Eigentlich ist Harald Heidrich Rentner, in der Weihnachtszeit schlüpft er aber in Bart und roten Mantel, um Kindern Geschenke zu bringen. In unserer Reihe „Wie es ist“ erzählt der 70-Jährige, warum er den Job macht.
Wie es ist, Weihnachtsmann zu sein„Kinder, die nicht an mich glauben, überzeuge ich“
„Angefangen hat alles vor zwölf Jahren, ganz einfach, mit rotem Mantel und Mütze. Meine älteste Tochter arbeitet als Erzieherin in einer Kita. Eigentlich hatten sie dort immer einen Vater, der am sechsten Dezember als Nikolaus zu den Kindern kam. Aber als der ausgefallen ist, kam meine Tochter auf mich zu und hat gefragt: „Papi, kannst du nicht mal?“ Also bin ich eingesprungen. Mittlerweile ist das Kult, die Kinder warten jedes Jahr auf meinen Auftritt. Nach und nach habe ich dann immer wieder bei Verwandten und Freunden den Nikolaus oder den Weihnachtsmann gegeben. Bis ich vor ein paar Jahren dann bei einer Agentur gelandet bin.
Ich hatte schon immer so eine Art Helfersyndrom. Nach der Schule habe ich zuerst in der Justiz gearbeitet. Nebenbei war ich ehrenamtlich in einem Düsseldorfer Altenheim tätig. Das hat mir so gut gefallen, dass ich kurz vor der Verbeamtung auf Lebenszeit meinen Job hingeschmissen und umgeschult habe. Dann habe ich in der Pflege gearbeitet, zuletzt in einer Demenz-Wohngemeinschaft. Das ist ein Job, in dem man viele Höhen und Tiefen erlebt, der mir aber sehr viel Spaß gemacht hat.
Ruhestand zwischen Weihnachtsmann-Job und Fußballcamps
Mittlerweile bin ich seit sechs Jahren im Ruhestand, aber als Rentner fühle ich mich immer noch nicht, dazu bin ich viel zu unstet und laufend unterwegs. Mit meiner Frau zusammen richten wir in den Schulferien Fußballcamps in ganz Deutschland aus. Und im Winter arbeite ich eben als Weihnachtsmann.
Das sind meistens nur wenige, intensive Tage, aber auf etwa 20 Termine komme ich im Dezember allemal. Von Stammheim bis runter an die Grenze zu Bonn war ich in Köln dieses Jahr unterwegs. Aber auch in Düsseldorf hatte ich Termine. Das läuft dann so: Die Agentur schickt mir die Adressen und sagt mir, wie viele Kinder vor Ort sein werden. Meistens bin ich in Privathaushalten unterwegs, aber ab und zu auch bei Unternehmen, wo die Mitarbeiter dann ihre Kinder mitbringen. Dann telefoniere ich mit den Eltern und kläre ab, wo ich die Geschenke abhole, und was ich den Kindern erzählen soll. Vor Ort verteile ich dann zum Beispiel Lob dafür, dass die 2-jährige Tochter schon allein aufs Töpfchen geht, oder Tadel, dass sie sich nicht gerne die Zähne putzt – und überreiche natürlich die Geschenke. Ab und zu lese ich auch etwas vor. Für einen Termin kriege ich dann ungefähr dreißig Euro, manchmal auch mehr, je nachdem, wie viele Kinder da sind.
Ein guter Weihnachtsmann braucht Empathie für die Kinder und ein gewisses Maß an Flexibilität. Man weiß ja nie genau, was auf einen zukommt. Mal rechnet man mit zwei Kindern und plötzlich sitzen dann sechs im Wohnzimmer. Ab und zu gibt es Kinder, die nur sehr schwer im Zaum zu halten sind. Ich hatte einen Termin, da sprangen die Kleinen nur so über die Möbel, hörten kaum zu und rissen mir die Geschenke aus den Händen. Aber das ist eher die Ausnahme. Meistens sind das wirklich schöne Termine.
Kindern, die nicht an den Weihnachtsmann glauben, kann man oft schnell den Zahn ziehen. Wenn ich erstmal mit meinem roten Mantel und dem weißen Bart im Wohnzimmer sitze, gucken sie mich nur noch mit großen Augen an. Und wenn ich ihnen dann erzähle, dass ich vom Streit mit ihren Geschwistern weiß, wissen die gar nicht mehr, was sie sagen sollen. Ich versuche ihnen dann zu vermitteln, dass sie miteinander reden müssen, wenn sie Probleme haben und sich nicht schlagen sollen. Das kann großen Eindruck hinterlassen. Nach einem Termin – ich war noch nicht ganz zur Tür wieder raus – sagte eine 11-Jährige zu ihren Eltern: „Eigentlich dachte ich, das ist Quatsch. Aber den Weihnachtsmann gibt’s ja wirklich!“ Das sind tolle Erlebnisse.
Bei den Besuchen ist emotional alles dabei: Von himmelhochjauchzender Freude bis zu sehr traurigen Momenten. Ein Termin ist mir besonders an die Nieren gegangen, bei einer Firma im Mediapark. Da war ein unheimlich süßes, kleines Kind dabei, nur fünf Monate alt. Bei der Geburt des Kindes ist wohl einiges schiefgelaufen und die Kleine musste viele Operationen über sich ergehen lassen, die sie tapfer überstanden hat. Das sollte ich alles vorlesen und schon als ich begonnen habe, hat die Mutter angefangen zu weinen. Da musste ich mich wirklich zusammenreißen.
Gleichzeitig gibt es viele tolle Momente. Auch, aber nicht nur wegen der Kinder. Die Erwachsenen freuen sich auch immer sehr, den Weihnachtsmann zu sehen. Manchmal entstehen dadurch sogar Freundschaften.
Fachkräftemangel bei Weihnachtsmännern
Letztes Jahr war ich bei einem Edel-Friseur aus Köln bei der Weihnachtsfeier eingeladen. Die haben den 13. Stock eines Hochhauses angemietet. Nach dem Essen habe ich dort wie auf einem Thron neben dem Weihnachtsbaum auf die Mitarbeiter gewartet und ihnen Geschenke gebracht. Aber auch die Mitarbeiter mussten etwas dafür tun. Der eine hat ein selbst geschriebenes Gedicht vorgetragen, die andere eine Licht-Tanzshow hingelegt. Das war eine zirkusreife Vorstellung! Und alle Mitarbeiter haben vom Chef ein Tablet geschenkt bekommen. Eigentlich wollten die das dieses Jahr wieder machen, aber bei mir hat sich niemand gemeldet. Vielleicht war das doch zu teuer. (lacht)
Über zu wenige Aufträge kann ich aber nicht klagen. Viele Leute wollen wieder, dass der Weihnachtsmann zu ihnen kommt. Und überall fehlen geeignete Leute. Durch Corona hat sich viel verändert, zwei Jahre lang konnte man den Job ja kaum machen. Deswegen werde ich überall mit Kusshand genommen.
Und zum Glück werde ich dabei von meiner Frau unterstützt. Ich habe schlechte Augen, deswegen habe ich auch keinen Führerschein. Aber meine Frau fährt mich zu den Terminen. Ohne sie könnte ich den Job gar nicht machen. Heiligabend arbeite ich allerdings nicht, der Tag ist für meine eigene Familie reserviert. Nur einmal habe ich eine Ausnahme gemacht. Da wurden dann aber fast die Scheidungspapiere eingereicht (lacht).“
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