklumpen – Warum Blut beides können muss

Lesezeit 3 Minuten
Ilustration von roten Blutzellen

Blutzellen sollen fließen – aber im richtigen Moment auch verklumpen können. (Illustration)

Wenn Blut verklumpt, kann es gefährlich werden. Zu dünn sollte es auch nicht sein. Auf Gerinnungshemmer zu verzichten, ist aber falsch.

Im höheren Alter mehren sich die Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Nach Infarkt oder Schlaganfall, aber auch bei Vorhofflimmern stellt sich die Frage, ob und wie das Blut „verdünnt“ werden soll. Der Ausdruck ist zwar eigentlich Unsinn, er beschreibt den Effekt aber sehr gut: Um Verklumpungen in den Adern zu verhindern, wird die Blutgerinnung heruntergefahren. Die Medikamente heißen „Antikoagulantien“, was einfach nur beschreibt, dass sie das „Verklumpen“, medizinisch Antikoagulieren, verhindern oder zumindest reduzieren sollen.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“. ...

mehr

Genau dieses Gerinnen verhindert aber umgekehrt, dass wir nicht schon an einer kleinen Verletzung verbluten. Ein Schnitt in den Finger blutet zunächst, verschließt sich aber nach kurzer Zeit, eben weil das Blut die Fähigkeit hat, zu verklumpen und dadurch das Blutgefäß und die Wunde überhaupt zu verschließen. Das Blut erfüllt beide Funktionen: zu fließen und dabei Stoffe zu transportieren und im Notfall zu verklumpen, um eine Verletzung abzudichten. Das Gleichgewicht zwischen diesen Funktionen ist komplex – und wird durch die genannten Medikamente massiv verändert. Die Angst ist, dass antikoagulierte Patienten nach Stürzen starke Blutungen erleiden könnten. Und Stürze werden im Alter nicht seltener.

Verzögerte Blutungen kaum häufiger bei Menschen mit Gerinnungshemmer

Jetzt gibt eine US-amerikanische Studie zumindest eine Teilentwarnung. „Verzögert auftretende intrakranielle Blutungen bei Älteren unter Antikoagulanzien offenbar selten“, schreibt das Deutsche Ärzteblatt und zitiert dabei eine aktuelle Studie aus dem Journal für Notfallmedizin (J. Emerg Med). Die Forscher hatten vor allem die verzögert auftretenden Blutung ins Visier genommen.

Denn es kann passieren, dass Menschen stürzen und sich am Kopf verletzten. Dass zunächst in der Untersuchung im Krankenhaus alles gut ist. Dass dann aber Tage später ein verletztes Blutgefäß im Kopf platzt und es zu einer lebensgefährlichen Blutung kommt. Vor allem die Verzögerung macht die Verletzung gefährlich – es passiert, wenn die Patienten längst nicht mehr in der Klinik sind. Genau diese verzögerten Blutungen sind überraschend selten. Und sie unterscheiden sich kaum zwischen Menschen mit und ohne Antikoagulation.

Verdünnung des Bluts kann lebensrettend sein

Die Studie war umfangreich: Daten von 3425 Personen wurden untersucht. Die Menschen waren mindestens 65, im Mittel 82 Jahre alt. Zweimal wurde bei Betroffenen oder Pflegenden nachgefragt – nach 14 und nach 60 Tagen und dann noch einmal nach 90 Tagen die Krankenakten zusammenfassend analysiert. Dabei kam heraus: Das Risiko, nach einem Sturz eine Blutung im Kopf zu bekommen, ist fast unabhängig davon, ob der Patient gerinnungshemmende Mittel bekommt oder nicht. Entwarnung also.

Das ist eine gute Nachricht. Denn es gibt Situationen, in denen die „Blutverdünnung“ lebensrettend sein kann. Es gibt unterschiedliche Medikamente mit jeweiligen Vor- und Nachteilen. Bei der Entscheidung helfen Hausärztin oder Hausarzt – oder erfahrene Herzspezialisten. Die Entscheidung ist außerordentlich wichtig, denn die Medikamente werden oft Jahre oder Jahrzehnte lang eingenommen.