Nähe beginnt oft mit kleinen Gesten: Wie man als Paar wieder zueinander findet, wenn die Elternrolle alles überlagert.
In Sachen LiebeWG statt Beziehung – Wie finden wir als Eltern wieder zueinander?

Seit das Kind da ist, fühlt sich die Partnerschaft eher wie eine Wohngemeinschaft an. Wie lässt sich das ändern?
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Ich hätte nicht gedacht, dass ich eine Zeitung anschreiben muss, um in meiner Beziehung weiterzukommen. Aber aus unserer perfekten, ausgeglichenen und glücklichen Beziehung ist seit der Geburt unseres Sohnes gefühlt eine Wohngemeinschaft entstanden. Mein Mann und ich verstehen uns gut, aber eigentlich dreht sich alles nur um unseren fünfjährigen Sohn und unsere Elternrollen. Ich vermisse, dass wir uns mal ausgelassen unterhalten, alles verläuft effizient und gefühlsneutral. Wir sind körperlich selten nah, auch das hat sich auf das Kuscheln mit unserem Sohn verlagert. Ich fühle mich oft als Frau und Individuum nicht gesehen und geschätzt. Auch bei unseren Dates habe ich das Gefühl, dass mein Mann gelangweilt ist und sich am liebsten nur mit anderen austauschen möchte. Haben Sie eine Idee, wie wir zu unserer alten Nähe in der Beziehung kommen können? (Margarete, 36)
Es ist verständlich, dass es für Sie kein leichter Schritt war, sich mit dieser Frage an die Zeitung zu wenden. Aber ich freue mich, dass Sie ihr vertrauen und dem „In Sachen Liebe“-Team Ihr Anliegen schildern. Manchmal bietet eine gewisse Anonymität ja auch Schutz.
Ich kann Ihnen versichern: Sie sind nicht allein mit Ihren Gefühlen. Viele Paare erleben nach der Geburt eines Kindes genau das, was Sie beschreiben. Was einmal eine liebevolle, lebendige Beziehung war, fühlt sich plötzlich funktional an – fast so, als wäre man zu Mitbewohnern einer WG und Co-Managerinnen eines kleinen Familienunternehmens geworden. Die Liebe ist nicht verschwunden, aber sie hat sich verändert.
Keine Entfremdung, sondern eine Phase
Vielleicht könnte es helfen, diese Entwicklung nicht als persönliches Scheitern oder als Zeichen einer Entfremdung zu sehen, sondern als eine Phase, die viele Paare durchlaufen. Die ersten Jahre mit einem Kind sind intensiv – körperlich, emotional und organisatorisch. Die Energie, die früher selbstverständlich in die Paarbeziehung floss, wird nun in die Familie gelenkt. Und gerade, weil das Kind so präsent ist, passiert es schnell, dass man sich als Liebespaar aus den Augen verliert.
Nun stellt sich die Frage: Wie kann Nähe wieder entstehen? Eine romantische Vorstellung wäre vielleicht, einfach mehr „Dates“ einzuplanen – aber Sie beschreiben ja schon, dass diese oft nicht den gewünschten Effekt haben. Vielleicht wäre es hilfreicher, sich weniger auf das „Was“ und mehr auf das „Wie“ zu konzentrieren. Könnte es sein, dass Ihre Verabredungen noch stark aus der Elternperspektive heraus gedacht sind? Dass es sich weniger nach einer spontanen Begegnung als nach einer weiteren Aufgabe auf der To-do-Liste anfühlt?
Nähe mit kleinen Veränderungen zurückholen
Vielleicht wäre es ein Anfang, sich gemeinsam zu fragen: Wann haben wir uns das letzte Mal wirklich gesehen – nicht als Eltern, sondern als Menschen, als Partner und Partnerin? Wann haben wir uns das letzte Mal etwas erzählt, das nichts mit unserem Kind oder der Organisation des Alltags zu tun hat? Und wann haben wir das letzte Mal etwas gemeinsam gemacht, das sich nicht nach Verantwortung, sondern nach Freude angefühlt hat?
Manchmal beginnt Nähe nicht mit großen Gesten, sondern mit kleinen Veränderungen: Ein bewusstes „Wie geht es dir wirklich?“ im Alltag; ein Moment, in dem man sich füreinander interessiert, ohne dass es um die nächste Erledigung geht. Ein Blick, der sagt, „ich sehe dich“; eine Berührung, die nichts mit Routine zu tun hat.
Eine Einladung, herauszufinden, was beide gerade brauchen
Vielleicht könnten Sie auch mit Ihrem Mann ins Gespräch kommen – nicht mit dem Vorwurf, dass etwas fehlt, sondern mit der Einladung, gemeinsam herauszufinden, was Sie beide gerade brauchen. Dass er bei Ihren Dates oft gelangweilt wirkt, könnte bedeuten, dass er sich ebenfalls entfremdet fühlt, ohne es vielleicht bewusst wahrzunehmen. Und wenn Gespräche zu zweit schwerfallen, könnte es helfen, sich für den Anfang über gemeinsame Erinnerungen wieder anzunähern: Was war es, das Sie früher verbunden hat? Welche Momente haben Sie als Paar besonders genossen?
Die Nähe, die Sie suchen, ist vermutlich nicht verloren – sie ist vielleicht gerade nur überlagert von Alltag, Verantwortung und Routine. Aber sie kann wieder auftauchen, wenn Sie ihr beide Raum geben. Ich wünsche Ihnen den Mut und die Neugier, sich als Paar neu zu entdecken.
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