Meyer-WöldenDirekt wieder schlank nach der Geburt – so setzen uns Promis unter Druck
Erst vor drei Wochen hat Schmuckdesignerin und „It-Girl“ Alessandra Meyer-Wölden Zwillinge bekommen. Jetzt zeigte sich die fünffache Mutter auf Instagram überraschend schlank. Und wird überall im Netz für diese „Leistung“ gefeiert. „Ich finde, du kannst stolz auf dich sein“, kommentiert eine Userin das Bild. „Respekt, starkes Vorbild“, schreibt eine weitere. Diät und Fitnesstraining im Wochenbett, damit man schnell wieder eine Topfigur hat – ist das wirklich eine sinnvolle Botschaft an Neu-Mütter?
Nach der Geburt beginnt das so genannte Wochenbett, der Körper verändert sich, die Frau erholt sich und nimmt sich Zeit, ihr Baby kennenzulernen. Das ist die Idealvorstellung – und so empfiehlt es auch die Berliner Hebamme und Dreifachmutter Anja Constance Gaca, die das Buch „Das Wochenbett“ (zusammen mit Loretta Stern) geschrieben hat.
Im Wochenbett sind Entspannung und Geborgenheit wichtig
Doch viele Promis beachten diese Empfehlung nicht. Kurz nach der Geburt veröffentlichen sie Fotos von ihrem schlanken durchtrainierten Körper („After-Baby-Body“), dem man eine Schwangerschaft beileibe nicht mehr ansieht. Und damit setzen sie andere Mütter unter Druck. Weil Frauen sich vergleichen, weil sie denken: Wenn die das kann, muss ich das doch auch können!
Meyer-Wölden ist nicht die einzige bekannte Frau, die sich gleich nach der Geburt mit einem Körper zeigt, der rein gar nicht darauf hinweist, das er gerade erst Leben geschenkt hat. Moderatorin Charlotte Würdig präsentierte sich nur zehn Wochen nach der Geburt ihres zweiten Kindes mit Sixpack.
Heidi Klum zeigte sich sieben Wochen nach der Geburt von Sohn Henry als Victorias Secret Model auf dem Laufsteg. Michelle Hunziker moderierte gar vier Tage nach der Geburt von Tochter Sole eine Sendung im italienischen TV.
Sollten uns Michelle Hunziker und Heidi Klum ein Vorbild sein?
Natürlich darf jede Frau selbst entscheiden, was sie im Wochenbett tut – oder was eben nicht. Es gibt aber gewisse Empfehlungen, an denen sich Frauen orientieren können – und die haben mit diesen Promi-Damen wenig zu tun. Wenn ihnen der Sport direkt nach der Geburt gut tat: bittesehr. Was normalerweise gilt, erklärt Hebamme und Autorin Anja Gaca im Interview auf der nächsten Seite.
Interview: Warum Mütter sich nicht unter Druck setzen sollten
- Was bedeutet das Wochenbett und was zählt in dieser Zeit wirklich?
Gaca: Das Wochenbett ist eine gemeinsame Phase des Ankommens und Zurechfindens für Mutter und Kind. Oberste Priorität sollte sein, dass sich Mutter und Baby von den Anstrengungen der Geburt erholen. In den ersten zehn Tagen ist es sogar notwendig und sinnvoll für die Frau, möglichst viel zu liegen. Aber auch danach ist Schonzeit angesagt.
- Das heißt, wir brauchen uns kein Vorbild an Promis zu nehmen, die gleich wieder arbeiten und gut aussehen?
Gaca: Wem das wichtig ist, der kann das tun. Für einen gesunden Körper und eine gesunde Psyche würde ich aber etwas anderes empfehlen. Nämlich viel Zeit in der „Familienhöhle“, in der sich die Frau geborgen fühlt und in der sie idealerweise umsorgt wird. Der Körper und die Psyche werden es ihnen danken. Niemand sollte sich in dieser wichtigen Zeit unter Druck setzen.
- Was genau geschieht in dieser Zeit mit dem Körper?
Gace: Im Wochenbett heilen mögliche Geburtsverletzungen oder auch eine Kaiserschnittnarbe – nicht nur an sichtbaren Stellen, sondern auch innerlich. Die Bauchorgane müssen sich neu sortieren und der Beckenboden ist durch Schwangerschaft und Geburt – auch bei einem Kaiserschnitt, weil umgebende Muskeln und Nerven dabei verletzt werden – stark beansprucht und muss nach und nach gestärkt werden.
- Was heißt das und was könnten die Spätfolgen sein?
Gaca: Das heißt, dass der Beckenboden gestärkt werden sollte, bevor eine Frau wieder mit Bauchmuskeltraning und Co. beginnt. Auch hinter einem vermutlich fit aussehenden Sixpack kann sich ein geschwächter Beckenboden befinden, der vielleicht nicht akut, aber in späteren Jahren Probleme wir Urininkontinenz mit sich bringen kann.
- Sie empfehlen also Ausruhen und Geborgenheit für die erste Zeit: Ist das ein Feifahrtschein für Mütter, einfach mal loszulassen und andere alles machen zu lassen?
Gaca: Das ist kein Freifahrtschein, sondern eine wirkliche Empfehlung. Die Ruhe im Wochenbett sollte kein Bonus sein, der den Frauen zuteil wird, sondern eine Grundvoraussetzung. Fragt die Väter, die Eltern, die Schwiegereltern, Freunde oder Nachbarn, ob sie den Haushalt für einige Tage übernehmen, ob sie für die frisch gebackene Mutter vor- oder frisch kochen, ob sie all das übernehmen können, was sie von ihrem Baby ablenkt.
- Frauen sollen also einfach mal genießen?
Gaca: Die Geburt ist ein großes Ereignis, das erst einmal verarbeitet werden muss. Frauen dürfen in dieser Zeit ganz bei sich sein – und sollten sich eben nicht mit irgendwem vergleichen. Vor allem nicht mit Fotos von irgendjemandem. Denn selbst wenn eine Promimutter gleich wieder ein Sixpack zeigt, heißt das ja nicht, dass sie nicht auch abends mal aufgrund der hormonellen Lage in ihr Kissen weint. Am Ende sollte jede junge Mutter im Wochenbett einfach das tun, was ihr richtig gut tut.
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