Vorschläge für FamilienWas Eltern und Kinder durchs Fasten lernen können
- In der Fastenzeit möchten viele auf etwas Liebgewonnenes verzichten. Wie kann das als Familie funktionieren?
- Wenn Kinder und Eltern das gleiche Ziel haben, kann das Fasten die Familie zusammenschweißen. Wichtig: Lassen Sie die Kinder mitbestimmen.
- Tipps für jede Woche, was Sie beachten müssen und wie Sie als Eltern im Alltag selbst fasten können, lesen Sie hier.
Köln – Nach den Ausschweifungen an Karneval möchten viele Menschen in der Fastenzeit Verzicht üben. Die meisten lassen in den sieben Wochen bis Ostern bestimmte Lebens – und Genussmittel weg wie Zucker und Alkohol. Andere nehmen sich vor, weniger Zeit vor dem Fernseher und mit dem Smartphone zu verbringen. Man kann aber auch auf ganz andere Dinge verzichten. Oder sogar umgekehrt: In dieser Zeit bewusst Dinge tun, die sonst zu kurz kommen.
In der Fastenzeit kann man Dinge tun, die sonst zu kurz kommen
Überlegen Sie doch mal, wie es wäre, 40 Tage lang nicht zu jammern? Sieben Wochen lang vereinbarte Treffen mit Freunden wirklich einzuhalten? Menschen auf der Straße anzulächeln? Kassierern im Supermarkt in die Auge zu schauen und sie zu begrüßen? Wirklich drei Mal die Woche zum Sport zu gehen und sich nicht auf die Couch zu legen? Anderen wirklich zuzuhören? Einmal pro Woche seine Eltern anzurufen? Nichts im Internet zu bestellen? Keine neuen Klamotten zu kaufen? Nur selbst gekochtes Essen zu essen? In sieben Wochen alle Vorräte und eingefrorenen Lebensmittel zu verbrauchen? Sie werden merken, wie Sie in dieser Zeit sehr viel bewusster leben werden.
Kinder entscheiden lassen, worauf verzichtet wird
Auch die Familie schweißt so ein gemeinsames Projekt zusammen. „Schön ist es natürlich, wenn der Impuls zum Fasten durch das Kind selbst kommt oder das, was gefastet werden soll, zusammen ausgesucht wird“, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). „Kinder sind in solchen Situationen oft recht unverblümt: Dass die Eltern zu viel rauchen oder zu oft am Smartphone hängen, wird von ihnen gut registriert und kann bei solchen Gelegenheiten thematisiert werden. Andersherum ist es für Eltern eine Chance, durch das Vorleben von Verzicht auch die Kinder zu animieren, auf bestimmte Dinge zu verzichten. Zumal es so einfacher für alle wird und man sich gegenseitig bestärken kann.“
Für jede Woche ein neues Motto einrichten
Wenn Sie nichts finden, auf das Sie sieben Wochen lang verzichten möchten, können Sie auch wochenweise vorgehen und sich jeden Montag ein neues Motto vornehmen. Hier ein paar Beispiele, an die sich alle Familienmitglieder halten und sich gegenseitig unterstützen können:
- Woche 1: ohne den ersten Griff zum Handy
- Woche 2: ohne Süßigkeiten
- Woche 3: ohne YouTube
- Woche 4: ohne Kaffee oder Cola, ohne Softgetränke oder Alkohol
- Woche 5: ohne Instagram oder Facebook
- Woche 6: ohne Schimpfwörter
- Woche 7: ohne Fleisch
„Das Fasten kann ganz neue Perspektiven eröffnen, wenn zum Beispiel Konsumverzicht geübt wird. Da wird plötzlich klar: Bücher müssen nicht immer neu gekauft werden, die Bibliothek in der Nähe hat sicher auch ein interessantes Angebot. Außerdem ist es auch gut, wenn Kinder ihren Medienkonsum in dieser Phase strenger kontrollieren. Am besten ist es natürlich, wenn die Kinder sich selbst ein Ziel setzen, zum Beispiel nur eine bestimmte Zeit am Tag digitale Endgeräte zu nutzen oder fernzusehen. Und: In Zeiten der sprachlichen Verrohung kann auch der Verzicht auf Schimpfwörter eine Herausforderung für Kinder sein“, empfiehlt Beckmann.
Durch den Verzicht wird der Genuss erst richtig deutlich
Weil sieben Wochen eine sehr lange und unübersichtliche Zeit sind, kann es für die ganze Familie hilfreich sein, einen Fastenkalender anzulegen, in dem die 40 Tage von Aschermittwoch bis Ostern deutlich dargestellt sind. Hier kann man jeden Tag abhaken und so sehen, wie viel man schon geschafft hat. Damit alle bei der Sache bleiben und durchhalten, kann man einen Ausnahmetag pro Woche – zum Beispiel den Sonntag – einrichten. An diesem Tag ist alles wieder erlaubt. So ein Cheat Day kann dabei helfen, den Verzicht länger durchzuhalten. Beckmann: „Durch das Verzichten in der Fastenzeit lernen wir alle, wieder etwas mehr auf die Grundbedürfnisse zu schauen. Muss es jeden Tag das Stück Kuchen sein oder genieße ich es viel mehr, wenn es das nur einmal in der Woche gibt? Kinder lernen durch Verzicht auch den Genuss von dem, auf das sie verzichtet haben.“
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Heilfasten mit Kindern – geht das?
Das echte Fasten, also nichts essen und dabei zur Ruhe kommen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ist im Familienalltag allerdings ziemlich schwierig. Es kann jedoch trotzdem funktionieren. „Fasten ist auch im normalen Alltag möglich, man sollte sich dabei aber von einem Arzt begleiten lassen“, empfiehlt Raimund Wilhelmi von der Fastenklinik Buchinger Wilhelmi in Überlingen am Bodensee. Am besten nimmt man sich für die Zeit des Fastens Urlaub, damit man wirklich Ruhe und Zeit hat, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Was die Themen Kochen und gemeinsame Mahlzeiten mit den Kindern angeht, ist Wilhelmi entspannt. Das Kochen könne zwar eine Herausforderung sein, wenn man selber nichts isst, aber „nach drei bis vier Tagen hört der Hunger auf und Sie können ohne Probleme neben einem Essenden sitzen.“ Viel wichtiger sei, dass man Zeit für sich habe. „Sie sollten mittags etwa eine Stunden lang ruhen und auch Zeit haben, sich körperlich zu bewegen – Spazierengehen, Rad fahren oder für Yoga zum Beispiel“, sagt Wilhelmi. Leichter sei es zudem, in Gemeinschaft zu fasten, etwa in einer betreuten Gruppe oder mit Freunden.
Möglich ist es also schon, quasi nebenbei im normalen Alltag zu fasten, besser wäre es aber, es losgelöst vom heimischen Alltag zu tun. An einem geschützten Ort wie in einer Klinik, wo man sich auch mal fallen lassen kann und Ruhe hat. „So haben Sie auch die Chance, sich wirklich mit sich selbst zu beschäftigen und sich zu fragen: Wer bin ich wirklich? Was sind meine Bedürfnisse, Träume und Wünsche – und was davon kommt in meinem Leben zu kurz? Diese Bewusstwerdung ist wichtig, denn sie führt möglicherweise zu einer Änderung von Einstellung und Lebensstil, wodurch man dann gesünder und glücklicher wird“, glaubt Wilhelmi.
Zeit für sich selbst ist sehr wichtig beim Fasten
Die seelische Komponente beim Fasten sei sehr wichtig. Es gehe eben nicht nur um den Verzicht auf Essen, sondern auch darum, runterzukommen, echte Ruhe zu finden. „Gesundheit sollte immer ganzheitlich betrachtet werden – also Körper, Seele und Geist umfassend in den Blick nehmen. Gerade bei Eltern kommt das Beschäftigen mit sich selbst oft viel zu kurz“, so Wilhelmi. Nach vier bis fünf Tagen verändere sich beim Fasten das Bewusstsein, erklärt er. „Sie werden durchlässiger. Stress spüren Sie stärker, aber auch schöne Dinge nehmen Sie intensiver wahr. Auch ihre Träume verändern sich. Sie bewerten die Welt um sich herum plötzlich anders. Vielleicht so, wie sie wirklich ist. Denn mit dem Fasten kommt die Ehrlichkeit.“
Leichtere Fasten-Versionen
Der komplette Verzicht auf Nahrung fällt vielen Menschen schwer oder ist im Alltag einfach nicht machbar. Ein erster Versuch, mit weniger auszukommen, könnte das Intervallfasten sein, das bereits viele Menschen praktizieren. Die Methode ist sehr einfach: Acht Stunden am Tag dürfen Sie ohne besondere Vorschriften essen, was Sie möchten. Am besten sollte es aber auch hier nicht zu viel sein. In den restlichen 16 Stunden des Tages dürfen Sie nichts zu sich nehmen. So wird der Stoffwechsel aktiviert und man nimmt schneller ab. Weitere Informationen finden Sie hier.
Scheinfasten: die weniger intensive Methode
Auch das sogenannte Scheinfasten ist eine Möglichkeit, eine Zeit lang mit wenig Essen auszukommen. Diese Methode wird auch Prolon-Diät oder Longevità-Diät genannt. Entwickelt hat das Konzept der kalifornische Arzt Dr. Valter Longo. Über die Homepage kann man ein Paket mit Tagesrationen für fünf Tage in kleinen Boxen bestellen. Enthalten sind verschiedene Tees, Mandelriegel, Suppen und spezielle Drinks. So hat man wenigstens etwas, auf das man sich freuen kann. Diese fünf Tage können eine gute Möglichkeit sein, das Fasten einmal auszuprobieren.
Fasten auf Zeit: Intervallfasten
Ein weiterer Versuch, mit weniger auszukommen, könnte das Intervallfasten sein, das bereits viele Menschen praktizieren. Die Methode ist sehr einfach: Acht Stunden am Tag dürfen Sie ohne besondere Vorschriften essen, was Sie möchten. Am besten sollte es aber auch hier nicht zu viel sein. In den restlichen 16 Stunden des Tages dürfen Sie nichts zu sich nehmen. So wird der Stoffwechsel aktiviert und man nimmt schneller ab. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, finden Sie hier weitere Informationen.
Der Fasten-Klassiker: Auf Süßigkeiten verzichten
Viele lassen in der Fastenzeit Süßigkeiten weg. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind, bis Ostersonntag ohne Schokolade, Gummizeug, Eis und Kekse auszukommen. Versuchen Sie stattdessen, den Appetit auf Süßes mit Obst zu stillen. Auf jeden Fall helfen Sie Ihrem Kind (und sich selbst), wenn gar keine Süßigkeiten im Haus sind. Auch Freunde und Bekannte sollten mit einbezogen werden. Als Ansporn kann man alle Sachen, die man geschenkt bekommt oder im Haus hat, in einen Karton packen. So hat man nach Ostern einen großen Vorrat. Vielleicht hat man sich in der Zeit so ans Fasten gewöhnt, dass man dann gar keinen Hunger mehr auf Süßes hat. Weitere Motivationshilfe: Das Geld, das man durch den Verzicht auf Süßigkeiten spart, kann man in bar in eine Dose legen und am Ende der Fastenzeit ausgeben.
Weitere Idee: Auf Bildschirmzeit verzichten
Eine andere gute Möglichkeit für Kinder und Jugendliche ist es, weniger Zeit mit dem Handy oder generell vor dem Bildschirm zu verbringen. Es kann schon helfen, am Anfang erst einmal zu dokumentieren, wie lange man am Tag überhaupt vor dem Bildschirm verbringt. Anschließend können Sie gemeinsam mit Ihrem Kind eine tägliche Maximalzeit festlegen. So wird der Konsum bewusster.
Die Wohnung und den Kleiderschrank entrümpeln
Die Fastenzeit ist eine gute Zeit, um die Wohnung, die Kinderzimmer oder den Kleiderschrank auszumisten. Um das konkret anzugehen, aber so viel Spielraum wie möglich zu lassen, kann man sich vornehmen, dass jeden Tag eine Sache die Wohnung verlässt. Man kann also entweder etwas aussortieren, was kaputt ist oder etwas weggeben, was man nicht mehr benutzt. Auch Dinge, die man eigentlich nicht mag, werden aussortiert. Um den Kleiderschrank auszumisten, kann man alle Teile, die man gerade nicht anziehen mag, in eine Kiste legen und sieben Wochen lang wegpacken – natürlich auch länger. Wenn Sie in dieser Zeit nichts von den Sachen vermisst haben, können Sie überlegen, ob es nicht lohnt, die Sachen ganz wegzugeben.
Eine interessante Methode ist auch, alle getragenen und gewaschenen Sachen auf die rechte Seite des Schranks zu packen und die ungetragenen auf die linke. Aufgabe ist nun, jeden Tag ein ungetragenes Teil von links mit den normalerweise genutzten Sachen von rechts zu kombinieren. Bleiben in den sieben Wochen Teile ungetragen (ausgenommen sind Kleidungsstücke, die nicht zur Jahreszeit passen), weil man einfach keine Lust darauf hat, sortieren Sie sie aus.
Zum Weiterlesen:
Raimund Wilhelmi: „Das Glück des Fastens. Was mein Großvater Otto Buchinger schon wusste oder was wir gewinnen, wenn wir verzichten“, Hoffmann und Campe, 18 Euro
Prof. Dr. Valter Longo: Iss dich jung. Wissenschaftlich erprobte Ernährung für ein gesundes und langes Leben. Die Longevitá-Diät, Goldmann, 10 Euro
Martina Tischer: „Fastenglück. Ein Selbstversuch. Nachmachen erlaubt“, Goldegg, 19 Euro
Lulit und Mabon Wunder: „Wunderleicht Fasten. Das Reset-Programm für einen Neustart“, Trias, 16,99 EuroLeichtere Fasten-Versionen