Deckel lassen sich nicht mehr von Getränkeflaschen lösen – der Hintergrund ist eine Richtlinie der EU.
„Bedrohung für aufrechte Deutsche“Flaschen nur noch mit „angebundenem“ Deckel zu kaufen – Diskussion über EU-Vorgabe
Seit Monaten wundern sich manche Verbraucherinnen und Verbraucher, warum die Plastikdeckel von Flaschen sich nicht mehr so einfach lösen lassen, und zerren oft daran herum. Dies ist jedoch kein Produktionsfehler, sondern Absicht der Hersteller. Seit dem 3. Juli wird dies nach einer dreijährigen Übergangsfrist sogar verpflichtend: Die EU verbietet lose Verschlusskappen bei bestimmten Getränken. Das betrifft beispielsweise Saftkartons oder Einweg-PET-Flaschen mit einem Volumen bis zu drei Litern.
Viele Menschen finden die sogenannten „Tethered Caps“ unpraktisch, weil das Trinken aus der Flasche so erschwert wird. Zudem bleibt oft ein Rest im Deckel hängen, der dann ins Gesicht oder auf die Kleidung tropft. Hinzu kommt, dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen oft nicht mit den festhängenden Deckeln klarkommen. Auch das Wiederaufschrauben des Verschlusses klappt nicht immer reibungslos.
Durch neue Deckel soll Müll vermieden werden
Hintergrund der neuen Richtlinie ist der Ansatz, Müll zu vermeiden. Hier geht es besonders um die Verschmutzung der Meere. Das Bundesumweltministerium verweist auf eine Studie, wonach Kunststoffdeckel zu den am häufigsten an Stränden der EU vorzufindenden Kunststoffabfällen gehören. Bei Untersuchungen an der Nordsee wurden demnach mehr als 40 Flaschendeckel auf etwa 100 Metern Strand gefunden.
Das Ministerium räumt zugleich ein, dass die Akzeptanz zumindest in Deutschland durchwachsen ist: „Dem BMUV ist bekannt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die fest verbundenen Deckel nicht nur positiv sehen“, heißt es von einer Sprecherin. Das Ziel der Richtlinie sei es jedoch, die Umwelt durch geringfügige Maßnahmen zu schützen.
Verbraucherzentrale: „Tethered Caps“ lösen keine Probleme
Verbraucherschützer sehen die Maßnahme ebenfalls kritisch. „Ich empfinde die Änderung der Verschlussart als wenig zielführend“, sagt Philip Heldt, Referent für Ressourcenschutz bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Das Gesetz gehe am Kernproblem vorbei. „Wir verbrauchen viel zu viele Einwegprodukte“, sagt Heldt. „Deckel zu ändern, nützt der Umwelt erst mal nichts.“ Laut dem Experten verbrauchen die neuen Verschlüsse in vielen Fällen gar etwas mehr Material als die früheren Deckel.
Ähnlich ist der Tenor auch bei der Redaktion der WDR-Wissenschaftssendung „Quarks“. „Plastikmüll ist ein großes Problem für die Umwelt. Dass ausgerechnet die Deckel dabei aber ein besonders großes Problem darstellen, dafür gibt es keine stichhaltigen Belege“, heißt es in einem Post auf Instagram. Man müsse vielmehr die Produktion von Plastikverpackungen grundsätzlich herunterfahren, wenn man etwas ändern wolle, schreibt „Quarks“.
AfD kritisiert „angebundene Deckel“ – Spott bei X
Kritik anderer Art kommt von der AfD. Die Partei moniert im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, die neue Vorschrift ebenfalls. Die Rechtspopulisten beleuchten das Thema allerdings nicht aus Umwelt-Aspekten, sondern fühlen sich von der EU gegängelt. Sie schreiben: „Mit der Richtlinie ‚Tethered Caps‘ greift sie [die EU] jetzt sogar in die Art und Weise ein, wie wir trinken!“
Das Trinken sei inzwischen „zu einem Akt für sich geworden“. Man sei schließlich keine „Kinder, deren Leben man bis ins winzigste Detail bestimmen müsste“, so die AfD-Fraktion im EU-Parlament.
Andere User kommentieren die Einlassungen der AfD und anderer Deckel-Hasser ironisch. Die sei offenbar die „größte Bedrohung für aufrechte Deutsche“, schreibt ein X-Nutzer.
Andere User geben praktische Tipps und zeigen, dass manche Verbraucherinnen und Verbraucher schon seit Jahrzehnten mit nicht abnehmbaren Flaschendeckeln gut klarkommen.
Als Beispiel werden die klassischen Bierflaschen von Flensburger mit dem Bügelverschluss genannt. „Ein Prost auf die Norddeutschen“, heißt es da – mit einem „Plop“. (mit dpa)